Die Preise sind niedrig, die Bedingungen gut. Unternehmen könnten eigentlichmit den Risikohändlern zufrieden sein. Sind sie aber nicht. Denn der Service istschlecht, und bei Schäden zicken die Anbieter
Verbraucherschützer monieren immer wieder, dass die Versicherer im Streben nach höheren Renditen Zug um Zug erfahrene Versicherungskaufleute durch angelernte Callcenter-Agents ersetzen und die Bedienung der Kunden stetig schlechter wird. Ein schwacher Trost für Privatleute: Den Versicherungseinkäufern von Unternehmen geht es neuerdings nicht besser, auch die großen Versicherungsmakler für Industrie und Gewerbe leiden unter fehlender Dienstleistungsbereitschaft der Anbieter. Dabei geht es hier schon beim Abschluss oft um viele Millionen.
Aus diesem Grund gilt die Industrieversicherung als kleine, aber feine Disziplin. Mit Prämieneinnahmen von schätzungsweise 20 Mrd. Euro ist sie angesichts des Gesamtumsatzes der Assekuranz von knapp 170 Mrd. Euro ökonomisch gesehen nicht das wichtigste Feld. Aber die Bedeutung für Wirtschaft und auch Bürger ist groß. Versicherer müssen nicht nur den Wiederaufbau von Produktionsanlagen nach einem Feuer finanzieren. Sie übernehmen auch über Jahrzehnte laufende Haftpflichtrisiken, damit die Entschädigung für Konsumenten oder Arbeiter gesichert ist, wenn sich erst spät herausstellt, dass ein Medikament schlimme Nebenwirkungen hat oder ein Werkstoff Gifte enthält.
Seit Jahren gehen die Prämien in der Industrieversicherung zurück, der Kostendruck in den Gesellschaften steigt. Der Wettbewerb ist nach wie vor hart. Neue Anbieter wie die japanische Mitsui Sumitomo wollen wachsen, kleinere erhöhen die Kapazitäten. Die großen Häuser wie Axa oder Allianz haben das ganz große Industriegeschäft in separate Einheiten gepackt. Sie widmen den Großkonzernen besondere Aufmerksamkeit und bauen ihnen individuelle Deckungskonzepte. „Mittlere Unternehmen bekommen nur Lösungen von der Stange“, kritisiert Michael Verhasselt, Geschäftsführer beim Makler Südvers. Die Großen werden gehätschelt und getätschelt, die mittleren und kleinen Firmen fühlen sich schlecht behandelt.
Und das ist nicht das einzige Problem. Durch viele interne Umbauten, mit denen die Gesellschaften effizienter werden wollten, sind die Abläufe für die Kunden immer undurchsichtiger geworden. „Geben Versicherer Standorte auf und öffnen Kompetenzcenter, wird es schwer, den richtigen Ansprechpartner zu finden“, sagt Verhasselt. Auch die Konkurrenz ärgert sich über den schlechten Service. „Die Erreichbarkeit ist schlecht“, berichtet Carsten Büttner, Geschäftsführender Gesellschafter des Maklerhauses Gossler, Gobert & Wolters.
Oft hängen Vermittler oder Kunden eine gefühlte Ewigkeit am Telefon in der Warteschleife. Hat ein Sachbearbeiter mehr Vorgänge zu erledigen, als er in einer bestimmten Zeit schafft, gehen die Fälle oft automatisch an einen anderen, möglicherweise am entgegengesetzten Ende der Republik. Und der Neue muss sich den kompletten Vorgang von vorne anschauen. „Die Prozesse werden zäher und langwieriger“, sagt Büttner.
Das gilt vor allem bei einem Schaden, also genau dann, wenn Unternehmen schnelle und unbürokratische Hilfe erwarten. Hier wirkt sich die Sparwut der Anbieter für Kunden und Makler besonders schlimm aus. Intern können die Versicherer kaum noch Kosten senken, das haben sie bereits durchexerziert. Deshalb versuchen sie, bei der Schadenregulierung weniger Geld auszugeben. „Die Versicherer legen die Bedingungen viel strenger aus“, sagt Makler Verhasselt. „Es gibt kaum noch Kulanz.“ Die Versicherer verweigern die Regulierung nicht unbedingt ganz. Aber sie versuchen, die Entschädigung herunterzuhandeln.
Dass sie das überhaupt können, ist eine Folge der veränderten Gesetzeslage. Mit der Reform des Versicherungsrechts ist das Alles-oder-nichts-Prinzip gefallen. Früher musste der Versicherer einen Schaden ganz oder gar nicht regulieren. Jetzt ist eine Teilregulierung möglich. Trägt ein Unternehmen für einen Schaden eine maßgebliche Verantwortung, etwa weil Mitarbeiter grob fahrlässig ein Feuer verursacht haben, kann die Gesellschaft einen Teil der Entschädigung verweigern. Wie viel das ist, hängt von der Schwere des Verschuldens ab – und da gibt es oft eine sehr unterschiedliche Wahrnehmung. „Die Versicherer kämpfen mit harten Bandagen“,weiß Makler Büttner.
Nach seiner Erfahrung ist vor allem die Abwicklung bei Großschäden viel langwieriger geworden. „Man hält sich gerne mit Formalien auf“, sagt er. Berichte werden hin und her geschickt, Gutachten angezweifelt und neu angefordert. „Das bindet immense Kapazitäten auf der Maklerseite.“
Dabei fühlen sich die Kunden nicht nur schlecht behandelt, sondern auch nicht gut mit Versicherungslösungen versorgt. Aus Sicht vieler Versicherungseinkäufer sind die Anbieter nicht innovativ genug. Für Unternehmen ist es schwierig, sich gegen eine Betriebsunterbrechung ohne vorhergehenden Sachschaden zu versichern. Dass so etwas durchaus nötig ist, hat das Flugverbot nach Ausbruch des Vulkans auf Island im April gezeigt. Zwar haben Allianz und Zurich erste Policen vorgelegt, aber sie werden vom Markt nicht angenommen, berichten Makler. Sie sind zu teuer.
Und auf dem wichtigen Feld der Managerhaftpflichtversicherung hat die Assekuranz bis in die Vorstandsetagen der Unternehmen für Unmut und Verunsicherung gesorgt. Manager müssen neuerdings eine Eigenbeteiligung leisten, wenn ihr Berufshaftpflichtversicherer für sie zahlt. Den können sie versichern. Über die Frage, ob sie einen separaten Vertrag dafür brauchen oder die D&O-Police des Unternehmens indirekt mit in Anspruch nehmen können, ist ein heftiger Streit ausgebrochen. Die Versicherer attackieren sich in dieser Frage heftig. „Der Markt hat sich in den vergangenen zwölf Monaten nur um diese Frage gedreht und wichtige Probleme vernachlässigt“, kritisiert Jurand Honisch, Chef-Risikomanager des Medienkonzerns Bertelsmann. Er fordert, die Diskussion darüber zu beenden. Letztendlich entscheiden die Gerichte, was geht und was nicht, ist er überzeugt.
Anja Krüger
Quelle: Financial Times Deutschland
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