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Police statt Penunzen

Posted By Friederike Krieger On 12. Dezember 2011 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Mietkautionsbürgschaften können die herkömmlichen Sicherheiten fürImmobilienbesitzer ersetzen

Anne-Christin Gröger und

Friederike Krieger

Mit Existenzgründern lässt sich trefflich Geld verdienen, das hat eine Vielzahl von Firmen, Versicherern und Beratern schon längst erkannt. Werbeagenturen schicken Berge von Katalogen mit Büromobiliar an die Firma, IT-Entwickler preisen die neueste Computersoftware an, Beratungsunternehmen locken mit Orientierungshilfe im Dschungel der Fördermittelanträge, und Versicherungsvertreter erstellen individuelle Analysen, welche Policen sie für den neuen Betrieb für unverzichtbar erachten.

Jetzt haben weitere Anbieter diese Zielgruppe in ihrer Rolle als Mieter entdeckt: Versicherungsmakler, die mit Mietkautionsversicherungen handeln. Das sind Bürgschaften, mit denen sich Vermieter für den Fall absichern, dass der Mieter nicht zahlt oder beim Auszug eine renovierungsbedürftige Immobilie hinterlässt.

Das Geschäftsfeld ist lukrativ. Allein auf privaten Sparbüchern und Konten liegen etwa 27 Mrd. Euro für die Kaution. Im Gewerbebereich sei der Betrag deutlich höher, schätzt Ulrich Grabowski, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Kautionskasse (DKK), die seit Mai dieses Jahres die Policen auch für gewerbliche Mieter verkauft. Andere Anbieter sind die Firma Kautionsfrei in Düsseldorf und Eurokaution in Hamburg. Sie verkaufen Verträge für Büroobjekte, Praxisräume oder Kanzleien.

Bei der Mietkautionspolice trägt ein Versicherer das Risiko. Bei der DKK sind das Chartis, früher AIG, und die R+V. Partner der Eurokaution ist die Grundeigentümer-Versicherung. Konkurrent Kautionsfrei arbeitet ebenfalls mit der R+V zusammen.

Gründer zahlen mehr Das Prinzip der Angebote: Statt einen hohen Betrag von meist drei Monatsmieten auf einem Kautionskonto zurückzulegen, schließen Unternehmer, Ärzte oder Rechtsanwälte über den Hausverwalter oder den Makler eine Police ab. Dafür zahlen sie bei der Kautionskasse 4,7 Prozent der Kautionssumme, wenn sie bereits etabliert sind. Für Existenzgründer ist es teurer, bei ihnen sind 6,1 Prozent fällig. Eurokaution verlangt je nach Höhe der Sicherheit zwischen 300 Euro und 1300 Euro. Bei Kautionsfrei legt der Makler die Prämie nach einer Prüfung individuell fest. Sie richtet sich nach der Höhe der Bürgschaft und der Branche, in der das Unternehmen tätig ist. Die Bürgschaft für einen Diskothekenbesitzer kann deutlich teurer ausfallen als für einen Handwerkerbetrieb. Erfahrungsgemäß kommt es im Gastgewerbe häufiger zu Ausfällen als bei Handwerkern.

„In der Regel ist die Prämie aber nicht weit von dem entfernt, was Privatkunden zahlen“, sagt Makler Franz Rudolf Golling. Er ist Vorstand des Maklerunternehmens Schneider Golling. Seine Firma bietet seit zwei Jahren zusammen mit der Immobiliengesellschaft Capitol über das Unternehmen Plus Forta Kautionsbürgschaften an und betreibt das Internetportal Kautionsfrei.

Die Bürgschaft kostet für private Mieter jährlich 5,25 Prozent der Kautionssumme. Was Gewerbetreibende und Freiberufler zahlen müssen, hängt bei Golling vom jeweiligen Risiko und der Branche ab. Bislang hat das Portal 200 gewerbliche Bürgschaften vermittelt.

Die Vorteile solcher Angebote für Unternehmer: „Er kann das Kautionsgeld anderweitig verwenden, was gerade für Firmengründer wichtig ist“, sagt Grabowski. „Zudem senkt eine herkömmliche Bankbürgschaft den Kreditrahmen bei der Hausbank – das kann der Mieter mit einer Versicherung vermeiden.“ Grabowski vertreibt die Policen über große Immobilienverwaltungen wie Immeo im Rhein-Ruhr-Gebiet, Prelios in Norddeutschland oder die Deutsche Wohnen. Bis zu einer Kautionssumme von 50 000 Euro können die Policen auch online abgeschlossen werden.

BonitätscheckFür Privatkunden gibt es das Angebot schon länger. Vor allem Menschen, die berufsbedingt öfter umziehen, stehen immer wieder vor dem Problem, dass für eine Übergangszeit zwei Monatsmieten fällig werden, dazu kommen Maklerprovisionen, Umzugskosten und die Kaution. Dann ist das Konto schnell leer. Oft ist die Sicherheit für die neue Wohnung fällig, bevor die für die alte ausbezahlt wird. In so einer Lage kann die Police eine Alternative sein.

Auch Vermieter haben einen Vorteil: Vor Abschluss der Police führt der Anbieter einen Bonitätscheck nach den Kriterien der Schufa durch. Der Vermieter spart sich die eigene Überprüfung des Mieters. Zudem verringert sich der Aufwand im Schadenfall. „Wir zahlen sofort, wenn der Vermieter einen Schaden meldet“, sagt Grabowski. „Damit kann der Eigentümer sichergehen, dass er sein Geld sofort bekommt, ohne lange juristische Streitereien.“

Kautionsfrei hat inzwischen 40 000 Kunden, einschließlich unverbindlicher Reservierungen von Bürgschaften. Viele Kunden wollen schon eine Bürgschaftszusage, wenn sie eine Wohnung suchen. „Damit wollen sie dem Vermieter zeigen, dass ihre Bonität stimmt und die Kaution kein Problem darstellt“, sagt Golling.

Das Angebot ist nicht unumstritten. Verbraucherschützer und Mietervertretungen raten davon ab. „Anders als der Name es suggeriert, handelt es sich um keine Versicherung, sondern um eine normale Bürgschaft“, sagt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund. Kunden glauben, wenn sie einen Vertrag abschließen, übernimmt der Versicherer im Schadenfall alle Kosten. Das sei ein Irrtum. „Nimmt der Vermieter die Kautionsbürgschaft in Anspruch, wird der Versicherer sich das Geld vom Mieter zurückholen“, sagt er. Zudem kommt der Versicherer nur für Kosten in Höhe der Mietkaution auf. „Alles, was teurer wird, muss der Mieter selbst bezahlen.“

Obwohl die Kautionsversicherung noch eine recht junge und kleine Sparte ist, streiten sich die wenigen Anbieter schon heftig. Grund ist eine Klausel in den Geschäftsbedingungen der Deutschen Kautionskasse und der Eurokaution. Denn sie bieten die spezielle „Bürgschaft auf erstes Anfordern“. Das bedeutet, dass der Versicherer die Kaution ohne Prüfung des Falles sofort an den Vermieter auszahlt, sobald er einen Schaden meldet. „Ohne diese Klausel lassen sich die großen Wohnungsgesellschaften nicht auf das Geschäft ein“, sagt Grabowski. „Sie wollen sichergehen, dass sie im Schadenfall ihr Geld schnell bekommen.“

Konkurrent Golling von Kautionsfrei hält gerade das für einen Nachteil. Was auf den ersten Blick wie eine unkomplizierte Schadenabwicklung aussehe, könne für den Mieter gravierende Nachteile haben. „Dieser ist dann schnell Regressforderungen ausgesetzt.“ Denn der Versicherer wird sich die ausgezahlte Kaution zurückholen. Sich dagegen zu wehren, kostet Zeit, Geld und Nerven.

„Wir prüfen vor Auszahlung der Kaution, ob die Argumentation des Vermieters schlüssig ist“, sagt Golling. Der Mieter habe eine Chance, zu protestieren. Die Anbieter akzeptieren aber nur harte Fakten. Bloße Aussagen wie „Ich habe aber gut renoviert“ gelten nicht. „Der Mieter muss ein Schriftstück vorweisen, aus dem hervorgeht, dass ordnungsgemäß renoviert wurde.“

Die Bürgschaft auf erstes Anfordern kann auch für den Vermieter zum Problem werden. „Der Bundesgerichtshof hat Handwerkergewährungsbürgschaften auf erstes Anfordern für nichtig erklärt“, sagt Golling. Greife die Rechtsprechung auch für Mietkautionsbürgschaften, habe der Vermieter keinen Schutz.

Quelle: Financial Times Deutschland


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