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Von Störsendern und gehackten Autos

Posted By Jonas Tauber On 30. Januar 2013 In Allgemein,Archiv | No Comments | Drucken

Versierte Autodiebe identifizieren Schwachstellen in der Bordelektronik moderner Autos und kommen so ins Fahrzeuginnere, ohne ein Schloss zu knacken oder ein Fenster einzuschlagen. Weil solch ein Einbruch keine offensichtlichen Spuren hinterlässt, haben Betroffene es schwer, an das Geld ihrer Kaskoversicherung zu kommen.

Rund 42.000 Autos werden jedes Jahr gestohlen, knapp die Hälfte davon taucht nicht wieder auf. Früher kamen Langfinger nur mit roher Gewalt ins Wageninnere, inzwischen haben viele die Brechstange gegen Laptop und Störsender ausgetauscht.

Findige Diebe nützen Schwachstellen in der Fahrzeugelektronik und kommen so ins ausgespähte Fahrzeug, ohne Einbruchsspuren zu hinterlassen. Ein beliebter Trick: Mit einem Störsender wird das Abschließen per Funksteuerung blockiert, so dass die Wagentür unverschlossen bleibt. Ist der nichtsahnende Fahrer außer Sichtweite, schlagen die Kriminellen zu. „Diese Methode kommt ziemlich häufig vor“, berichtet Helmut Schmaler vom Technikzentrum des Autoclubs ADAC. Genaue Zahlen kann er nicht nennen.

Der Aufwand für den Autodieb ist dabei denkbar gering. „Ein Walkie Talkie aus der Spielzeugabteilung reicht vollkommen aus, weil das Signal bereits stärker ist als das eines Funkschlüssels“, sagt Schmaler. In dem Moment, in dem der Autofahrer die Zentralverriegelung per Funk aktiviert, muss der in der Nähe stehende Kriminelle nichts weiter tun, als auf die Sendetaste des Funkgeräts zu drücken. Das Funksignal des Schlüssels wird dadurch blockiert, die Tür bleibt unverschlossen.

Die Hoffnung auf Entschädigung durch den Kaskoversicherer kann dabei schnell enttäuscht werden. Voraussetzung für die Regulierung ist, dass die Entwendung oder der Entwendungsversuch nachgewiesen wird, erklärt ein Sprecher des Marktführers Huk-Coburg. Das könnte bei der beschriebenen Methode zum Problem werden, glaubt ein Experte des ADAC: „Hinterlässt eine Methode – auch beim Wiederfinden eines gestohlenen Fahrzeugs – keine Spuren, dürfte der Versicherungsnehmer ein Beweisproblem haben“, sagt Jost Henning Kärger, stellvertretender Leiter Versicherungsrecht bei dem Autoclub.

Wird der Diebstahl nachgewiesen, können Gesellschaften vereinbarte Leistungen wegen grober Fahrlässigkeit teilweise oder vollständig kürzen, wenn der Fahrer sich nicht davon überzeugt hat, dass sein Fahrzeug tatsächlich verschlossen war. Wer sich wasserdicht schützen will, muss eben auf den Komfort des Verschließens aus der Ferne verzichten und per Hand verriegeln oder zumindest nachkontrollieren.

Für die nicht allzu ferne Zukunft rechnen Experten damit, dass Kriminelle mit Hackermethoden auf Diebestour gehen. Sie könnten dann Schadsoftware einsetzen, um die Kontrolle über die Bordelektronik übernehmen.

Technisch ist das Hacken bereits möglich. Das haben Computerwissenschafter der amerikanischen Universitäten San Diego und Washington 2011 demonstriert. Sie drangen per Laptop-Modem aus der Ferne in die Telematik-Einheit eines handelsüblichen modernen Mittelklassewagens ein und brachten sie dazu, Schadsoftware aus dem Internet herunterzuladen. Anschließend konnten sie die Bremsen aktivieren, Gespräche im Auto abhören und die Türen entriegeln.

Zwar ist in Deutschland bisher noch kein Fall bekannt, bei dem ein Auto auf diese Weise gestohlen wurde. „Die Allianz hatte in der Autoversicherung bisher noch keinen auf einen Hacker-Angriff zurückzuführenden Schadenfall zu regulieren“, sagt eine Konzernsprecherin. Das könnte sich aber ändern, wenn die Vernetzung der Autos über Neuerungen wie Ecall zunimmt, das ab 2015 für Neuwagen verpflichtend vorgeschrieben automatische Notrufsystem, sagt Technik-Experte Schmaler vom ADAC. „Dann wird sich zeigen, ob es die Autohersteller wirklich schaffen, ihre Systeme gegen Angriffe abzuschotten“, sagt er.

Die Hersteller selbst fühlen sich offenbar gut vorbereitet. „Die deutsche Automobilindustrie achtet bei der Digitalisierung der Fahrzeugtechnik stets darauf, dass diese nicht nur unter allen denkbaren Umweltbedingungen reibungslos funktioniert, sondern auch vor Missbrauch und Manipulation geschützt ist“, sagt Ulrich Eichhorn, Geschäftsführer des Verbands der Automobilindustrie.

Quelle: Capital.de


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