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Keine Frage der Schuld

Posted By Herbert Fromme On 31. August 2012 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Kolumne

Herbert Fromme

Herbert Fromme

Versicherer und Rückversicherer sind dabei, ihre Geschäftsbeziehungen neu zu sortieren. Mehr und mehr verschwindet das alte Prinzip der Schicksalsteilung, bei der ein Rückversicherer jahrelang seinem Kunden folgte und Teile seiner Risiken übernahm. Als alle gut verdienten, jedenfalls im Durchschnitt der Jahre, war das praktisch, heute ist es das nicht mehr. Die Margen in der Assekuranz werden knapper, die Kapitalanlagen geraten durch die Schuldenkrise unter Druck – das kann einigen Gesellschaften noch gefährlich werden. Statt Schicksalsteilung heißt es da: Jeder ist sich selbst der Nächste.

Wie bei jeder Abkühlung in lange andauernden Partnerschaften besteht die Gefahr, dass hier Mythen entstehen über die Schuldfrage. Sind es die Rückversicherer, die sich selbst aus dem Markt preisen und arrogant ihre Marktmacht ausspielen? Oder die Erstversicherer, die den ihnen angebotenen erstklassigen Schutz nicht zu schätzen wissen und ohnehin immer weniger Rückdeckungen einkaufen?

Tatsächlich sind beide Seiten verantwortlich, und keine hat Schuld. Die Marktverhältnisse haben sich einfach verändert. Die meisten Versicherer sind heute bedeutend größer und kapitalstärker als vor 20 Jahren, sie brauchen schlicht weniger Absicherung in ihrem Routinegeschäft. Was sie weiter nachfragen werden, sind Schutzdeckungen für hohe Katastrophenschäden, die ihnen die Bilanz oder die ganze Firma ruinieren könnten.

Die Rückversicherer ihrerseits sind fast alle global tätig. Wer kann es ihnen verdenken, wenn sie Kapazitäten, die ihre deutschen Kunden nicht zu schätzen wissen, in Asien anbieten? Dort haben die Katastrophen des Jahres 2011 für deutlich höhere Raten gesorgt. Die Rückversicherer setzen darauf, dass die neuen Eigenkapitalregeln Solvency II, zusammen mit den weiter schwelenden Folgen der Finanzkrise, ihnen auch hierzulande zu höheren Preisen verhelfen werden.

Die Entflechtung wird also weitergehen, wenn auch nicht ohne Brüche und Probleme. Nicht jeder Rückversicherer ist bereit für die neue Zeit, Konkurrenten aus aller Welt haben es künftig auch in Deutschland leichter. Viele Erstversicherer müssen das aktive Einkaufen des Schutzes statt der routinemäßigen Verlängerung bestehender Verträge noch lernen. Gewinner werden die Makler sein.

Herbert Fromme ist Versicherungskorrespondent der FTD.

Quelle: Financial Times Deutschland


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