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Assekuranz betet um Ruhe an den Märkten

Posted By Herbert Fromme On 16. Dezember 2011 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Branche hängt auch vom Schicksal der Banken ab // Kostensenkungen undIT-Investitionen ganz oben auf der Agenda

Herbert Fromme , Köln

Lang hat die Versicherungsbranche so getan, als ob sie die Finanzkrise nichts anginge. Anders als die Banken habe man die Krise gut bewältigt, tönten ihre Chefs selbstbewusst. „Die Probleme des Bankensektors sind nicht auf uns ausgestrahlt“, sagt Rolf-Peter Hoenen, Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, noch Ende 2010.

Heute bieten die Versicherer das Kontrastprogramm. So hilflos habe er sich noch nie in seiner Karriere gefühlt, gesteht der gestandene Vorstandsvorsitzende eines mittelgroßen Versicherers. Die Kapriolen der Finanzkrise bringen die Assekuranz in sehr schwierige Situationen. Doch das Management hat kaum eine Möglichkeit, ihr Schicksal aktiv zu beeinflussen. Umschichtungen von Wertpapieren in großem Stil, Verkäufe, die Absicherung von Asset-Klassen – im heutigen Marktumfeld ist das ohne gigantische Verluste kaum möglich, wenn überhaupt ein Markt besteht.

Der Wertverfall von Staatsanleihen ist eines der Probleme. Die Finanzaufsicht BaFin hat die zehn größten Versicherer zu Staatsanleihen Portugals, Irlands, Italiens, Griechenlands und Spaniens befragt. Das Ergebnis: Zusammen sind es elf Prozent ihrer weltweiten Kapitalanlagen. Damit stehen Milliarden im Feuer.

Noch schwerer aber wiegt die Abhängigkeit von den Banken. Die zehn Befragten haben bis zu 55 Prozent ihrer Kapitalanlagen in Bankanleihen investiert. Gehen Institute pleite, bringt das auch Versicherer in Not. Im vertraulichen Gespräch will kein Manager ausschließen, dass es zu Schieflagen von Versicherern kommen kann.

Ein Ende ist nicht in Sicht. „Weiterhin erhebliche Marktschwankungen“ für 2012 erwartet Nikolaus von Bomhard, Chef des weltgrößten Rückversicherers Munich Re.

Neben möglichen Existenznöten einzelner Versicherer hat die Krise Langzeitfolgen. Das sind vor allem die niedrigen Zinsen – die sich auf die Lebens- und Krankenversicherer äußerst negativ auswirken. „Wir glauben, dass ein Szenario anhaltender niedriger Zinsen die größte Bedrohung für die Finanzstärke deutscher Versicherer ist“, sagt Christian Badorff, Analyst bei der Ratingagentur Standard & Poor’s.

Ohnehin haben die Konzernvorstände zunehmend weniger Freude an ihren Lebens- und Krankenversicherungstöchtern. In der Krise zeigt sich, dass sie für die Muttergesellschaften teuer werden können, weil sie Zinsgarantien gegeben haben.

Geld verdient die Branche vor allem mit der Schaden- und Unfallversicherung: der Absicherung von Schäden aus Auto-, Gebäude-, Unfall- und Haftpflichtrisiken. Kein Wunder, dass die Konkurrenz unter den Versicherern hier besonders heftig wird. Dabei wird das Internet immer wichtiger.

Beim traditionellen Vertriebsweg Vertreter sehen sich die Versicherer auch 2012 heftigem Druck aus Brüssel und Berlin in der Frage der Provisionen ausgesetzt. Verbraucherschützer und Regierung greifen vor allem die hohen Abschlussprovisionen in der Lebens- und Krankenversicherung an. Diese Kritik erhält Rückenwind durch eine Reihe von Skandalen. Incentive-Reisen für Vertreter mit gekauftem Sex in Budapest gedeihen auf dem Boden einer Kultur des schnellen, leichten Geldes, das die Abschlussprovisionen scheinbar liefern – da kann ein Vertreter schon mal 4000 Euro mit einem einzigen Abschluss einnehmen.

Angesichts der Krise tun Axa, Talanx und Allianz, was Vorstände in Zeiten sinkender Margen immer tun: Sie senken Kosten und streichen Stellen. Andere Gesellschaften werden folgen. Aber das sichert die Zukunft der Unternehmen nicht. Nötig sind große Investitionen in neue Vertriebsformen und in die Datenverarbeitung.

Bessere IT-Systeme brauchen viele Gesellschaften, um mit neuen Anforderungen der Aufsicht fertig zu werden, vor allem unter Solvency II.

Aber noch mehr benötigen sie gute IT-Systeme, um schneller mit neuen Angeboten auf dem Markt zu sein. Wer als Lebens- oder Autoversicherer neuen Angebote der Marktführer erst Monate später kontern kann, hat im Wettbewerb schon verloren.

Quelle: Financial Times Deutschland


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