Hinter so manchem Tipp in Internet-Ratgeberforen stecken Unternehmen -zuvorderst Versicherer
Der Mann will im Juli mit seiner schwangeren Freundin in Urlaub fahren und wissen, wie lange im Voraus er eine Reiserücktrittsversicherung abschließen muss. „Macht es jetzt überhaupt noch Sinn, sich auf die Suche nach einer Versicherung zu begeben?“, fragt er die Nutzergemeinde des Internetratgebers Gutefrage.net. Umgehend bekommt er Antwort von „Ellwood“, der freundlicherweise gleich drei Links zum Onlinevermittler Secure-Travel mit Angeboten für Policen anfügt. Ob Ellwood von Secure-Travel ist, das kann oder will die Firma nicht sagen. Rat geben in Internetforen gehöre jedenfalls nicht zur Geschäftsstrategie, sagt Marketingmann Heino Hildebrandt. „Das ist viel zu zeitaufwendig.“
Mag sein. Aber viele Firmen hält das nicht davon ab, dort auf Kundensuche zu geben. „Unternehmen haben schon mehrfach versucht, verdeckt bei uns Einfluss auszuüben“, sagt Elisabeth Keihl von Gutefrage.net. Das Portal ist nach eigenen Angaben Deutschlands größte Ratgebercommunity. Hier stellen Verbraucher Fragen, die andere Privatleute beantworten – beide Seiten kostet das nichts.
Dass Nutzer ihre Antworten mit Links zu günstigen Angeboten ergänzen, ist durchaus erwünscht. Unerwünscht sind aber Hinweise mit kommerziellen Inhalten. Das Portal lebt von Werbung. „Die Versicherungswirtschaft ist für uns eine sehr wichtige Branche“, sagt Keihl. Täglich stellen Nutzer rund 9000 Fragen, viele zu Versicherungen. Deshalb sind die Portale für die Assekuranz sehr attraktiv. Empfindet ein Nutzer die Beiträge eines anderen als werblich, kann er sie dem Portalbetreiber melden. Der sperrt den Angeschwärzten möglicherweise. Das ist vor Kurzem „Sascha“ passiert, dem „Botschafter“ des Direktversicherers Asstel. Ein kleines Logo des Versicherers auf seinem Profilbild sollte ihn erkennbar machen. Nach den Spielregeln des Portals dürfen Unternehmen aber nur an dem Frage-Antwort-Spiel teilnehmen, wenn sie ausschließlich Firmennamen und -logo verwenden. Werden Beschäftigte eines Unternehmens auf der Plattform ohne diese Kennung aktiv, greifen die Moderatoren ein. Immer wieder tummeln sich übereifrige Mitarbeiter oder Vertreter von Firmen in dem Portal und weisen auf Produkte des eigenen Unternehmens hin – oft ohne dessen Wissen.
Das war bei Sascha nicht der Fall. Asstel bestreitet, dass er Werbung gemacht hat. „Wir wollen mit offenem Visier im Internet präsent sein“, sagt Geschäftsführer Carlo Bewersdorf. „Es nutzt der Branche, wenn Verbraucher aufgeklärt sind, weil sie dann auch mehr Versicherungen kaufen“, glaubt er. Sascha ist auch beim Portal Werweisswas.de mit von der Partie. Dort erkennt der Nutzer wenn überhaupt erst auf den zweiten Blick, mit wem er es zu tun hat. In den anklickbaren Biografien ist hinterlegt, dass Botschafter Sascha ein Asstel-Mann ist. Bei Werweisswas.de dürfen sich Mitarbeiter von Firmen als Experten registrieren und als Person auftreten. Werben ist nicht erlaubt.
Auch wenn die meisten Versicherer in den Portalen als Antwortgeber selbst nicht aktiv sind, scannen viele sehr genau, was dort über sie geredet wird – etwa wenn ein aufgebrachter Kunde sich aufregt, weil ein Schaden nicht reguliert wird. „In so einem Fall suchen wir das Gespräch mit dem Kunden“, sagt ein Sprecher der Allianz. So kann der Versicherer ein Aufregerthema entschärfen, bevor es sich verselbstständigt.
Anja Krüger
Quelle: Financial Times Deutschland
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