Der beste Schadendienst nützt dem Autohalter nichts, wenn der Kfz-Versicherernicht leistet
Als dem Autofahrer das Reh vors Auto lief, ersetzte der Kaskoversicherer den Schaden. Doch als Jahre später eine Kuh von der Koppel ausgerissen war und mit dem Fahrzeug kollidierte, bekam der Mann von seinem Kfz-Versicherer nichts. „Das versteht kein Mensch“, sagt Stefan Heinisch vom Kölner Beratungshaus Service Value, das die Kundenfreundlichkeit von Kfz-Versicherern in diversen Studien genau untersucht hat.
Unfälle wie der mit der Kuh sind für einen Versicherer der Service-GAU: Der Kunde hat einen Schaden und der Versicherer kann dafür nicht aufkommen, weil der Vorfall einfach nicht versichert war. Der Kunde ist tief enttäuscht, aber den Mitarbeitern der Gesellschaft sind die Hände gebunden. Guter Service beginne damit, dem Kunden vor dem Abschluss genau zu erklären, was sein Deckungsschutz umfasst und was nicht, ist Heinisch überzeugt. Mit einer erweiterten Wildschadendeckung sind auch Kuhschäden, bei manchen Anbietern sogar Unfälle mit Haustieren versichert. Doch das bekommen Kunden oft nicht gesagt.
Solche Zusatzleistungen kosten Geld. Doch lange zählte in der Autoversicherung nur eins: der Preis. Das Potenzial für die Assekuranz ist gewaltig. Pro 1000 Einwohner gibt es nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamts in Deutschland 622 Kraftfahrzeuge. Das sind einschließlich Anhänger 57 Millionen Fahrzeuge, darunter 42,3 Millionen Pkw. Über Jahre lieferten sich die Kfz-Versicherer einen heftigen Preiskrieg. Zur Attacke geblasen hatte im Jahr 2004 die Allianz mit dem Ziel, ihre Marktführerschaft auszubauen. Daraus ist nichts geworden, zumindest die letzte Schlacht hat die HUK-Coburg gewonnen. Die Allianz hatte Ende 2010 noch 8,16 Millionen Fahrzeuge in den Büchern, 300 000 weniger als im Vorjahr. Erzrivale HUK-Coburg kam auf 8,41 Millionen, 90 000 mehr als 2009. Der Markt scheint sich zu drehen, 2010 haben die Autoversicherer erstmals seit Jahren mehr Beiträge kassiert. Spätestens jetzt wird Service zum wichtigen Wettbewerbsfaktor.
Eigentlich sind gerade die Kfz-Versicherer auf guten Kundendienst getrimmt. In den Vorstandsetagen fast aller Gesellschaften feilen die Manager an Konzepten, um die Schadenbearbeitung zu beschleunigen. Viele bieten mittlerweile einen Rundum-Sorglos-Service an. Wenn es gut läuft, sieht die optimale Regulierung so aus: Nach einem Unfall ruft der Kunde an, und der Versicherer schickt jemanden mit einem Leihwagen, der das kaputte Auto mitnimmt und es dem Kunden nach der Reparatur an den gewünschten Ort bringt. „Wir wollen für unsere Kunden ein Kümmerer sein“, sagt HUK-Coburg Sprecher Stefan Eichhorn. Die HUK sieht sich ebenso im Schadenmanagement als führend an. Wie andere auch bietet der Versicherer Tarife mit Werkstattbindung. Dabei verpflichtet sich der Kunde, im Schadenfall eine Partnerwerkstatt des Versicherers zu nutzen. Die HUK hat ein Netz von 1200 Partnerwerkstätten, das sie gemeinsam mit den ansonsten konkurrierenden Autoversicherern AMB Generali, Concordia, Debeka, Gothaer und VHV betreibt. Von den HUK-Kunden haben sich 2,1 Millionen für einen Vertrag mit Werkstattbindung entschieden. In der Vollkaskoversicherung erhalten sie einen Nachlass von 20 Prozent der Prämie. Welchen finanziellen Vorteil die HUK von diesem System hat, will der Sprecher nicht sagen.
Vielleicht ist es diese Geheimniskrämerei, die Kunden trotz aller Vorteile gegenüber solchen Angeboten skeptisch sein lässt. Denn die Werkstatt-Services haben nicht den allerbesten Ruf, sagt Unternehmensberater Heinisch. Verbraucher misstrauen Versicherern und fürchten, dass die bei der Reparatur auf ihre Kosten sparen wollen. Für Kunden mit Neu- und Leasingwagen hat der Service einen grundsätzlichen Haken. Ihre Garantie ist oft an die Nutzung der Vertragsswerkstatt gebunden.
Nach der Überzeugung von Heinisch könnten Versicherer vor allem dann punkten, wenn sie ihre Tarifwerke vereinfachen würden. „Die Bedingungen müssen verschlankt werden“, fordert er. Für den Kunden sind Tarife kaum vergleichbar, was versichert ist und was nicht, weiß er nicht. Dafür gäbe es eine einfache Lösung, findet Heinisch: Statt umfangreich und umständlich aufzuführen, was alles versichert ist, könnten die Unternehmen auch alles decken und nur die Ausschlüsse auflisten. Dann würde dem Kunden sofort ins Auge fallen, dass der Kfz-Versicherer für die ausgerissene Kuh nicht zahlt.
„Es gibt keine Markttransparenz“, kritisiert auch Thorsten Rudnick vom Bund der Versicherten. Seine Lösung: Die Versicherer sollten sich als Branche auf Standardbedingungen verständigen und Abweichungen davon dem Kunden klar vor Augen halten.
Anja Krüger
Quelle: Financial Times Deutschland
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