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Weniger Schutz für Manager

Posted By Friederike Krieger On 25. April 2012 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Wegen eines Gerichtsbeschlusses drohen Unternehmenslenker ihrenVersicherungsschutz bei Pflichtverletzungen zu verlieren

Friederike Krieger , Köln

Tausende Vorstände und Aufsichtsräte laufen Gefahr, ohne Versicherungsschutz dazustehen, wenn ihre Unternehmen, Insolvenzverwalter oder Anleger sie wegen Pflichtverletzungen auf Schadensersatz verklagen. Denn ihre Managerhaftpflichtdeckung oder Directors and Officers Liability (D&O) kann im Ernstfall wertlos sein. Grund ist ein Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 21. September 2011 (Az.: IV ZR 38/09) zur Transportversicherung.

Die Entscheidung gibt Versicherern das Recht, einen Vertrag wegen arglistiger Täuschung im Nachhinein anzufechten – auch wenn Klauseln in den Versicherungsbedingungen vereinbart wurden, die eine solche Anfechtung ausdrücklich ausschließen. „Die allgemeinen Ausführungen des BGH sind auf andere Versicherungsverträge übertragbar“, sagte der Düsseldorfer Rechtsanwalt Mark Wilhelm gestern der FTD. „Die Entscheidung hat unter anderem Auswirkungen auf die D&O-Versicherung.“

D&O-Policen schließen Unternehmen für ihr Führungspersonal ab. Damit wollen sie verhindern, dass Manager aus Angst vor Konsequenzen für ihr persönliches Vermögen zaudern, Entscheidungen zu treffen. Machen Firmen oder einzelne Vorstände bei Vertragsabschluss aber falsche Angaben oder verschweigen bereits bekannte Pflichtverletzungen und Rechtsstreitigkeiten, gilt das als arglistige Täuschung. Dem Versicherer steht dann das Recht zu, den gesamten Vertrag anzufechten. Da fast immer alle Führungskräfte über eine einzige Police versichert sind, könnten dann alle Manager ihren Versicherungsschutz verlieren – auch wenn nur einer falsche Angaben macht.

„Bisher galt, dass die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht den Schutz unbeteiligter Manager beseitigt“, sagte der Düsseldorfer Anwalt Herbert Palmberger. Die meisten versicherten Personen sind am Vertragsabschluss gar nicht beteiligt. Um sie zu schützen, wurden spezielle Klauseln in den Verträgen verankert. Versicherer verzichten auf ihr Anfechtungsrecht; nur die arglistig täuschenden Manager und die Kollegen, die davon wussten, haben keinen Versicherungsschutz. Diese Praxis kippt jetzt der BGH-Beschluss.

In der Managerhaftung sind die Folgen des Beschlusses verheerend. Will ein D&O-Versicherer einen Schaden nicht zahlen, kann er trotz Verzichtsklausel den Vertrag wirksam anfechten, sofern sich dem Unternehmen oder einer einzelnen versicherten Führungskraft eine arglistige Täuschung nachweisen lässt. Der gesamte D&O-Vertrag ist dann nichtig. Das heißt: Der Versicherer übernimmt nicht nur den aktuellen Schaden nicht, sondern kann die Rückzahlung bereits bezahlter Leistungen aus früheren D&O-Fällen verlangen. Das gilt auch für Führungskräfte, die mit der Täuschung nichts zu tun hatten.

Die Versicherer versuchen zu beruhigen. Marktführer Allianz sieht noch keinen Handlungsbedarf. Aus Sicht des Versicherers gilt der Beschluss zunächst nur für Transportpolicen. „Wir werden die alten Klauseln weiter verwenden, solange nicht höchstrichterlich entschieden ist, dass der BGH-Beschluss auch für die D&O-Versicherung gilt“, sagte Carsten Wiesenthal von der Allianz-Tochter Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS).

Auch Zurich gibt sich zurückhaltend. „Wir fühlen uns an das gebunden, was in unseren Bedingungen steht“, sagte Nicole Weyerstall, D&O-Expertin. Wo ein Anfechtungsverzicht vereinbart sei, halte sich die Gesellschaft auch daran. „Es kann sein, dass der eine oder andere Versicherer das anders sieht“, sagt sie.

Doch der Düsseldorfer Spezialmakler und Rechtsanwalt Michael Hendricks rechnet fest damit, dass zu Anfechtungen kommen wird. „Wenn ein Versicherer nicht anficht, kann das als Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht gegenüber seinen eigenen Aktionären ausgelegt werden“, sagt Hendricks. Die Gesellschaften müssten sich dann rechtfertigen, warum sie Geld für Schäden ausgeben, die sie laut Rechtsprechung gar nicht hätten zahlen müssen. „Sobald ein Versicherer einen Vertrag mit dieser Begründung anficht, wird eine riesige Welle losgehen“, sagt Hendricks.

Quelle: Financial Times Deutschland


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