Über Dynamikklauseln lassen sich Berufsunfähigkeitspolicen regelmäßiganpassen. Doch viele Anbieter setzen hier Grenzen
Friederike Krieger
Versicherer legen Kunden, die ihre Policen gegen Berufsunfähigkeit (BU) aufstocken wollen, oft Steine in den Weg. Das ist vor allem für Gutverdiener ein Problem, die ihren Schutz an Gehaltszuwächse anpassen wollen.
Mit den BU-Policen können sich Arbeitnehmer und Selbstständige dagegen absichern, dass sie ihren Beruf wegen einer Krankheit oder eines Unfalls nicht mehr ausüben können. Bei der statischen Variante bleiben Beitrag und Leistung im Schadenfall über die gesamte Vertragslaufzeit gleich. Vereinbart der Kunde dagegen eine Beitragsdynamik, erhöhen sich in der Regel jährlich die Prämien und die Versicherungssumme, sofern der Kunde dem nicht widerspricht.
Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten hält Dynamikklauseln für sehr wichtig, denn viele schlössen BU-Policen bereits als Berufsanfänger ab. Es gilt: Je höher die Versicherungssumme, desto höher sind auch die Beiträge. „Junge Menschen können sich maximal eine Monatsrente von bis 1000 Euro leisten“, sagt Rudnik. „Das reicht für jemanden, der fest im Beruf steht, nicht aus.“ Zwar kann der Versicherte seinen Anbieter auch ohne Dynamikklausel um eine Anpassung der Versicherungssumme bitten. Doch dann wird eine erneute Gesundheitsprüfung fällig – die der Kunde eventuell nicht besteht. „Wenn er schon älter ist und ein Rückenleiden hat oder in Psychotherapie war, ist eine individuelle Erhöhung fast unmöglich“, weiß Rudnik. Bei der Steigerung über eine Dynamikklausel verzichten die Versicherer dagegen auf eine weitere Gesundheitsprüfung.
Rudnik empfiehlt, mindestens eine jährliche Beitragserhöhung von drei Prozent zu vereinbaren. „Die Dynamik muss zumindest die Inflation ausgleichen“, sagt er. Zudem sollte der Kunde jährlich prüfen, ob sich die Erhöhung noch lohnt. „Fünf Prozent Beitragserhöhung übersetzen sich nicht unbedingt in fünf Prozent mehr Leistung“, sagt Rudnik. Bei der dynamischen Anpassung kalkuliert der Versicherer den Vertrag jedes Jahr anhand des aktuellen Alters des Versicherten neu. Je älter der Kunde ist, desto höher ist sein Risiko, berufsunfähig zu werden. Deshalb bringen höhere Beiträge mit fortschreitendem Alter immer weniger Zugewinn bei der Versicherungssumme. „Ab dem 50. Lebensjahr wird die Dynamik sehr teuer“, sagt er.
Viele Anbieter setzen der Steigerung allerdings schon vorher Grenzen. Sie geben etwa einen Maximalbetrag für die monatliche Rente vor. Bei den Generali Versicherungen sind es für Neuabschlüsse in diesem Jahr 2000 Euro, ab Anfang 2012 steigt der Betrag auf 2500 Euro. „Das ist ein marktüblicher Wert“, sagt Michael Stutzbach, BU-Spezialist bei dem Versicherer. Die Gesellschaften müssten ihr Risiko begrenzen. „Wir müssen verhindern, dass Kunden, die bereits absehen können, dass sie bald berufsunfähig werden, noch schnell ihre Renten erhöhen“, sagt er.
Solche Deckelungen sind vor allem für Gutverdiener ein Problem, die eine hohe Berufsunfähigkeitsrente vereinbaren wollen, kritisiert Frank Baumann, Versicherungsjurist bei der Kanzlei Wolter Hoppenberg. „Denen ist an einer hohen Dynamik gelegen“, sagt er. „Wenn sie feststellen, dass die Erhöhungen schnell ein Ende haben, ist das ärgerlich.“
Auf besonders viel Unmut stößt das Dynamisierungsmodell des Versicherers Alte Leipziger. Wird ein Kunde berufsunfähig, prüft der Versicherer, ob die Rente inklusive aller Erhöhungen und weiterer Berufsunfähigkeitsleistungen anderer Anbieter in einem angemessenen Verhältnis zum durchschnittlichen Einkommen der letzten beiden Kalenderjahre steht. Übersteigen die Renten 70 Prozent des Bruttoverdienstes, streicht die Alte Leipziger dem Kunden einen Teil der Erhöhungen, bis das Verhältnis wieder passt. Die zu viel gezahlten Beiträge erhält der Kunde zurück.
„Nach eingetretenem Schadenfall Anpassungen wieder rückgängig zu machen, ist eine Sauerei“, schimpft der auf BU-Policen spezialisierte Makler Gerhard Pscherer. Läuft der Vertrag aus, ohne dass der Kunde berufsunfähig wird, finde die Angemessenheitsprüfung nicht statt und der Kunde erhalte auch keine eventuell zu viel gezahlten Beiträge zurück. „Die Alte Leipziger steckt sich Risikogewinne ein, ohne ein Risiko übernommen zu haben“, sagt Pscherer.
Der Versicherer hält sein Vorgehen für gerechtfertigt. Die Prüfung finde erst dann statt, wenn die Rente im Jahr 40 000 Euro übersteige. „Das sind auf den Monat umgerechnet 3333 Euro, sodass die Mehrzahl der Versicherten von der Regelung überhaupt nicht betroffen sind“, sagt ein Sprecher. Zudem seien die Versicherten selbst angehalten, das Verhältnis der Rente zum Einkommen im Blick zu behalten. „In unseren Dynamiknachträgen weisen wir unsere Kunden deutlich auf ihre Prüfungspflicht hin“, sagt der Sprecher.
Quelle: Financial Times Deutschland
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