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Dunkle Wolken über der Sonnenbranche

Posted By Katrin Berkenkopf On 4. April 2012 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Die Solarfirmen sind angeschlagen. Für ihre Zulieferer ist es schwer,Versicherungsschutz zu bekommen

Im Wochentakt laufen Insolvenzmeldungen über Solarunternehmen in den Nachrichten. Die Firmen sind schwer gebeutelt von weltweiten Überkapazitäten und Preiskampf. Zulieferer solcher Problembranchen haben es schwer, Kreditversicherungsschutz zu bekommen.

Die Nachfrage von Lieferanten der Solarbranche sei deutlich gestiegen, berichtet Robert Brixius, Geschäftsführer des Kreditversicherers TCRe Deutschland. „Die traditionellen Versicherer versuchen, sich da immer mehr rauszuziehen.“ Wer für bestimmte Risiken bei seinem Versicherer keine oder keine ausreichende Deckung erhält, kann sich an einen Top Up-Versicherer wenden. Der füllt die Lücke, wenn der Hauskreditversicherer den Schutz herunterfährt. Auch die belgische TCRe bietet diese Zusatzpolicen an.

Im Bereich Solar- und Windenergie erlitt allein der Versicherer Coface in jüngster Zeit Schäden im zweistelligen Millionenbereich. „Wir sind an vielen Fällen beteiligt“, sagt Vorstandsmitglied Norbert Langenbach. Es gebe bei Kreditversicherern aber keine Ausschlussbranchen, betont er. „Das ist anders als etwa bei Ländern.“

Tatsächlich sei man aber in bestimmten Bereichen restriktiver geworden. „Auch über die Preise müssen wir reden“, sagt Langenbach. Überhaupt sei der Informationsaustausch mit den eigenen Kunden wichtiger geworden. „Wir müssen mehr miteinander sprechen. Das ist etwas, was wir aus der Krise gelernt haben“, sagt er. Ebenfalls eine Lehre daraus ist, dass die Versicherer die Kalkulation für Preise und Deckungsumfang auf die Prognose von Ausfallwahrscheinlichkeiten stützen wollen. Das ist eine Umkehr von der rückwärts gewandten Betrachtung, wie sie bislang üblich war, sagt Langenbach. Für junge Branchen wie die erneuerbare Energie gibt es ohnehin zu wenig Erfahrungswerte, um damit verlässlich zu kalkulieren. „Da müssen wir fehlende Statistiken durch Expertenwissen ausgleichen.“

In der Insolvenzstatistik sind einige Branchen seit Jahren ganz oben, allen voran Verkehr/Logistik und das Baugewerbe. Nach Berechnungen von Creditreform lag der Insolvenzindikator für die Gesamtwirtschaft im vierten Quartal 2011 bei 2,15 Prozent, das heißt gut zwei von 100 Firmen hatten massive Zahlungsverzüge oder waren insolvent. Im Verkehrsbereich waren es vier von 100 Firmen.

Wenn ein Kreditversicherer für bestimmte Unternehmen oder gar ganze Segmente die Deckung zurückzieht, besteht die Gefahr, dass sich die Abwärtsbewegung der Firmen weiter verstärkt: Viele Lieferanten werden ihre Waren dann nicht mehr an sie verkaufen oder Bedingungen wie Vorkasse stellen, die für Firmen mit Problemen kaum zu erfüllen sind. Dieser Verantwortung sind sich die Kreditversicherer bewusst, sagt Coface-Vorstand Langenbach. „Wir wollen Dominoeffekte verhindern. Das ist eine Aufgabe von Kreditversicherern.“ Es sei wichtig, in solchen Situationen frühzeitig mit dem Kunden zu reden und über die Notwendigkeit der Senkung von Deckungssummen oder zusätzlichen Sicherheiten zu sprechen. „Da gibt es viele Möglichkeiten.“

Ändern sich die Rahmenbedingungen, entdecken Wirtschaftszweige die Kreditversicherung für sich, die bislang davon kaum Gebrauch gemacht haben. Das gilt etwa für die klassischen Energieversorger. Für Branchenriese Eon war die Forderungsausfallversicherung bislang kein Thema, für die meisten Wettbewerber auch nicht. Doch die Versicherer beobachten ein Umdenken. „Die Nachfrage steigt spürbar“, berichtet Thomas Langen, Deutschlandchef von Atradius. „Es gibt in der Branche besondere Herausforderungen.“ Atradius hat gerade eine Spezialpolice für Versorger aufgelegt. „Unsere Erwartungen sind hoch.“ Durch Liberalisierung, Regulierung und Energiewende seien die Versorger unter Druck. Die Gewinne schrumpfen. Da wollen sie nicht auch noch auf offenen Strom- und Gas-Rechnungen sitzen bleiben.

Stadtwerke und andere Lieferanten gewinnen mehr Gewerbe- und Industriekunden außerhalb ihres traditionellen Gebiets. Über sie haben die Energielieferanten wenig Informationen. Deshalb erfahren sie möglicherweise zu spät von finanziellen Problemen, sagt der Atradius-Mann. Das bestätigt die Controllerin eines regionalen Stromversorgers: „Tatsächlich wird die Energierechnung oft noch mit dem letzten Cent bezahlt, weil Strom und Gas so existenziell wichtig sind. Der endgültige Zahlungsausfall kommt dann für uns überraschend.“

Eine herkömmliche Kreditversicherung wird den Ansprüchen der Energiebranche aber nicht gerecht, glaubt Atradius. Häufig gibt es mit den Kunden Lieferverträge über einen festen Zeitraum, etwa ein oder zwei Jahre. Aus solchen Verträgen kommen die Versorger nicht raus, auch wenn der Kunde Probleme hat – zumindest, so lange die Rechnungen bezahlt werden. Bei Verträgen mit festgeschriebener Dauer und Lieferfrist gilt der Versicherungsschutz von Atradius bis Vertragsende – auch wenn sich die Bonität zwischenzeitlich verschlechtert.

Katrin Berkenkopf

Quelle: Financial Times Deutschland


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