Zum 1. Januar sinkt der Garantiezins für Lebens- und Rentenpolicen. Doch dasist kein Grund, vorschnell eine neue Versicherung abzuschließen
Der Schlussverkauf ist eröffnet. Den Auftakt macht der Hannoveraner Finanzvertrieb AWD mit der Verbreitung einer von ihm bestellten Umfrage. Danach weiß nur jeder Zehnte, dass der Garantiezins in der Lebensversicherung gesenkt wird. Warum das aber jeder wissen sollte, geht aus der angefügten Musterrechnung hervor: Danach hat ein Kunde satte 39 Prozent weniger garantierten Ertrag, wenn er erst 2012 eine klassische Rentenversicherung abschließt.
In den kommenden Monaten werden viele solcher Botschaften folgen. Aggressiv wollen die Verkaufstruppen der Assekuranz mit dem Argument auf Kundenfang gehen, dass der Garantiezins für klassische Lebens- und Rentenpolicen zum 1. Januar 2012 von 2,25 Prozent auf 1,75 Prozent sinkt. Anleger sollten sich davon nicht blenden und zu einem Abschluss drängen lassen. „Ein Schnellschuss kann schnell ein Schuss in den Ofen sein“, sagt der Berliner Versicherungsmathematiker Axel Kleinlein.
Bei einer klassischen Lebens- oder Rentenpolice sagt der Anbieter dem Kunden zu Vertragsbeginn eine Mindestverzinsung zu, die für die gesamte Vertragslaufzeit gilt. Das ist die Garantieverzinsung, die zum 1. Januar gesenkt wird. Darüber hinaus bekommt der Kunde eine Gewinnbeteiligung, die jährlich festgelegt wird. Beides zusammen ist die Überschussbeteiligung. Der Versicherer verzinst nur den Sparanteil – das, was von der Prämie nach Abzug der Kosten übrig bleibt. Festgelegt wird der garantierte Zins vom Bundesfinanzministerium. Anders, als viele Verbraucher glauben, ist der Garantiezins nicht das, was der Versicherer mindestens gutschreiben muss. Er bezeichnet den Zinssatz, den der Anbieter dem Kunden maximal garantieren darf. Schon heute können Versicherer Garantien unter dem Wert von 2,25 Prozent anbieten. „Einige Versicherer ziehen von dem angesammelten Kapital einen bestimmten Prozentsatz für Kosten ab, das senkt den Garantiezins faktisch“, sagt Kleinlein. Ob das der Fall ist, erkennen Kunden im Kleingedruckten.
Zurzeit liegt die laufende Gesamtverzinsung mit im Branchenschnitt 4,1 Prozent über der Garantieverzinsung. Solange das so ist, spielt die Höhe der Garantie keine Rolle, weil der Kunde mehr bekommt. Aber: Versicherer, die wie die Mannheimer Leben oder die Victoria Leben in Turbulenzen geraten sind, schrieben Kunden zeitweise durchaus nur die garantierten Zinsen gut. „Der Garantiezins gibt Kunden eine höhere Planungssicherheit“, sagt Stephan Hebel, Versicherungsexperte des Beratungsunternehmens Mercer. Nach Modellrechnungen seines Hauses würde die garantierte Monatsrente bei gleichen Vertragsbedingungen ab 2012 für einen 25-Jährigen, der mit 65 in Rente geht und 1000 Euro Jahresprämie zahlt, von 225 Euro auf 187 Euro sinken, also um 17 Prozent. Die garantierte Kapitalabfindung würde von 59 720 Euro auf 53 151 Euro fallen, also um elf Prozent.
Die Differenz kommt zustande, weil bei Lebensversicherungen mit der einmaligen Auszahlung alles erledigt ist. Bei Rentenversicherungen spielen Garantiezins und Überschussbeteiligung auch noch eine Rolle, wenn der Kunde nicht mehr zahlt, sondern die Rente bekommt. Für die Auszahlungsphase sehen die Versicherer verschiedene Modelle vor. Manche zahlen die garantierte Rente plus Überschussbeteiligung, die Zahlung kann also nur steigen. Andere berechnen die Überschussbeteiligung von Anfang an ein, dann kann die Rente auch fallen. Das ist Kunden aber oft nicht klar, wenn von „erhöhter Startrente“ oder „Überschussrente“ die Rede ist. „Wichtig ist, dass sich der Kunde klarmacht, was wirklich garantiert ist“, sagt Hebel.
Nur wegen der Senkung des Garantiezinses eine Police abzuschließen, halten weder Hebel noch Kleinlein für sinnvoll. Grundsätzlich sollten sich Anleger vor einem Abschluss von unabhängigen Experten beraten lassen, empfiehlt Kleinlein: „Wenn es nur darum geht, Geld anzusparen, ist die Frage, ob eine Versicherung überhaupt das Richtige ist.“
Anja Krüger
Quelle: Financial Times Deutschland
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