Umbau trotz Rekordgewinnen

Die Versicherer rechnen auch dieses Jahr mit guten Umsätzen. Mit Blick auf die künftige Entwicklung strukturieren sich die Konzerne jedoch um. Die hessischen Standorte leiden besonders unter dem Arbeitsplatzabbau

VON Herbert Fromme Endgültig aus geht das Licht erst am 31. Dezember. Dann schließt die Talanx-Gruppe das Wiesbadener Büro der HDI-Gerling Lebensversicherung. Früher war sie als Gerling E&L vor allem für jenes Geschäft zuständig, das über Versicherungsmakler abgewickelt wurde. Rund 400 Mitarbeiter hatte die Gruppe dort, 200 von ihnen haben das Angebot angenommen, nach Köln zu wechseln.

Die großen deutschen Versicherungskonzerne haben 2006 Rekordgewinne vorgelegt und nehmen auch 2007 Kurs auf beste Ergebnisse. Branchenprimus Allianz rechnet mit einem Gewinn nach Steuern von 8 Mrd. Euro, das höchste Ergebnis, das je ein deutscher Konzern erwirtschaftet hat.

Da klingt es für manche Mitarbeiter zynisch, wenn die Vorstände von dringend nötigen Kostensenkungen sprechen. Aber aus ihrer Sicht macht das Sinn. Die heutigen Gewinne sind vor allem das Ergebnis extrem günstiger Marktverhältnisse – vergleichsweise hohe Preise gekoppelt an mäßige Schadenzahlungen. Alle Zeichen deuten darauf hin, dass sich dieses komfortable Umfeld derzeit verändert. Der Preiskrieg in der Autoversicherung und das magere Neugeschäft in der Lebensversicherung sind Vorboten, die sich in einigen Jahren in den Bilanzen finden.

Deshalb will die Branche gegensteuern. Konzentration und Umstrukturierung hinterlassen vor allem in den hessischen Assekuranzstandorten tiefe Spuren. Mit Frankfurt stellt das Bundesland zwar das unbestrittene Bankenzentrum, Obergesellschaften von Versicherern gibt es aber nur wenige, und die spielten in den jüngsten Zusammenschlüssen keine aktive Rolle.

Die Schließung von HDI-Gerling Leben in Wiesbaden ist das Ergebnis einer der größten Übernahmen der vergangenen fünf Jahre. Der Hannoveraner Talanx/HDI-Konzern hatte 2006 die Gerling-Gruppe übernommen. Die Schaden- und Unfallversicherung, die sich mit Auto-, Industrie- oder Gebäudeversicherung beschäftigt, legt Talanx in Hannover zusammen, die Lebensversicherung in Köln. Wiesbaden und Hamburg werden weitgehend aufgegeben.

Talanx ist nicht allein mit seinen Rationalisierungsbemühungen. Der französische Axa-Konzern hat die Schweizer Versicherungsgruppe Winterthur gekauft. Als Konsequenz werden auch die deutschen Töchter fusioniert – der Axa-Konzern in Köln übernimmt die DBV-Winterthur in Wiesbaden. Der Konzern braucht nur eine Zentrale, zahlreiche Stabsstellen wandern von Wiesbaden nach Köln. „Insgesamt gehen 500 Vollzeitstellen“, sagt Axa-Sprecher Ingo Koch. Die Marke DBV – das steht für Deutsche Beamtenversicherung – will die Axa auf jeden Fall behalten, um den Zugang zur begehrten Zielgruppe öffentlicher Dienst zu erhalten. In welcher Form das genau geschieht, sei noch offen, sagt Koch: Ob einfach Niederlassungen mit dem Namen DBV errichtet werden oder ob es noch eigenständige, wenn auch in den Konzern eingebundene Versicherer mit dem Namen DBV geben wird.

Die Allianz hat im Zuge ihres Deutschland-Umbaus die eigenständige Gesellschaft Frankfurter Allianz aufgegeben. Auch hier gibt es einen weitreichenden Umbau, der Jobs kostet. Das beeindruckende neue Gebäude der Allianz – auf dem alten AEG-Gelände am Main – ist viel zu groß für die jetzt anvisierte Dependance des größten deutschen Versicherungskonzerns. Er ist in Frankfurt natürlich außerdem mit seinen Tochtergesellschaften Dresdner Bank und Allianz Global Investors vertreten. Auf der Versicherungsseite beschäftigt die Allianz zurzeit 2000 Mitarbeiter in der Region, nach Abschluss des Umbaus werden es weniger sein.

Das Fusionieren gewohnt sind die Mitarbeiter der Sparkassen-Versicherer. Der jüngste Zusammenschluss ist drei Jahre alt, damals wurde die SV in Wiesbaden mit der ebenfalls zum Sparkassenlager gehörenden Gesellschaft in Stuttgart fusioniert – gegen erbitterten Widerstand aus der hessischen Landeshauptstadt. Als 2006 die Stuttgarter Obergesellschaft dann den lange geplanten Neubau in Wiesbaden stoppte, glaubten viele, der Standort solle noch mehr leiden. Doch jetzt wird das alte Gebäude gegenüber dem Wiesbadener Hauptbahnhof für 40 Mio. Euro saniert.

Als Musterschüler der Branche präsentiert sich dagegen die in Wiesbaden beheimatete R+V-Gruppe. Sie wächst wie kaum ein anderer Versicherer. „Die Gesellschaft erlebte vor acht Jahren den Umbau, den andere Versicherer gerade durchmachen“, sagt Vorstandschef Friedrich Caspers. Die R+V hält ihre Beschäftigtenzahlen bei rund 11 300 stabil und könnte sich auch Zukäufe vorstellen. Über die vergangenen zehn Jahre hat die Gesellschaft dramatisch zugelegt. „Wir haben den Bestand verdoppelt“, sagt Caspers. Die Gesellschaft gehört zum genossenschaftlichen Finanzsektor und hat den Vertrieb über Raiffeisen- und Volksbanken geschickt ausgebaut.

Ebenfalls auf Wachstumskurs sind die deutschen Gesellschaften der Zurich Financial Services, die jetzt weltweit unter dem englisch ausgesprochenen Namen Zurich auftritt. Das Unternehmen hat seinen deutschen Hauptsitz in Frankfurt und eine wichtige Tochter, den erfolgreichen Direkt- und Internetversicherer DA Direkt in Oberursel. Aber auch hier steht Unruhe ins Haus. Mittelfristig will Zurich die DA in den neu gegründeten europäischen Internetanbieter Zurich Connect eingliedern. Oberursel ist auch der Sitz des Traditionsversicherers Alte Leipziger, der in der Region ebenfalls zu den Großarbeitgebern gehört.

Zitat:

“ „Wir haben den Bestandverdoppelt“ “ – Friedrich Caspers,Chef der R+V-Gruppe –

Bild(er):

Firmenschild vorm Unternehmenssitz der DBV-Winterthur Holding in Wiesbaden. Nach der Übernahme durch den Kölner Axa-Konzern fallen 500 Stellen weg – imago/Rolf Braun

Quelle: Financial Times Deutschland

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