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Allianz vor Zukauf in Frankreich

Posted By Herbert Fromme On 30. April 2012 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

DAX-Konzern verhandelt exklusiv über Erwerb des Maklerversicherers Gan //Münchner schalten auf Expansion um

Leo Klimm, Paris,

und Herbert Fromme, Köln

Nach monatelangem Feilschen steht die Allianz kurz vor einer kleinen, aber wichtigen Übernahme im Revier des Pariser Erzrivalen Axa: Der Konzern führt exklusive Verhandlungen zur Übernahme von Teilen des französischen Maklerversicherers Gan Eurocourtage von seinem angeschlagenen Wettbewerber Groupama, wie beide Unternehmen mitteilten.

Der Verkauf nimmt damit eine überraschende Wende. Erst am vergangenen Mittwoch war bekannt geworden, dass ein Konsortium aus dem Rückversicherer Swiss Re und Investoren 600 Mio. Euro bietet und damit deutlich mehr als die Allianz, die 200 Mio. Euro zahlen will. Allerdings bezog sich das Angebot aus München immer nur auf einen Teil der Firma.

Der mögliche Deal wäre die erste Übernahme durch die Allianz in dieser Größenordnung seit Langem. Monatelang hatte sich der Konzern sehr ruhig verhalten. Europas Schuldenkrise belastete den Versicherer, der allein in Italien rund 26 Mrd. Euro in Staatsanleihen investiert hat. Auch die Nachwehen des Verkaufs der Dresdner an die Commerzbank schmerzten, der schwache Kurs der Commerzbank-Aktie traf das Ergebnis der Münchner.

Doch jetzt herrscht neues Selbstbewusstsein in der Königinstraße. Die 2008 gestartete Rettungsaktion für den US-Versicherer Hartford konnte die Allianz mit einem hohen Gewinn abschließen, und auch sonst steht die Gruppe zurzeit besser da als die größten Rivalen AIG, Axa und Generali.

„Gan Eurocourtage ist eine leicht verkäufliche Perle“, sagte Philippe Picagne, Versicherungsexperte bei der Analysefirma Creditsights. Als mittelgroßer Spezialist für den Maklervertrieb entspricht Gan genau dem Profil, das Allianz-Chef Michael Diekmann zuletzt für mögliche Zukäufe definiert hatte. Die Gesellschaft gilt, anders als die Mutter, als vergleichsweise gut geführt. Die Risikostruktur des französischen Versicherers mit zuletzt 819 Mio. Euro Prämieneinnahmen und einem Vertriebsnetz von 2000 Maklerverbindungen ist solide: Die Risiken verteilen sich je zur Hälfte auf die Industrie sowie die Gewerbe- und Privatkunden . 2010 hatte Gan Eurocourtage netto 93 Mio. Euro verdient. Die Zahlen für 2011 werden heute veröffentlicht.

Die Allianz will Gan Eurocourtage nicht als Ganzes übernehmen, sondern nur Teile davon sowie Versicherungsbestände. Sie hatte dafür weniger als 200 Mio. Euro geboten. Branchenkreise bezweifeln, dass deutlich nachgebessert wurde. „200 Mio. Euro wären ein Schnäppchen“, heißt es in Pariser Branchenkreisen. Nicht kaufen will die Allianz die Gan-Transportversicherung mit Prämien von rund 320 Mio. Euro.

Frankreichs Makler sehen die Übernahme durch die Allianz skeptisch: Sie fürchten, dass sich nun ein Duopol aus Axa und Allianz etabliert, und hätten es lieber gesehen, wenn das Management von Gan Eurocourtage, das im Winter noch mithilfe von Investoren an einem Gebot gearbeitet haben soll, gewonnen hätte.

Der Gegenseitigkeitsverein Groupama, der von regionalen Landwirtschaftskassen getragen wird, ist durch zahlreiche und nach Ansicht von Branchenkennern oft überteuerte Auslandskäufe gewachsen. Ex-Chef Jean Azéma wollte Groupama zu einem der zehn größten Versicherer Europas machen. Europas Schuldenkrise brachte den Konzern aber in eine Schieflage: 2011 belief sich der Jahresverlust auf 1,8 Mrd. Euro.

Der Verkauf von Gan Eurocourtage dürfte nicht ausreichen, um die Krisenfolgen aufzufangen. Kürzlich hatte Groupama schon seine Beteiligung am Mischkonzern Bolloré abgestoßen. Zum Verkauf stehen auch Töchter in Großbritannien, der Türkei und Polen. Groupama-Chef Thierry Martel hat zudem ein Sparprogramm über 400 Mio. Euro aufgelegt.

Quelle: Financial Times Deutschland


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