Vor dem Karrieresprung ins Ausland

Rückversicherer entsenden Mitarbeiter in alle Welt

Sechs Jahre bewilligte Andreas Bronk als Entwicklungshelfer brasilianischen Kleinbauern Kredite für den Kauf von Ziegen und organisierte die Vermarktung ihrer Baumwolle über Greenpeace. Davor analysierte er im peruanischen Andenhochland die sozio-ökonomischen Aspekte des Gemüsebaus für das Umweltprogramm der UN. Heute ist Bronk 45 Jahre alt und arbeitet seit neun Jahren beim viertgrößten Rückversicherer der Welt, der Hannover Rück. Er ist für die Geschäfte in Südamerika, Australien, Neuseeland und Osteuropa zuständig.

Rückversicherer decken Versicherer, die Verbrauchern, Firmen und dem Staat Policen verkaufen. Bei ihnen bündeln sich Risiken aus der ganzen Welt. Als Bronk nach seiner Zeit in Brasilien die Stellenanzeige der Hannover Rück sah, hatte er keine Ahnung, was ein Rückversicherer ist. „Die Hannover Rück suchte jemand mit Auslandserfahrung, portugiesischen und spanischen Sprachkenntnissen und Erfahrungen in der Landwirtschaft“, berichtet er. Bronk wollte einen Job, in dem er auf seinen bisherigen Lebensweg aufbauen konnte – und den bekam er.

Die Hannover Rück schulte den Agrarfachmann intensiv. Bevor er in den Bereich Agricultural Risks wechselte, setzte das Unternehmen ihn im Bereich allgemeine Rückversicherung ein. Heute gehört das Reisen um die halbe Welt zu seinen Aufgaben. Er muss zum Beispiel einschätzen, ob die Rückversicherung der Kiwi-Ernte gegen Frost in Kombination mit der Hagelrückversicherung von Getreide in derselben Region eine ungünstige Risikoanballung ist.

„Für Spezialisten und Führungskräfte ist das Ausland besonders attraktiv“, sagt Thomas Seidel, bei der Münchener Rück verantwortlich für internationale Personalangelegenheiten. Die Münchener Rück ist nach der Swiss Re der zweitgrößte Rückversicherer der Welt. Von Deutschland aus sind zurzeit etwa 130 Experten im Ausland. Sie arbeiten an 30 Standorten, etwa in Mumbai, Princeton, Sydney oder Sao Paulo. Die Entsandten sind vor allem Versicherungsmathematiker, Betriebswirtschaftler, Ingenieure oder Juristen. Häufig sucht der Rückversicherer hoch spezialisierte Kräfte. Für den Ausbau des ReTakaful-Geschäfts – das sind Versicherungen, die mit der Scharia kompatibel sind – hat die Münchener Rück einen Islamwissenschaftler mit betriebswirtschaftlichem Hintergrund nach Malaysia entsandt. Die Agrarversicherung in den USA beobachtet ein Agrarwissenschaftler. Auch für Ergo, die Erstversicherungsgruppe der Münchener Rück, können Mitarbeiter mittlerweile ins Ausland gehen. Die Gruppe hat die ersten Stellen für Österreich und Indien ausgeschrieben.

In der Regel sind die Mitarbeiter für die Münchener Rück vier Jahre im Ausland. „Wir haben langfristige Kundenbeziehungen“, sagt Seidel. Ein rascher Wechsel ist deshalb nicht sinnvoll. „Dass Mitarbeiter durch die Welt nomadieren, ist die absolute Ausnahme“, sagt er. Denn je mehr Auslandseinsätze die Experten hinter sich bringen, desto schwieriger wird ihre Reintegration.

Die ist aber für die Münchener Rück wichtig. Sie investiert viel Geld in den Auslandsaufenthalt. Der Rückversicherer unterstützt die Experten und ihre Familien bei den Reisevorbereitungen inklusive Sprachkurs, Wohungs- und Schulsuche für die Kinder. Er will langfristig von den Erfahrungen profitieren, die die Experten in der Ferne machen. „Für das Unternehmen lohnt sich die Investition nur, wenn der Mitarbeiter bleibt“, sagt Seidel. Dass Rückkehrer das Unternehmen verlassen, kommt selten vor. Denn häufig kommt nach dem Auslandsaufenthalt der Sprung auf die nächste Karrierestufe.

Zitat:

„Dass Mitarbeiter durch die Welt nomadieren, ist die absolute Ausnahme“ – Thomas Seidel, Münchener Rück –

Anja Krüger

Quelle: Financial Times Deutschland

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