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Prozessfinanzierer werden flexibler

Posted By Friederike Krieger On 20. Dezember 2012 In Allgemein,Archiv | No Comments | Drucken

Normalerweise übernehmen Prozessfinanzierer nur Fälle mit sehr hohen Streitwerten. Doch dieser Grundsatz weicht auf. Vor allem bei Auseinandersetzungen rund um Kapitalanlageprodukte machen die Unternehmen immer häufiger Ausnahmen.

Besonders weit vorgeprescht ist die zum Rechtschutzversicherer Roland gehörende Roland Prozessfinanz. Kunden, die bei dem Unternehmen eine Rechtsschutzpolice gekauft haben, finanziert das Unternehmen seit Neustem schon ab einem Streitwert von 5.000 Euro Prozesse. Bisher lag diese Grenze bei 50.000 Euro und für Nicht-Kunden bei 100.000 Euro.

Sind die Erfolgsaussichten einer Klage hoch und ist der Gegner zahlungskräftig, übernehmen Prozessfinanzierer wie Roland, Foris oder Legial die Kosten für den Gang vor Gericht. Wird der Prozess gewonnen oder endet er in einem Vergleich, muss der Kläger einen Teil der erstrittenen Summe an das Unternehmen abgeben, in der Regel 20 bis 30 Prozent. Verliert der Kunde den Streit, geht der Prozessfinanzierer leer aus.

„Prozessfinanzierung lohnt sich bei großen Streitfällen, in denen die Kosten die eigene Liquidität übersteigen“, sagt Arndt Eversberg, Vorstandsmitglied bei Roland Prozessfinanz. Die Kosten, die ein Prozess mit sich bringt, sind oft hoch. Bei einem Streitwert von 500.000 Euro fallen schon bei der ersten Instanz 26.800 Euro an Anwalts- und Gerichtskosten an, geht der Streit bis in die dritte Instanz sind es schon 100.500 Euro. Hinzu kommen oft noch Kosten für die Vorladung von Zeugen und Sachverständigen.

Prozessfinanzierer sind normalerweise auf Fälle mit besonders hohen Streitwerten aus. Zwar steigen auch die Kosten mit der Höhe des Streitwerts, allerdings unterproportional. „Für einen Prozess, in dem es um 1 Mio. Euro geht, muss man nicht zehn Mal mehr Geld in die Hand nehmen als bei einem Streit um 100.000 Euro“, sagt Eversberg.

Die Senkung des Streitwerts auf 5.000 Euro sei in erster Linie dazu gedacht, den Service für Rechtsschutzversicherte zu verbessern. „Das Angebot ist für Roland-Kunden, die zwar eine Police haben, aber im aktuellen Fall keine Deckung bekommen, weil das Rechtsgebiet nicht im Versicherungsumfang enthalten ist“, sagt er. Das ist zum Beispiel bei Erbrechts- und Scheidungsstreitigkeiten der Fall.

Bei Nicht-Kunden gilt zwar nach wie vor die 100.000 Euro-Grenze, aber auch hier macht der Anbieter Ausnahmen. So hat Roland Geschädigten des britischen Lebensversicherers Clerical Medical im August dieses Jahres angeboten, auch bei kleineren Streitwerten die Prozesskosten zu übernehmen. Der Versicherer hatte massenhaft Verträge mit überzogenen Renditeversprechen verkauft. „Hier gibt es eine gefestigte Rechtssprechung“, erklärt Eversberg. Der Bundesgerichtshof hatte entschieden, dass Kunden mit bestimmten Anlageprodukten Ansprüche an Clerical Medical haben. Die Fälle waren oft gleich gestrickt und wurden von einigen wenige spezialisierten Anwälten vertreten, was dem Prozessfinanzierer eine standardisierte Prüfung erlaubte. „So etwas würden wir durchaus noch mal in ähnlich gelagerten Fällen aus dem Bereich des Kapitalanlagerechts machen“, sagt Eversberg.

Ähnlich verfährt auch der Prozessfinanzierer Foris. Nachdem das Unternehmen die Streitwertgrenze zwischenzeitlich auf 50.000 Euro gesenkt hatte, nimmt es momentan eigentlich nur Fälle ab 200.000 Euro aufwärts an. „In den vergangenen zwei Jahren hatten wir aber auch viele Fälle aus dem Kapitalanlagerecht, die deutlich unter 200.000 Euro lagen“, sagt Edgar Stieglitz, Jurist bei Foris. Ein Beispiel seien Prozesse gegen Banken, die Provisionen für die Vermittlung von Kapitalanlageprodukten, sogenannte Kickback-Zahlungen, nicht offengelegt haben.

„Wenn Prozessfinanzierung möglich ist, sollten Verbraucher das durchaus in Betracht ziehen“, sagt Markus Feck, Jurist bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

Vor allem neuere Rechtsschutzversicherungen übernehmen die Kosten bei Streitigkeiten um Kapitalanlagen oft nicht. Als Ersatz für eine Police tauge die Prozessfinanzierung trotzdem nicht, sagt Stieglitz von Foris. Denn der Kunde kann sich nicht darauf verlassen, dass der Prozessfinanzierer seinen Fall übernimmt. Von den rund 400 Anfragen, die Foris im Jahr erhält, nimmt das Unternehmen nur zehn Prozent an. „Das ist kein Massengeschäft“, sagt er. „Wir picken uns gezielt die Fälle heraus, die uns attraktiv erscheinen.“

Bei allgemeinen Rechtstreitigkeiten seien Kunden beim Versicherer besser aufgehoben. Zudem kommt die Versicherung auch dann für die Prozesskosten auf, wenn der Kunde verklagt wird. Prozessfinanzierer übernehmen dagegen nur Klagen.

Großes Potential sehen die Prozessfinanzierer im gewerblichen Bereich, etwa wenn sich zwei Unternehmen über einen Kaufvertrag streiten oder es um Auseinandersetzungen im Bereich Urheber- und Patentrecht geht. Die wenigsten Unternehmen haben eine Firmenrechtsschutzpolice. Die Verträge sind im Gegensatz zu den Verträgen für Privatleute relativ teuer und die Versicherungssummen knapp bemessen. „Im gewerblichen Bereich hat die Rechtsschutzversicherung große Lücken“, sagt Stieglitz. Prozessfinanzierung sei nicht nur etwas für liquiditätsschwache Unternehmen. „Auch finanziell gut gestellte Firmen profitieren davon, dass der Prozess kein Kapital bindet und die Bilanz frei gehalten wird“, sagt er.

Quelle: Capital.de

 

 


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