Wenn Versicherer in sozialen Netzwerken wie Facebook aktiv sind, geht es inerster Linie um Imagepflege
Friederike Krieger
Friederike Krieger
Es war nur eine schnöde Wurstscheibe, aber sie reichte aus, um einen gigantischen Shitstorm auf der Facebookseite der ING-Diba zu entfesseln. Auslöser war ein Werbespot der Bank, in dem eine Metzgereiverkäuferin Basketballstar Dirk Nowitzki das besagte Stück Fleisch überreicht. Die Botschaft: Ohne die regelmäßige Extrawurst wäre Nowitzki nie so groß und stark geworden. Empörte Vegetarier fluteten daraufhin die Facebookseite der Bank mit Postings, überzeugte Fleischesser gaben Kontra. Es entflammte eine zwei Wochen andauernde Diskussion über den Stellenwert von Fleisch in der Werbung und andere Ernährungsthemen, die alles andere auf der Seite verdrängte. Nach zwei Wochen hatte die Bank genug und kündigte an, Neues zur Wurst umgehend wieder zu löschen.
Der Vorfall verdeutlicht die Tücken, die in den sozialen Netzwerken für Unternehmen lauern. „Auch für Versicherer besteht die Gefahr, dass ihre Facebookseite von Nutzern geentert wird“, sagt Oliver Gaedeke, Vorstand des Marktforschungsinstituts Yougov. Trotz des Risikos eines Kontrollverlusts über den eigenen Auftritt ist der Assekuranz eine Präsenz in sozialen Netzwerken äußerst wichtig. Die meisten Versicherer sind auf solchen Plattformen aktiv, allen voran Facebook und Xing. Aber auch Youtube erfreut sich großer Beliebtheit. Die Allianz hat hier kleine Filmchen eingestellt, in denen „Azubi Linda“ zielgruppengerecht den Sinn von Berufsunfähigkeits- und Unfallpolicen erklärt.
Die schlechte Nachricht: Derzeit bringen die Aktivitäten der Versicherer in den sozialen Netzwerken kaum Impulse für das Geschäft. „Beim Abschluss von Versicherungsprodukten spielen soziale Netzwerke momentan noch keine Rolle“, sagt Gaedeke. Yougov hat in einer Studie Kunden befragt, was bei ihnen den Ausschlag zum Kauf einer Versicherung gegeben hat: Soziale Netzwerke kamen nur auf ein Prozent, viel wichtiger waren Ratschläge von Bekannten und Verwandten.
Über die Bedeutung der Netzwerke für den Vertrieb machen sich die Anbieter auch keine Illusionen. „Ich sehe noch nicht, dass soziale Netzwerke der Vertriebsweg der Zukunft sind“, sagt David Stachon, Deutschlandchef des britischen Kfz-Versicherers Direct Line. Inhaltlich betrachtet seien soziale Netzwerke nicht neu. „Den Austausch, wie wir ihn heute auf Facebook sehen, gab es auch schon früher, nur das Medium ist neu“, sagt er. Statt im Tennisclub zu palavern, treffe man sich heute eben online. „Wenn früher jemand mit einem Versicherungsangebot in eine angeregte Unterhaltung im Tennisclub geplatzt wäre, hätte das auch nicht zum Erfolg geführt“, sagt Stachon. Auf Facebook funktioniere das ebenso wenig.
Für Versicherer sind soziale Netzwerke eher ein Mittel zur Imagepflege – und zur Überprüfung, wie es um die eigene Beliebtheit bestellt ist. „Man kann genau verfolgen, was über ein Unternehmen erzählt wird“, sagt er. Versicherer sollten böse Kommentare auf Facebook und Twitter aber auch nicht überbewerten. „Da gibt es in manchen Vorständen eine regelrechte Manie“, sagt Stachon. Manager würden sich intensiv mit kritischen Twitterbeiträgen beschäftigen, die nur fünf Nutzer gelesen haben. „Das hat auch nicht mehr Relevanz als eine Diskussion im Tennisclub“, sagt Stachon.
Wie ein Versicherer seinen Facebookauftritt gestaltet, will wohl überlegt sein. „Die Gesellschaften sollten nicht versuchen, die Nutzer mit Produktinformationen zu überfallen“, sagt Gaedeke von Yougov. Er vergleicht Facebook gern mit einer Gartenparty. „Da wollen die Gäste auch nicht über Versicherungen reden, sondern sind auf Plaudern und Spaß aus“, sagt er. Facebook sei die ideale Plattform, auf der ein Versicherer etwa die Erfolge einer von ihm gesponserten Fußballmannschaft dokumentieren kann. Versicherungstipps darf es nur in homöopathischer Dosis geben.
So macht es auch der Versicherer Signal Iduna. Er hat eine neue Vertriebstruppe namens „Sijox“ ins Leben gerufen, das steht für „Signal Iduna, jung, organisiert und vernetzt“ . Damit will der Versicherer die Zielgruppe der 16- bis 30-Jährigen besser ansprechen. „Es geht uns darum, auf Augenhöhe mit jungen Leuten zu reden“, erklärt Signal-Iduna-Vorstand Michael Johnigk. Die Vertriebler sind selbst erst zwischen 20 und 30 Jahren alt und geben sich betont locker. „Warum wir dich verstehen?“, fragen sie auf der Internetseite. „Weil wir jung sind, so jung wie du. Wir wissen, was dich bewegt. Weil es auch uns bewegt. Und wir vernetzen und organisieren uns online über die gleichen Kanäle wie du: Wir sind bei Facebook, Twitter und Co.“
Während auf der Homepage Versicherungsprodukte im Vordergrund stehen, geht es auf Facebook eher seicht zu. Die Sijox-Vertriebler diskutieren mit den Nutzern etwa über den Sinn und Unsinn des Valentinstags, darüber, ob Butter oder Margarine aufs Brot gehört oder veranstalten Gewinnspiele. Versicherungsthemen wie ein Hinweis auf die neuen Unisextarife werden nur dezent beigemischt. Den Nutzern scheint es zu gefallen: Sijox hat fast 47 000 Fans. Das übersetzt sich aber längst nicht ungefiltert in Neuabschlüsse: Seit dem Start im Juli 2011 hat Sijox rund 1200 Neukunden gewonnen. „Früher war die Herausforderung, aus Kunden Fans zu machen, jetzt geht es darum, aus Fans Kunden zu machen“, sagt Johnigk.
Gaedeke von Yougov ist sich nicht sicher, ob Sijox dazu den richtigen Ansatz gewählt hat. „Viele Versicherer glauben, dass sie in sozialen Netzwerken selbst besonders flippig sein müssen, weil die Technik vor allem von jungen Leuten genutzt wird“, sagt er. Bei Laboruntersuchungen hat Gaedeke aber festgestellt, dass Berufsjugendlichkeit bei der Zielgruppe eher negativ aufstößt. Auch junge Menschen assoziieren mit Versicherern oft Menschen mit Krawatte – und sind irritiert, wenn der Vertreter in Flipflops daherkommt. „Auch sie wollen ihr Geld seriös angelegt wissen“, erklärt Gaedeke. „Da passt es nicht, wenn ein Versicherer seine Seiten mit Bildern einer unaufgeräumten Wohngemeinschaft schmückt“, glaubt er.
Bis der optimale Facebookauftritt für Versicherer gefunden ist, wird noch einige Zeit ins Land gehen. „Es wird viel probiert, aber ich sehe im Markt noch keinen Anbieter, der den Stein der Weisen gefunden hat“, sagt Stachon von Direct Line.
Quelle: Financial Times Deutschland
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