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Sarah T. kämpft für Grundsatzurteil

Posted By Anja Krüger On 5. März 2012 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Schwerbehinderte zieht gegen Versicherer Generali vor Bundesgerichtshof //Rekordabfindung erhofft

Obwohl das Oberlandesgericht Hamburg die Prozesskostenhilfe abgelehnt hat, wird die schwerbehinderte Sarah T. ihren Kampf um eine Kapitalabfindung gegen den Versicherer Generali fortsetzen. Das Fall hat für großes Aufsehen gesorgt, weil die heute 26-Jährige mit 7,2 Mio. Euro die höchste je von einem Unfallopfer in Deutschland geforderte Summe einklagt. „Wir wollen eine Grundsatzentscheidung vor dem Bundesgerichtshof erreichen“, sagt ihr Anwalt Jürgen Hennemann. Er will durchsetzen, dass Geschädigte einen Anspruch auf eine Kapitalabfindung bekommen. Damit würde sich ihre Position bei einem Streit mit der Assekuranz erheblich verbessern. „Die Versicherer könnten dann die Regulierung nicht mehr systematisch verschleppen und verzögern, wie sie es heute tun“, sagte der Fachanwalt für Versicherungsrecht.

Sarah T. ist seit einem Autounfall 2004 schwerbehindert. Die junge Mutter kann ihren Sohn nicht versorgen. Der Versicherer Generali muss für den entstandenen Schaden aufkommen, das ist unstrittig. Aber zwischen den Angehörigen von Sarah T. und dem Versicherer kommt es immer wieder zu heftigen Konflikten, etwa um die Frage, ob eine elektrische Hebevorrichtung für die Badewanne nötig ist oder ob die Mutter die Schwerbehinderte mit eigener Körperkraft dort hineinheben muss.

Der ständigen Gängelung durch den Versicherer satt, forderte Sarah T. schließlich eine Kapitalabfindung in Höhe von 7,2 Mio. Euro. Generali will keine Abschlagszahlung leisten. „Wir sehen uns in der Verantwortung, eine lebenslange Versorgung von Sarah T. zu gewährleisten, das ist nur mit einer Rentenlösung möglich“, begründet Generali seine Haltung.

In anderen Ländern, etwa in den USA, sind Summen in dieser Größenordnung nicht ungewöhnlich. Dort haben Unfallopfer aber auch generell eine stärkere Rechtsposition. Zudem müssen Versicherer in Amerika hohe Strafen zahlen, wenn sie eine Schadenregulierung verschleppen. Das ist in Deutschland nicht der Fall. Hierzulande haben Geschädigte nicht einmal einen Anspruch auf eine Kapitalabfindung. Das Bürgerliche Gesetzbuch regelt, dass sie eine Rente bekommen – es sei denn, es liegen „wichtige Gründe“ vor. Die sind aber nicht definiert. Die Versicherer können Geschädigten allerdings eine Abfindung vorschlagen. Sie haben also faktisch ein Wahlrecht. Davon machen sie auch immer wieder Gebrauch. Auch Generali hatte Sarah T. ein Angebot in Höhe von 1 Mio. Euro gemacht. „Versicherer bieten Abfindungen an, die weit unter dem liegen, was den Geschädigten zusteht“, sagt Anwalt Hennemann.

Oft seien Unfallopfer nach jahrelangem Streit mit dem Versicherer finanziell und psychisch so zermürbt, dass sie solche Angebote annähmen. „Hätten Geschädigte einen Anspruch auf eine Kapitalabfindung, müssten die Versicherer ihr Regulierungsmodell ändern“, sagt Hennemann. Es würde nur noch um die Höhe des Anspruchs gehen, die Verfahren wären wesentlich schneller abgeschlossen.

Im vergangenen Juli entschieden die Richter des Landgerichts Hamburg, dass Generali keine Kapitalabfindung zahlen muss, weil keine „wichtigen Gründe“ vorliegen. Die Richter entschieden außerdem, dass die Generali über die bisher geleisteten Zahlungen hinaus 130 000 Euro mehr an Schmerzensgelds und 164 074 Euro an offenen Schadensersatzansprüchen zahlen muss. Generali hatte behauptet, Sarah T. sei bei dem Unfall nicht angeschnallt gewesen, wegen Mitverschuldens habe man die Leistung gekürzt.

Das Oberlandesgericht hat jetzt den Antrag von Sarah T. auf Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren mit der Begründung abgelehnt, es bestünden keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Generali akzeptiere das Urteil, sagt eine Sprecherin. Von den im Juli festgesetzten Nachzahlungen hat der Versicherer aber noch keinen Cent überwiesen – obwohl Generali das Argument des Mitverschuldens inzwischen zurückgezogen hat. „Wir prüfen eine Zahlung“, sagt die Sprecherin.

Anja Krüger

Quelle: Financial Times Deutschland


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