Nach dem Hilfspaket für Griechenland bleibt Ansteckungsgefahr // Zweifel anUmfang weiterer Notkredite des IWF
Reinhard Hönighaus, Wolfgang Proissl, Frankfurt, und Friederike Krieger, Köln
Die Beschlüsse des Euro-Krisengipfels haben an den Finanzmärkten nur kurzzeitig für Entspannung gesorgt. Aus den Analysehäusern der Banken wurden am Wochenende Zweifel laut, ob das neue Hilfspaket Griechenland langfristig aus der Schuldenfalle befreien und auch die Ansteckungsgefahren für andere Euro-Krisenstaaten eindämmen kann. Griechische, irische und portugiesische Staatsanleihen gaben am Freitag ebenso wie Bankaktien einen Teil ihrer Kursgewinne wieder ab. Marktteilnehmer vermissten Details, wie genau die Beteiligung von Banken und Versicherern organisiert werden soll.
Nach achtstündigem Ringen hatten die Staats- und Regierungschefs der 17 Euro-Staaten in der Nacht zu Freitag ein neues Hilfspaket beschlossen. Bis 2014 erhält Griechenland von den Euro-Staaten und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) weitere 109 Mrd. Euro. Erstmals werden auch private Gläubiger an der Rettungsaktion beteiligt, indem sie ihre Anleihen in neue, länger laufende Papiere tauschen. Für Banken und Versicherer sind die Risiken gering, weil die neu ausgegebenen Anleihen über den Euro-Rettungsfonds EFSF abgesichert werden. Sie müssen nur einen Abschlag von 21 Prozent hinnehmen. „Zwischen Banken, die null wollten, und Politikern, die deutlich mehr wollten, hat man eben eine Verhandlungsmitte von 21 Prozent gefunden“, sagte Oliver Flade, Fondsmanager bei Allianz Global Investors. Ökonomisch gerechtfertigter wären nach seiner Ansicht 40 bis 50 Prozent gewesen, was je nach Laufzeit dem derzeitigen Marktwert griechischer Anleihen entspricht.
„Nach unserer Einschätzung sollte bei einer Beteiligung der privaten Gläubiger dem Rückkauf von Anleihen unter Nennwert gegenüber dem Umtausch in längere Laufzeiten Vorrang gegeben werden“, sagte Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise. „Damit wäre eine nachhaltige Verringerung des griechischen Schuldenstandes möglich.“
Offen ist noch, ab wann der Euro-Rettungsfonds EFSF seine neuen Kompetenzen nutzen und Anleihen am Markt aufkaufen kann. Die Finanzminister wollen im August offene Fragen klären. Der Anleihetausch der privaten Gläubiger wird voraussichtlich nicht vor Ende September oder Anfang Oktober stattfinden. Die Ratingagentur Fitch kündigte an, sie werde Griechenland nur für die Zeit des Anleihetauschs als Zahlungsausfall bewerten, die Bewertung danach aber wieder aufheben.
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier erklärte, die Koalition müsse eine eigene Mehrheit für die Euro-Rettung zustande bringen. „Wenn Frau Merkel bei den namentlichen Abstimmungen keine eigene Mehrheit zustande bekommt, ist Schwarz-Gelb am Ende“, sagte er dem „Tagesspiegel am Sonntag“. Dann müsse es Neuwahlen geben.
Kritik kam von Notenbanken. Bundesbankchef Jens Weidmann wertete die neuen Kompetenzen für den EFSF als Schritt auf dem Weg zu einer Transferunion. IWF-Chefin Christine Lagarde ließ offen, ob der IWF sich an dem zweiten Rettungspaket für Griechenland wie beim ersten Paket wieder mit einem Drittel beteiligen würde. Sie nährte damit den Eindruck unter europäischen Regierungen, der IWF werde versuchen, seine Rolle in Europas Krisenstaaten zu reduzieren. Insbesondere in Schwellenländern regt sich Kritik daran, dass die internationale Finanzorganisation so viele Mittel einsetzt, westliche Staaten vor dem Staatsbankrott zu retten.
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Quelle: Financial Times Deutschland
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