Überraschend sind die Herrschaftsverhältnisse in der arabischen Welt insWanken geraten. Das zeigt, wie schnell politische Unruhen wirtschaftlichenErfolg gefährden können. Viele Exporteure wissen nicht, dass sie sich gegensolche Gefahren bei privaten Anbietern versichern können
Als sich im Dezember in Tunesien ein junger Mann anzündet und an den Verletzungen stirbt, rechnet niemand damit, dass dieses Ereignis zum Fanal für die arabische Welt wird. Auch deutsche Exporteure und ihre Kreditversicherer sind überrascht. Sie beobachten die Entwicklung seitdem genau. Seit März geben die Versicherer keine Deckung mehr für Lieferungen ins von Bürgerkrieg geplagte Libyen.
Deutsche Unternehmen gehören für die Region Nordafrika und die arabischen Staaten zu den wichtigsten Handelspartnern. Für Libyen ist die Bundesrepublik nach der ehemaligen Kolonialmacht Italien das wichtigste Lieferland, Saudi-Arabien bezieht nur aus den USA mehr Importe. Aufruhr und Umstürze gefährden nicht nur die Bezahlung von Waren, sondern auch Großprojekte über dreistellige Millionenbeträge. Produzenten können und wollen sich davor schützen, dass sie aufgrund politischer Probleme in der Region Geld verlieren. Doch offenbar sind die bestehenden Möglichkeiten noch längst nicht allen bekannt. „Vielen Exporteuren ist nicht klar, dass es auch private Anbieter gibt, die solche Risiken decken“, sagt Silja-Leena Stawikowski, verantwortlich für den Bereich politische und Sonderrisiken beim Versicherungsgroßmakler Aon Credit International.
Bekannt dagegen sind die staatlichen Hermes-Bürgschaften, mit denen der Bund Lieferungen unter sehr eingeschränkten Bedingungen versichert. Er ist zum Beispiel dazu bereit, wenn Projekte extrem teuer sind oder private Anbieter wegen der riskanten politischen Lage keine Deckung gewähren. Abgewickelt werden diese Bürgschaften vom Kreditversicherer Euler Hermes – daher auch ihr Name – und dem Wirtschaftsprüfer PricewaterhouseCoopers. Wer mit einer Anfrage dort scheitert, versuche es oft gar nicht oder erst im zweiten Schritt bei den privaten Anbietern, den Kreditversicherern, sagt Stawikowski.
Sie geben Herstellern nicht nur Deckung für das Risiko, dass ihr Abnehmer zwischen Liefererhalt und Fälligkeit der Rechnung pleitegeht. Darüber hinaus versichern sie den Fall, dass Exporteure aufgrund politischen Störfeuers nicht an ihr Geld kommen. Das sind Enteignungen, Embargos, aus politischen Gründen gekündigte oder nicht verlängerte Lizenzen sowie das Risiko, Geld nicht konvertieren und transferieren zu können. Selbst durch Terrorismus, Sabotage, Krieg oder Bürgerkrieg verursachte Forderungsausfälle können abgedeckt werden. Ausgeschlossen sind nukleare Risiken und Kriege zwischen den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats.
Im Nahen Osten ist die Lieferung gegen Vorkasse verbreitet, das erspart die Kreditversicherung. Außerdem werden Exporte über Akkreditive abgewickelt. Dabei gibt die Bank des Importeurs dem Hersteller ein bindendes Zahlungsversprechen. Bei Warenlieferungen reicht das zur Absicherung. Kreditversicherungen sind eine Alternative zum Zahlungsversprechen. Bei Großprojekten wie Ölförderplattformen oder ganzen Maschinenstraßen ist das anders. Sie werden zusätzlich mit einer Police abgesichert.
Früher wurden solche Geschäfte vor allem über den englischen Markt abgewickelt, sagt Stawikowski. „Jetzt gibt es den Trend, so etwas über Versicherer in Deutschland zu decken.“ Große Anbieter wie die Allianz-Tochter Euler Hermes, Atradius, Coface, Zurich und einige Nischenanbieter übernehmen solche Risiken. „Für Exporteure ist es ein Vorteil, wenn sie die Policen nach deutschem Recht schließen können“, sagt sie. Nach britischem Recht muss der Kunde im Schadenfall nachweisen, dass er seinen Obliegenheitsverpflichtungen nachgekommen ist. Das deutsche Recht sieht vor, dass der Versicherer eine Pflichtverletzung nachweisen muss.
Ob und in welchem Ausmaß die Lage in Nordafrika dazu führt, dass Exporteure auf offenen Rechnungen sitzen bleiben, ist noch nicht absehbar. Wie sich die Lage entwickelt auch nicht. „Natürlich sind die Versicherer nervöser geworden“, sagt Stawikowski. Aber im Vergleich zur fast panikartigen Reaktion auf die Wirtschaftskrise sind die Anbieter gelassener. In der Krise haben sie viele Risiken abgelehnt, für Exporte in manche Länder wie die Ukraine gab es so gut wie keine Deckung.
Die Versicherer sind im Gespräch mit Lieferanten und sammeln Erfahrungswerte. Exporte nach Libyen sind seit Anfang März zwar nicht mehr versicherbar. Für vorher gelieferte Waren besteht der Schutz aber fort. Dabei muss es nicht unbedingt zu Schäden kommen. „Einige unserer Kunden haben noch in der vergangenen Woche Zahlungen von Geschäftspartnern in Libyen erhalten“, berichtet Peter Ingenlath, Vorstand beim Kreditversicherer Atradius.
Die Länder Nordafrikas stehen zurzeit unter besonderer Beobachtung. „Wir schauen jeden Einzelfall sehr genau an“, sagt Ingenlath. „Skeptisch zu sein ist unsere Grundeinstellung.“ Auch die Entwicklung in Saudi-Arabien verfolgen die Experten aufmerksam. Noch stufen sie das Land in die gleiche Risikokategorie ein wie die Bundesrepublik. Das könnte sich ändern, denn die Lage in Saudi-Arabien kann schnell umschlagen. Dort regiert ein kranker König, dessen Nachfolge ungeklärt ist, und es gibt religiöse Spannungen in der Bevölkerung.
Atradius hat verhältnismäßig wenig Geschäft in Nordafrika. Das ist anders beim belgischen Kreditversicherer Delcredere, einem Newcomer auf dem deutschen Markt. Die Gesellschaft hat sich auf die Deckung von Exporten in Schwellen- und Entwicklungsländer spezialisiert und glaubt an den nordafrikanischen Markt. „Wir gehen davon aus, dass diese Länder mit Ausnahme Libyens versicherbar bleiben“, sagt Christoph Witte, Direktor der deutschen Niederlassung. Denn neben dem politischen ist der volkswirtschaftliche Rahmen entscheidend. „An der wirtschaftlichen Struktur in Tunesien und in Ägypten hat sich trotz des Regierungswechsels nichts geändert“, sagt er.
Zwar werden gerade diese Länder einen erheblichen Rückgang der Touristenzahlen in diesem Jahr spüren. Aber die Volkswirtschaften der Region haben einen wichtigen wirtschaftlichen Puffer. „Diese Länder verfügen über erhebliche Reserven an Devisen“, sagt Witte. Sie erhalten aufgrund des nachlassenden Reisegeschäfts weniger Fremdwährung, doch die Zentralbanken können das ausgleichen. Trotzdem wird der Schutz für Exporte nach Afrika teurer. Da die Preise für Deckungen andernorts sinken, werden Unternehmen das kompensieren können, erwartet Witte.
Anja Krüger
Quelle: Financial Times Deutschland
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