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Weniger Pleiten in Deutschland

Posted By Jonas Tauber On 12. Dezember 2011 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Schlechte Zahlungsmoral bei Geschäftspartnern in Südeuropa

Jonas Tauber und Friederike Krieger

Trotz der Euro-Krise ist die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland rückläufig. Aber die exportorientierte deutsche Wirtschaft leidet unter der schwachen Zahlungsmoral ausländischer Abnehmer.

Von Januar bis September 2011 meldeten die deutschen Amtsgerichte laut Statistischem Bundesamt 22 854 Pleiten von Betrieben. Das sind 6,7 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Für das Gesamtjahr 2011 rechnen die Statistiker mit rund 30 500 Unternehmensinsolvenzen nach 31 998 im Vorjahr.

Während die Lage im Inland derzeit nicht angespannt ist, haben Exporteure durchaus Probleme mit angeschlagenen Kunden. Die Euro-Schuldenkrise macht sich bei der Zahlungsmoral ausländischer Geschäftspartner bemerkbar. Laut Zahlungsmoralbarometer des Kreditversicherers Atradius werden 37 Prozent aller Exportforderungen deutscher Firmen nicht pünktlich beglichen. Spitzenreiter bei verspäteten Zahlungen ist Griechenland. Unternehmen in Hellas zahlen erst nach durchschnittlich 92 Tagen. An zweiter Stelle folgt Spanien mit 87 Tagen.

„Eine weitere Verschärfung der Euro-Krise würde in den von der Schuldenkrise besonders betroffenen Ländern Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien zu einer noch restriktiveren Kreditvergabe der lokalen Banken und damit zu einer weiteren Verschlechterung der Zahlungsmoral in diesen Märkten führen“, sagt Michael Karrenberg, Leiter des Risikomanagements bei Atradius. Wenn die Firmen von den Banken kein Geld bekommen, wälzen sie das Problem auf ihre Zulieferer ab, indem sie großzügige Zahlungsziele mit den Herstellern vereinbaren oder die bestehenden Fristen gnadenlos überziehen.

Jedes zweite deutsche Unternehmen versucht, die Zahlungsbereitschaft seiner Abnehmer mithilfe von Skonto zu beschleunigen. Dabei gewähren die Firmen Preisnachlässe, wenn der Kunde seine Rechnung schnell zahlt. Allerdings reagieren die Geschäftspartner nur verhalten darauf. „Für die Unternehmen ist es oftmals günstiger, den Lieferantenkredit in Anspruch zu nehmen und später zu zahlen“, sagt Karrenberg. Neben der Gewährung von Skonto setzten Lieferanten verstärkt auf die Prüfung der Kreditwürdigkeit ihrer Geschäftspartner und deckten sich stärker mit Kreditversicherungen ein. Die Nachfrage nach Forderungsausfallschutz für italienische Abnehmer schnellte bei Atradius im zweiten Quartal 2011 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 47 Prozent in die Höhe. Kreditversicherer bieten Unternehmen Schutz für den Fall an, dass ein Kunde wegen Insolvenz für gelieferte Ware nicht bezahlen kann.

Wissen, wie es dem Kunden gehtEinen ganz anderen Trend als Atradius beobachtet Christoph Buchmann vom Versicherungsmakler Südvers. Nach den Erfahrungen aus der Krise 2008/2009 verzichteten Unternehmen auf die Policen und setzten auf den Ausbau des eigenen Kreditmanagements, sagt er. Die Anbieter hatten seinerzeit vielen Firmen ohne Vorwarnung die Deckung gestrichen und damit Empörung ausgelöst. „Seit der Krise hat sich bei den Unternehmen extrem viel getan, und die Versicherer haben vor diesem Trend ein wenig Angst“, sagt Buchmann. Der Aufbau eines schlagkräftigen Kreditmanagements ist allerdings aufwendig – und wer auf die Police verzichtet, bekommt im Ernstfall eben keine Entschädigung. Die einfachste Alternative für Unternehmen ist, von Geschäftspartnern Vorkasse zu verlangen. Aber das macht nicht jeder Kunde mit.

Unverzichtbar für ein gutes Kreditmanagement ist es, Informationen über Geschäftspartner einzuholen. Hier sind die Kreditversicherer kaum zu schlagen, denn sie verfügen über riesige Datenbanken mit aktuellen Informationen. Sie erfahren von ihren Kunden, wenn Abnehmer ihre Rechnungen über die Fälligkeitsfrist hinaus nicht bezahlen. Diese Bonitätseinschätzungen verkaufen sie auch als Einzelleistung.

Wirtschaftsauskunfteien wie Bürgel oder Dun & Bradstreet bieten ebenfalls ein Bonitätsrating von Firmen an. Es reiche manchmal bereits für eine belastbare Beurteilung des Risikos aus, sagt Buchmann. Firmen können auch Bankauskünfte einholen. Gegen Gebühr teilen Banken mit, ob ein Unternehmen die Raten für genommene Kredite bezahlt hat und ob es den Kreditrahmen ausgereizt hat. „Bankauskünfte sind relativ schwammig“, sagt Makler Buchmann. Wer sie verstehen wolle, müsse entsprechende Erfahrungen mitbringen. „Das ist vergleichbar mit einem Arbeitszeugnis, das ebenfalls interpretiert werden muss“, sagt er. Kostenlos und rund um die Uhr sind Informationen über Firmen im elektronischen Bundesanzeiger abrufbar. Die sind aber nicht tagesaktuell.

Quelle: Financial Times Deutschland


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