Der geplante Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven hat die Augen der Logistiker auf die Region gelenkt. Neben dem Containerumschlag braucht das Land aber auch mehr Kapazität für die Schiene
Logistik boomt, auch in Niedersachsen. Das ist schnell gesagt und rasch erklärt: Die Güterproduktion ist weltweit verteilt, Erzeugung und Verbrauch sind aber regional entkoppelt. Deshalb muss immer mehr transportiert werden. Wer aber nach Zahlen zu Jobs und Umsatz fragt, bekommt Probleme. Rund 200 000 Menschen sollen in Niedersachsen in der Logistik arbeiten, sicher ist das nicht. „Die Branche ist ja nicht wirklich definiert, und die alten Wirtschaftsschlüssel in der Statistik bilden das nicht ab“, sagt Stefan Schröder, Chef der Logistikinitiative Niedersachsen.
Logistiker ist der Kranfahrer im Hafen von Brake genauso wie die Fernfahrerin bei einer Spedition in Hannover. „Die Beschäftigungseffekte unserer Arbeit können wir kaum nachvollziehen“, sagt Schröder. Ein paar aktuelle Zahlen gibt es aber doch: Bei 189 untersuchten Ansiedlungsprojekten entstanden bislang 22 500 Arbeitsplätze. Immerhin 9000 davon sind wirklich neu.
Seit 2000 ist die Logistikinitiative des Landes aktiv. Unter der schwarz-gelben Landesregierung wird sie als Infrastrukturmaßnahme verstanden und nicht wie zuvor dem Dienstleistungssektor zugeordnet. „Damit haben wir einen Riesen-Stellenwert bekommen“, sagt Schröder.
Ihre zentrale Lage im europäischen Verkehrsnetz erachten die Niedersachsen als besonderen Vorteil und werben sie mit dem Slogan „… an uns kommen Sie nicht vorbei!“. Dabei gibt es noch einige Schwachpunkte, wie Schröder einräumt, etwa bei der Schienenanbindung.
Schon als die Deutsche Bahn noch Bundesbahn hieß, gab es Pläne für eine neue Güterverkehrsdrehschei be in Hannover-Lehrte. Bis heute gibt es aber keinen Zeitplan dafür. In der ersten Ausbaustufe könnten hier zehn bis 16 Güterzüge pro Nacht neu sortiert und abgefertigt werden. Aber die Finanzierung ist unsicher. „Dabei wäre dieses Projekt nicht nur für Niedersachsen wichtig“, sagt Schröder.
Ein weiteres Manko in der Transport-Infrastruktur Niedersachsens wird bald abgestellt: Noch fehlt dem Land ein eigener Containerhafen. Spätestens 2010 soll er aber in Betrieb gehen, der Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven. Der Standort empfiehlt sich wegen seiner naturgegebenen Tiefe, die selbst größte Containerschiffe festmachen lässt.
Im März fiel die Entscheidung. Eurogate, ein bremisch-hamburgisches Gemeinschaftsunternehmen und die größte Containerumschlagsgesellschaft Europas, wird den Jade-Weser-Port betreiben. Eurogate investiert in den neuen Terminal rund 300 Mio. Euro. Doch das Land trägt gemeinsam mit Bremen enorme Kosten – die Belastungen erreichen im ungünstigsten Fall mehr als 700 Mio. Euro. Nicht nur deshalb gibt es Kritik. Umweltschützer halten das Projekt für ökologisch gefährlich.
Der neue Terminal ist nicht die einzige Großinvestition in Wilhelmshaven: Eon Ruhrgas prüft hier derzeit den Bau eines ersten deutschen Importterminals für verflüssigtes Erdgas. Der amerikanische Ölkonzern ConocoPhilips hat kürzlich die Wilhelmshavener Raffineriegesellschaft übernommen und plant, mehr als 1 Mrd.Euro in die Anlagen an der Jade zu stecken. Der Hafen ist in Deutschland der wichtigste Anlandeplatz für Rohöl.
Das Dortmunder Logistikunternehmen Rhenus hatte sich ebenfalls als Betreiber für den Jade-Weser-Port beworben, jedoch ohne Erfolg. Nun will die Gruppe sich auf den Ausbau ihrer vorhandenen Standorte in Niedersachsen konzentrieren. Rhenus ist bereits in Wilhelmshaven tätig, hat aber auch Standorte in Cuxhaven und Nordenham. Der letztgenannte Hafen ist ein Unikum in Niedersächsischen Landschaft: Rhenus gehören hier nicht nur die Anlagen, sondern auch die Infrastruktur. „Das lohnt sich“, sagt Heinrich Ahlers, Geschäftsführer der Rhenus Midgard. „Die großen Container-Hubs sind keine Konkurrenz für Nordenham, wo in erster Linie Massengüter und massenhaft Stückgut umgeschlagen werden.“
Über den Ausbau von Wilhelmshaven dürfe man die anderen Häfen nicht vergessen, warnt Ahlers. „Es ist wichtig, dass das Land Niedersachsen, welches erhebliche finanzielle Belastungen durch den Ausbau des Jade-Weser-Ports hat, notwendige Infrastrukturmaßnahmen für andere Standorte und Aktivitäten ebenfalls unterstützt.“ Rhenus sei bereit, daran im Rahmen von Public-Private Partnerships mitzuarbeiten, wie Ahlers sagt.
Den Blick auf alle Häfen will auch Andreas Bullwinkel öffnen, der Geschäftsführer von Seaports of Niedersachsen. Er vertritt acht ganz unterschiedliche Häfen: Wilhelmshaven, Cuxhaven, Emden, Brake, Nordenham, Leer, Papenburg und Oldenburg. „Wir haben uns die Nischen gesucht, für die in den großen Häfen kein Platz mehr ist“, sagt Bullwinkel. „In der Fokussierung der großen auf den Container liegt unsere Chance.“ Nicht zuletzt seien für den Umschlag von Spezialprodukten mehr Arbeitskräfte nötig als bei Containern. Die niedersächsischen Häfen seien zu wenig bekannt. „Wir haben es lange versäumt, Reklame zu machen.“ Konkurrenz untereinander bringe nichts, sagt Bullwinkel. „Wir müssen weg vom Kirchturmdenken.“
Zitat:
“ „Wir haben es lange versäumt, Reklame zu machen“ “ – Andreas Bullwinkel, Seaports of Niedersachsen –
Bild(er):
Tanker in Wilhelmshaven: Die flüssige Fracht wird über Pipelines entladen. Der Hafen ist Deutschlands wichtigste Anlandestelle für Erdöl – Visum/Aufwind-Luftbilder; Action Press
Katrin Berkenkopf
Quelle: Financial Times Deutschland
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