Nach einem Gerichtsentscheid im Fall des Lebensversicherers Clerical Medical haben geschädigte Kunden gute Aussichten auf versprochene Ausschüttungen
Den rund 1000 gegen den britischen Lebensversicherer Clerical Medical vor deutschen Gerichten anhängigen Klagen werden Tausende weitere folgen – davon jedenfalls sind Anlegeranwälte überzeugt. Für sie ist das Potenzial groß, denn immerhin gibt es schätzungsweise mehr als 30 000 Kunden, die sich durch den Versicherer geschädigt fühlen. Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BHG) sind die Aussichten für diese Kunden sehr gut, ungeliebte Verträge rückabzuwickeln oder die ursprünglich vom Versicherer versprochene hohe Rendite auch tatsächlich zu bekommen. Davon gehen Fachanwälte aus.
„Mit dem Urteil haben geschädigte Anleger eine perfekte Ausgangslage“, sagt Anja Appelt, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht in München. Der BGH hat zwar keine Grundsatzentscheidung dazu getroffen. Aber er hat einige Pflöcke eingeschlagen, an denen die unteren Instanzen nicht einfach vorbeikönnen, sagt sie.
Clerical Medical hat um die Jahrtausendwende in Deutschland britische Lebensversicherungen gegen Einmalbeitrag verkauft. Viele Anleger haben dafür Kredite aufgenommen, die derselbe Vermittler anbot. Der Verkäufer hatte ihnen laufende Ausschüttungen versprochen, die über den Zinsen für die Darlehen liegen sollten. Doch die Erträge blieben deutlich unter den Erwartungen. Viele Kunden zogen vor Gericht. Sie fühlten sich durch die unrealistischen Renditezusagen getäuscht und forderten die Rückabwicklung der Verträge oder die Erfüllung der Versprechen.
Jetzt hat der BGH erstmals über fünf Verfahren entschieden. „Das Urteil ist für Clerical Medical ein Super-GAU“, sagt der Heidelberger Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Hans Witt. „Der BGH hat Geschädigten sowohl einen Anspruch auf Schadensersatz als auch einen Anspruch auf Erfüllung der versprochenen Ausschüttungen zuerkannt“ , erklärt er. Dass geschädigte Anleger Anspruch auf beides haben, ist wegen der Verjährungsfristen wichtig. Nicht verjährt sind die sogenannten Erfüllungsansprüche der Kunden, die das Gericht anerkannt hat. „Der Versicherer muss halten, was er versprochen hat“, sagt Anwältin Appelt. Ob Clerical Medical die ursprünglich versprochenen Erträge auch erwirtschaftet, spielt dafür keine Rolle.
Dagegen sind Schadensersatzansprüche bei Verträgen, die zehn Jahre und älter sind, verjährt. „Beim Schadensersatz hat der Geschädigte einen Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als hätte er den Vertrag nie geschlossen“, sagt Anwältin Appelt. Die Fehler, aus denen der Schadensersatz resultiert, sind vor der Unterzeichnung geschehen. Nach Auffassung des BGH hat Clerical Medical unter anderem gegen Aufklärungspflichten verstoßen. Der Versicherer hat ein zu positives Bild von den zu erwartenden Renditen gezeichnet. Die Anleger hätten Musterberechnungen mit einer Rendite von 8,5 Prozent bekommen, obwohl Clerical Medical selbst nur von einer Rendite von sechs Prozent ausgegangen sei – was der Versicherer aber nicht ausreichend kenntlich gemacht habe, so der BGH.
„Es gibt kaum Prozesse im Bereich des Kapitalmarktrechts, die eine bessere Ausgangslage haben“, sagt Appelt. Wegen der befürchteten hohen Gerichtskosten haben vor allem Kunden ohne Rechtsschutzversicherung bislang eine Klage gescheut. „Die Richter haben den Streitwert für die Verfahren sehr niedrig angesetzt“, sagt Appelt. Nicht die gezahlte Gesamtsumme, sondern die versprochene jährliche Ausschüttung ist Orientierungspunkt für die Bemessung des Streitwerts. „Jetzt ist der Klageweg auch für Anleger interessant, die ihn aus Kostengründen bislang scheuten“, sagt sie.
Der Versicherer Clerical Medical will die schriftliche Urteilsbegründung abwarten, bevor er sich zu der Entscheidung und ihren Konsequenzen äußert.
Anja Krüger
Quelle: Financial Times Deutschland
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