Schneller auf die schwarze Liste

Versicherer starten neues Auskunftsystem zur Erfassung auffälliger Kunden //Selbstauskunft ist auf Anfrage möglich

Die Versicherer haben die Kriterien erweitert, nach denen sie Kunden auf ihre schwarze Liste für potenzielle Versicherungsbetrüger setzen können. Sie erfassen jetzt auch Kunden, die in der Sachversicherung drei Schäden in 24 Monaten melden. „Das ist eine erhebliche Ausweitung“, sagte Lars Gatschke, vom Bundesverband der Verbraucherzentralen.

Am 1. April 2011 nimmt die Assekuranz ihr neues Hinweis- und Informationssystem (HIS) in Betrieb, das Versicherungsbetrüger enttarnen soll. Früher erhielten die Versicherer zu diesem Zweck eine CD-ROM mit den Daten verdächtiger Kunden. Datenschützer hatten dieses Vorgehen harsch kritisiert.

Künftig gibt es eine Auskunftei, an die sich die Sachbearbeiter der Versicherer online wenden können. Die Auskunftei wird von der Firma Informa Insurance Risk and Fraud Prevention betrieben, die eigens zu diesem Zweck gegründet wurde. Mitarbeiter der Versicherer melden Verdächtige oder stellen gezielt Anfragen an die Auskunftei. Dabei können sie jeweils nur auf eine Sparte zugreifen. „Kundenprofile können nicht erstellt werden“, sagte Thomas Lämmrich, Projektleiter HIS beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Die Datei enthält keine Gesundheitsangaben über die Kunden.

Eine Anfrage kostet die Versicherer zwischen 4und 15 Cent, je nach Anzahl der Fragen. Kleinere Versicherer zahlen eine jährliche Pauschale in Höhe von 1800 Euro. Die Daten sind für Unternehmen anderer Branchen nicht zugänglich, auch nicht für die privaten Krankenversicherer. Sie beteiligen sich nicht an dem System.

Für die Assekuranz ist Versicherungsbetrug ein erhebliches Problem. Nach Angaben des GDV entsteht der Branche jährlich durch fehlerhafte, unwahre, unvollständige oder in betrügerischer Absicht gemachte Angaben ein Schaden von 4 Mrd. Euro. Dem stehen Beitragseinnahmen von beispielsweise rund 180 Mrd. Euro im Jahr 2010 gegenüber. Schätzungen des GDV zufolge steckt hinter jeder zehnten Schadenmeldung ein Betrug. Die am häufigsten von vorgetäuschten Schäden betroffenen Sparten sind Autohaftpflicht und Hausrat.

Die Kunden der Versicherer werden künftig informiert, wenn sie registriert werden. Sie können die über sie gespeicherten Daten auch anfordern und erhalten die gleichen Informationen wie ein anfragender Versicherer. Verbraucherschützer Gatschke begrüßt das: „Damit gehen die Versicherer weiter als die Schufa.“ Die Anfrage müssen Kunden an den Betreiber der Auskunftei richten. Sie kann nur in schriftlicher Form und per Post eingereicht werden. Der Betreiber will in Kürze eine Homepage freischalten, auf der Formulare dafür abgerufen werden können. Anfragen per E-Mail sind nicht möglich.

In die Datei gerät automatisch jeder, der eine Lebensversicherung mit einer Versicherungssumme von 100 000 Euro und mehr oder eine Berufsunfähigkeitspolice mit einer Rente von mehr als 9000 Euro im Jahr hat. Anfragende Sachbearbeiter können prüfen, ob Verbraucher bereits Lebenspolicen mit hohen Versicherungssummen haben, die sie beim Antrag verschweigen. Erfasst werden auch Kunden von Rechtsschutzversicherern, die den Anbieter in zwölf Monaten viermal in Anspruch nehmen, ebenso wie jedes Auto, dass als Totalschaden gemeldet oder dessen Schaden über ein Gutachten abgerechnet wurde. „Wir wollen so verhindern, dass Schäden doppelt abgerechnet werden“, sagte Lämmrich.

Zur Registrierung kommt es auch, wenn Sachbearbeiter nach der Schadenmeldung eines Kunden einen speziellen Punktekriterienkatalog anlegen und dabei auf 60 Zähler kommen. Wird ein Schaden kurz nach Vertragsabschluss gemeldet, gibt es 20 Punkte. Die übrigen Kriterien sind geheim. Verbraucherschützer Gatschke ist der Auffassung, dass diese Prüfung alleiniges Kriterium für die Aufnahme in die Datei sein sollte. „Das Punktesystem reicht völlig aus, um Missbrauch zu verhindern“, sagte er. Und deshalb sei es unnötig, Kunden wegen häufiger Schadenmeldungen zu erfassen.

Die Daten werden über fünf Jahre gespeichert. Ist ein Kunde der Auffassung, dass er zu Unrecht auf der schwarzen Liste steht, kann er sich bei der Betreiberfirma beschweren. Sie löscht den Eintrag zunächst und fragt sofort beim Versicherer nach. Bleibt der bei der Einschätzung, bleibt der Eintrag. Der Kunde muss sich dann direkt mit dem Versicherer auseinandersetzen.

Anja Krüger

Quelle: Financial Times Deutschland

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