Nach einem Feuer ist für Firmen nicht der Sachschaden das Schlimmste, sondernder Verlust von Geschäftspartnern. Gute Präventionskonzepte können derentscheidende Vorsprung gegenüber dem Wettbewerber sein
VON Anja Krüger
Für jeden ist etwas im Programm. Den Kitchenaid Nudeltrockner Tacapasta, 47 Zentimeter hoch, gibt es für 29,78Euro, das Kreativset Samt-Glimmer 41-teilig für 24,75Euro und das Spezial-Navigationssystem für 179 Euro. In Sendungen wie „Karins Bastelideen mit Herz“, „Das gemütliche Schlafzimmer“ oder „Hausputz“ begeistert das Teleshoppingunternehmen QVC Zuschauer für seine Produkte. 24 Stunden live präsentieren Moderatoren die Artikel, rund um die Uhr können Interessierte sie über zwei Callcenter oder im Internet bestellen. Die Kunden sind prompten Service gewohnt. Zwischen Bestellung und Auslieferung liegen drei Tage.
Im Logistikzentrum im rheinischen Hückelhoven lagert das Unternehmen auf einer Fläche von 100 000 Quadratmetern die Waren, die Moderatorinnen, Köche oder Frisurexperten im Fernsehen präsentieren. „Wir bieten nur Waren an, die wir auch wirklich im Lager haben“, sagt Wolfgang Appelhans, Director Logistics Operations bei QVC Deutschland. Im Schnitt werden hier täglich 40 000 Pakete verschickt, in Spitzenzeiten sogar über 85 000. Würde ein Feuer wüten oder die Decke unter Schneedruck zusammenbrechen, wäre nicht nur der Sachschaden enorm. Schlimmer wäre der Stillstand der knapp 14 Kilometer langen Förderbänder für den Pakettransport. „Wir haben Stammkunden, die dreimal in der Woche etwas bestellen und eine schnelle Lieferung erwarten“, sagt Appelhans. Der hohe Servicestandard gilt als wichtiger Faktor für den Erfolg.
Der Verlust von Marktanteilen ist für Firmen nach einem Unglück eine existenzielle Gefahr. „Die Unternehmen fürchten weniger den Sachschaden als die Betriebsunterbrechung“, sagt Achim Hillgraf, Deutschlandchef des Versicherers FM Global. Den materiellen Schaden ersetzt der Versicherer. Für abgewanderte Kunden und verlorene Marktanteile gibt es keine Entschädigung. Das ist auch den Unternehmen klar, weiß Hillgraf. Versicherer honorieren gutes Risikomanagement mit einem Prämienrabatt. „Aber das ist nur die Sahne auf dem Kuchen“, sagt er. Zurzeit sind die Beiträge für die Feuerversicherung für Unternehmen ohnehin niedrig, mit Rabatten allein können die Anbieter Betriebe kaum zur Schadenvorsorge bewegen. FM Global gehört zu den Top Ten der Feuerversicherer in Deutschland, zur Konkurrenz zählen unter anderem Allianz, Axa, HDI-Gerling, Ergo oder Zurich.
Der Shoppingkanal QVC hat ein umfangreiches Sicherheitsprogramm. Brennende Kerzen sind auch in der Adventszeit tabu, stattdessen können die Mitarbeiter die flammenlosen Kerzen leuchten lassen, die der Sender auch vertreibt. Entzündbare Reinigungsmittel werden nicht an einem einzigen Ort gelagert, sondern über die Lagerhalle verteilt. So kann es im Ernstfall nicht zu einer explosiven Kettenreaktion kommen. Sollte ein Feuer ausbrechen, hat es kaum eine Chance, einem der genau platzierten 100 000 Sprinkler zu entkommen. „Ein Brand in einer Lagerhalle muss anders gelöscht werden als an einem Büroarbeitsplatz“, erklärt Logistik-Direktor Appelhans. Schließlich sollen die Löscharbeiten nicht mehr Schaden anrichten als das Feuer. Werden die Wassersprüher nicht mit den Flammen fertig, sorgen Brandschutzmauern unter anderem zwischen den 35 Meter hohen Regalgruppen des Lagers dafür, dass das Feuer nicht übergreift. Auch die Belegschaft ist für den Fall des Falles gerüstet. Von den mehr als 1100 Mitarbeitern sind 120 als Brandschutzhelfer ausgebildet, 20 weitere Beschäftigte stellen die Freiwillige Werksfeuerwehr – die von montags bis freitags bei Bedarf auch in der Gemeinde Hückelhoven löscht. Auf dem Gelände des Zentrums bunkert das Unternehmen 1,5 Millionen Liter Wasser, falls es im Brandfall zu Engpässen kommen sollte. Regelmäßig prüfen Experten, ob die Vorrichtungen noch funktionieren und bessern nach. „Das Ganze lebt“, sagt Appelhans. Schon beim Bau hat QVC das aufwendige Sicherheitsprogramm integriert. „Entscheidend ist, so etwas von Anfang an mitzuplanen, denn Nachrüsten ist teurer“, sagt er.
Der Versicherer FM Global hat das Konzept von QVC mit seinem HPR Award ausgezeichnet – und eigentlich sich selbst damit gelobt. HPR steht für Highly Protected Risk, also sehr gut geschütztes Risiko. Die Experten von FM Global haben den Bau des Logistikzentrums von Beginn an begleitet und dem Unternehmen mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Versicherer fürchten vor allem große Feuerschäden, denn sie können schnell ins Geld gehen. Deshalb unterstützen sie ihre Kunden bei der Entwicklung individueller Präventionskonzepte. Von den 180 Mitarbeitern von FM Global sind fast die Hälfte als Risikoberater bei Firmen vor Ort im Einsatz.
Die Krise wirkt sich auf die Bereitschaft von Unternehmen zu Investitionen in die Schadenprävention nicht einheitlich aus, sagt Deutschland-Chef Hillgraf. Manche Firmen nutzen den Abschwung, um notwendige Schritte zu ergreifen. „Die Kosten für einige Maßnahmen sind niedriger“, sagt er. Denn die Preise der Spezialisten sind im Keller. Stellt ein Betrieb wegen sinkender Nachfrage den Drei-Schicht-Betrieb auf zwei Schichten um, hat er mehr Spielraum für bauliche Maßnahmen. Andererseits haben viele Firmen gerade in der Rezession weniger Mittel.
Denn billig ist gute Vorsorge nicht. Allein die erste Basis-Risiko-Bewertung der Gefahrenlage durch einen neutralen Spezialisten kann ein mittleres Unternehmen mit 100 Mio.Euro Umsatz 10 000Euro oder mehr kosten. Aber dann haben Manager eine solide Entscheidungsgrundlage für eventuelle Investitionen. Trotzdem sparen Unternehmen an dieser Stelle. „Krisenjahre sind für die Versicherer schadenträchtiger als andere Zeiten“, weiß Hans-Joerg Paatz, Leiter des Risikomanagements beim Makler Aon, Jauch & Hübener.
Auch er beobachtet widersprüchliche Tendenzen. Einerseits müssen viele Betriebe Kosten senken. Andererseits haben bei vielen Managern zwei Ereignisse die Alarmglocken schrillen lassen: die Schweinegrippe und das Flugverbot wegen der Vulkanasche im Frühjahr. Für solche Fälle streben immer mehr Firmen nach einen Plan B. Sie wollen auf gravierenden Personalausfall und eigene Transportprobleme oder die von Zulieferern vorbereitet sein und wissen, wo sie am Tag X schnell Leihpersonal, alternative Zulieferer oder Spediteure rekrutieren können.
Einen Plan B zu haben lohnt sich. Mit einer systematischen Schadenvorsorge punkten Unternehmen nicht nur gegenüber dem Versicherer, sagt Paatz‘ Kollege Matthias Böhm, Sachversicherungsexperte bei Aon. Böhm ist davon überzeugt, dass für die Preisbildung der Versicherer künftig weniger die Branche als die individuelle Risikolage eines Unternehmens entscheidend ist. „Risikomanagement lässt sich gegenüber allen Geschäftspartnern gut verkaufen“, sagt er. Denn Liefersicherheit garantieren und das mit einem Konzept untermauern zu können, kann der entscheidende Vorsprung gegenüber Wettbewerbern sein. „Auch gegenüber Banken ist ein nachweisbares Risikomanagement ein großer Vorteil“, sagt Böhm.
Quelle: Financial Times Deutschland
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