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Den Tod als Pfand

Posted By Friederike Krieger On 28. Dezember 2011 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Policendarlehen sind flexibel und damit attraktiv. Zweitmarktanbieter machenihnen Konkurrenz

Friederike Krieger

Als die Berliner Geschäftsfrau Heike Niemeyer 2009 einen Kredit aufnehmen wollte, um neue Computer zu kaufen, biss sie bei den Banken auf Granit. Obwohl die Geschäfte der selbstständigen Projektmanagerin florierten, spielten die lokalen Kreditinstitute, die sie aufsuchte, nicht mit. Die einen wollten ihr gar kein Geld geben, die anderen nur zu einem Zinssatz von 12,25 Prozent – Konditionen, die sie nicht akzeptieren konnte.

Den notwendigen Kredit gewährte ihr am Ende keine Bank, sondern ihr Rentenversicherer Allianz in Form eines Policendarlehens. Dabei erhält der Kunde einen Kredit aus seinem Versicherungsguthaben. Niemeyer belieh ihre Police mit 12 000 Euro. „Die Konditionen waren super“, sagt sie. Der effektive Jahreszins betrug damals 5,2 Prozent.

Viele Versicherer bieten diese Art des Kredits an. Die Allianz hat bisher 149 000 vergeben. „Das Policendarlehen kann insbesondere bei einem kurzfristigen Liquiditätsengpass genutzt werden“, sagt ein Sprecher. Etwa dann, wenn Arbeitslosigkeit, Elternzeit oder eine Weiterbildung Löcher in die Haushaltskasse schlagen, ein Immobilienerwerb bevorsteht oder kurzfristige Verbindlichkeiten bestehen. Ein Policendarlehen sei besser, als den Vertrag aus Geldnot zu kündigen oder zu verkaufen. „Das Interessante am Policendarlehen ist, dass die bestehende Police beliehen werden kann, die Altersvorsorge und der Versicherungsschutz aber erhalten bleiben“, so der Allianz-Sprecher.

Zudem ist die Rückzahlung sehr flexibel. Nur die Kreditzinsen muss der Kunde regelmäßig mit seinen Beiträgen zahlen. Wie er das eigentliche Darlehen zurückzahlt, bleibt ihm überlassen. Er steht nicht unter dem Druck, es in monatlichen Raten abzustottern. Je nach Belieben kann er es auf einen Schlag oder in Teilbeträgen zurückzahlen – oder auch gar nicht. Tilgt er das Darlehen nicht bis zum Ende der Vertragslaufzeit, wird es mit der Versicherungsleistung verrechnet. „Natürlich empfehlen wir immer, das Policendarlehen zurückzuzahlen, um die Altersvorsorge nicht zu gefährden“, sagt der Sprecher.

Beleihen lassen sich private Lebens- und Rentenversicherungen, nicht aber staatlich geförderte Policen wie Riester- und Rürup-Renten. Bei der Allianz muss der Rückkaufwert der Police mindestens 1000 Euro betragen, um ein Darlehen aufnehmen zu können. Das ist der Wert, den ein Kunde bei vorzeitiger Kündigung des Vertrags erhalten würde. Bei der Allianz sind Kredite bis zur vollen Höhe des Rückkaufswerts möglich. Zusätzlich kann der Versicherte auch die Überschussanteile beleihen.

Da der Kunde das Ausfallrisiko in Form einer verminderten Leistung selbst trägt, sind die Kredite der Versicherer billiger als Bankdarlehen.

Günstig möchte Max Herbst, Inhaber der FMH-Finanzberatung, sie aber nicht nennen. Er hat die Konditionen der Policendarlehen deutscher Versicherer untersucht. „Sie schreiben den Kunden noch nicht einmal vier Prozent Zinsen gut, verlangen aber im Schnitt 6,75 Prozent, wenn sie dem Versicherten sein eigenes Geld leihen.“

Inzwischen machen den Versicherern bei den Policendarlehen auch Zweitmarktfirmen Konkurrenz, deren Spezialgebiet eigentlich der Aufkauf von Lebensversicherungen ist. „Unsere Kredite sind oft günstiger als die der Versicherer“, sagt Ulf Spielmann, geschäftsführender Gesellschafter von Lifefinance. Das Unternehmen bietet Policendarlehen schon ab 5,07 Prozent effektivem Jahreszins an. Dazu kooperiert Lifefinance mit der Volksbank Weschnitztal.

Der Clou: Während Versicherer nur für ihre eigenen Policen Darlehen vergeben, vermittelt Lifefinance Kredite für Verträge aller Gesellschaften, die Mitglied im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft sind. „Die Konditionen sind für alle Versicherungsgesellschaften gleich“, sagt Spielmann. Kunden, deren Versicherer für die Beleihung sieben Prozent Zinsen oder mehr verlangt, können also ein Schnäppchen machen.

Wie bei den Assekuranzdarlehen ist die Rückzahlung flexibel, die Deckung bleibt erhalten. „Im Gegensatz zu den Angeboten der Versicherer ist der Zins über die gesamte Laufzeit fest“, sagt Spielmann. Nachteil: Läuft der Kredit aus, bevor die Leistung aus dem Versicherungsvertrag ansteht, und hat der Kunde nicht genug Geld für die Rückzahlung, muss er die Police kündigen, sofern die Bank keine Verlängerung gewährt.

„Policendarlehen sind schon eine gute Sache, um dem Versicherten aus einer momentanen Klemme herauszuhelfen“, sagt Hajo Köster vom Bund der Versicherten. Er rät allerdings dazu, Angebote von Versicherern, Banken und Zweitmarktspezialisten genau zu vergleichen.

Quelle: Financial Times Deutschland


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