Die Pflege hilfsbedürftiger Eltern rund um die Uhr kann richtig Geld kosten.Spezialpolicen helfen, das Familienvermögen zu schonen
Kinder haften für ihre Eltern – jedenfalls wenn Mutter oder Vater pflegebedürftig werden. Müssen Senioren rund um die Uhr versorgt werden, geht das richtig ins Geld. Söhne und Töchter müssen einspringen, wenn Eltern selbst nicht genug haben. Oder Vater und Mutter zehren ihr Vermögen auf, das womöglich schon verplante Erbe ist dann schnell weg. Dieses Risiko können Pflegezusatzversicherungen zumindest mindern.
Die gesetzliche Pflegeversicherung zahlt in der Regel höchstens 1510 Euro. Die Kosten für eine Vollzeitpflege sind aber mindestens doppelt so hoch. Wer seine Eltern nicht im Doppelzimmer, sondern in gehobener Umgebung unterbringen will, kommt schnell auf 4000 Euro und mehr im Monat. Die Ausgaben können in wenigen Jahren den Gegenwert einer Familienimmobilie aufzehren. Denn in vielen Fällen werden die Einkünfte von Vater oder Mutter nicht reichen. „Familien unterschätzen das finanzielle Risiko, das mit Pflegebedürftigkeit verbunden ist“, sagt Clemens Keller, Leiter Krankenversicherung beim Finanzvertrieb MLP.
Der auf Senioren spezialisierte Berliner Versicherer Ideal bietet Pflegerentenversicherungen an, die Kunden bis zum Alter von 75 abschließen können. „Eine typische Summe, die bei uns abgeschlossen wird, ist eine EuroMonatsrente von 750 Euro“, sagt ein Sprecher. Dafür muss ein 60-Jähriger knapp 40 Euro im Monat aufbringen, ein 75-Jähriger 81 Euro. Frauen zahlen aufgrund ihrer höheren Lebenserwartung mehr, mit 60 Jahren knapp 58 Euro, mit 75 Jahren 128 Euro. Sollen die Eltern für die Pflege in einem gehobenen Ambiente versichert werden, wird es richtig teuer: Für 1500 Euro Monatsrente zahlt der 60-Jährige 78 Euro, der 75-Jährige 161 Euro, Frauen 114 Euro beziehungsweise 254 Euro. Das Geld gibt es bei Erreichen von Pflegestufe II oder III in der gesetzlichen Pflegeversicherung.
Die Pflegerente wird vom Anbieter wie eine Lebensversicherung kalkuliert. Der Vorteil: Die Beiträge bleiben konstant. Das ist bei Pflegetagegeld- und Pflegekostenpolicen anders. Sie funktionieren wie private Krankenversicherungen. Steigen die Kosten, erhöhen die Anbieter die Prämien. Wer mit einer Pflegetagegeldpolice Kosten von 1500 Euro im Monat decken will, kann dies nach Angaben von MLP beispielsweise bei einem Eintrittsalter von 70 Jahren als Mann mit 143 Euro, als Frau mit 197 Euro pro Monat. „Für den Abschluss von Pflegetagegeld-Policen gibt es im Markt Anbieter, die kein Höchstalter vorsehen“, sagt MLP-Experte Keller.
Bei Pflegekostenpolicen übernimmt der Versicherer einen festgelegten Prozentsatz der Kosten – die der Kunde allerdings nachweisen muss. Anders als bei Pflegerenten oder Pflegetagegeld kann er also mit dem Geld nicht machen, was er will. „Nur noch wenige Versicherer bieten Pflegekostenversicherungen offensiv an“, sagt Keller. MLP empfiehlt den Abschluss dieser Policen nicht mehr, sondern rät zu Pflegerenten oder Pflegetagegeld. Bei der Pflegerente zahlt der Kunde Beiträge bis zu einem festgelegten Zeitpunkt, beim Pflegetagegeld bis zum Eintritt des Versicherungsfalls oder sogar darüber hinaus. „Ob eine Pflegerenten- oder Pflegetagegeldversicherung sinnvoll ist, hängt von der individuellen Lage des Kunden ab, zum Beispiel ob er die finanzielle Belastung strecken will“, sagt Keller.
Das sieht Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten ganz anders. Er lehnt Pflegerenten kategorisch ab. „Die Verträge sind zu teuer“, sagt er. Rudnik ist privaten Pflegeversicherungen gegenüber grundsätzlich skeptisch. Denn die Versorgungslücke ist oft kleiner, als die Verkäufer der Policen glauben machen wollen. „Wer sein Vermögen schützen will, für den kann eine Police aber sinnvoll sein“, sagt er. Wenn Kunden sich schon für den Abschluss entscheiden, sollten sie für einen vernünftigen Schutz sorgen, betont er. „Es sollte jedem klar sein, dass man den für 9,99 Euro nicht bekommt.“ Familien sollten das Thema früh behandeln, rät er. „Manchmal entscheiden sich Kunden zu spät zum Abschluss.“ Die Anbieter verfolgen eine strenge Annahmepolitik. Hat der Kunde schwere Erkrankungen, bekommt er oft keinen Vertrag oder muss enorme Zuschläge zahlen.
Das Gespräch über das Tabuthema können sich Kinder nicht ersparen. Denn eines funktioniert nicht: die Police über den Kopf der Eltern hinweg abzuschließen.
Anja Krüger
Quelle: Financial Times Deutschland
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