Kritik an Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung für Kommunen · Brüssel leitet Verfahren ein
Von Ilse Schlingensiepen, Köln Die EU-Kommission hat wegen eines Tarifvertrags zur betrieblichen Altersversorgung ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet. Die Kommission stört, dass der Vertrag der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und der Gewerkschaft Verdi als Anbieter nur die öffentlichen Zusatzversorgungseinrichtungen, die Sparkassen-Finanzgruppe – also die Sparkassen und die öffentlichen Versicherer – und die Kommunalversicherer vorsieht. Das ist privaten Versicherern schon lange ein Dorn im Auge.
VKA und Verdi hätten im „Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung für Arbeitnehmer/-innen im kommunalen öffentlichen Dienst“ – seit 1. Januar 2003 in Kraft – den Kreis der Anbieter nicht von vornherein beschränken dürfen, so die Europäische Kommission in Brüssel. „Öffentliche Arbeitgeber sind Auftraggeber im Sinne der EU-Vergabevorschriften und daher zur Ausschreibung derartiger Dienstleistungen verpflichtet“, heißt es in einer Mitteilung der Kommission. Die Bundesregierung muss bis zum 14. September Stellung nehmen.
„Wir halten den Vertrag nach wie vor für wirksam“, sagte VKA-Geschäftsführer Hartmut Matiaske. „Bei der Entgeltumwandlung geht es nicht um einen Dienstleistungsvertrag, sondern eine arbeitsrechtliche Regelung.“ Der Gesetzgeber habe den Tarifparteien dafür einen Ermessensspielraum eingeräumt.
Außerdem liege es in der freien Entscheidung des einzelnen Arbeitnehmers, ob er diesen Baustein der Altersversorgung wähle. Es gehe um Geld des Arbeitnehmers, nicht um öffentliche Mittel. „Der Arbeitgeber ist nur treuhänderisch tätig“, so Matiaske. Auch der Metallrente, in der mehrere Privatversicherer ein Konsortium für die betriebliche Altersversorgung bilden, liege ein Tarifvertrag zu Grunde. „Es ist nicht einzusehen, warum für öffentliche Arbeitgeber andere Maßstäbe gelten sollen“, sagte er. Für die Metallrente gab es allerdings eine öffentliche Ausschreibung.
„Es geht nicht um einen vergaberechtlichen Vorgang, sondern um eine arbeits- und tarifrechtliche Regelung“, sagte auch Kay Ruge, für EU-Fragen zuständiger Beigeordneter im Deutschen Landkreistag. Selbst wenn die EU-Kommission das anders sehe, greife das Vergaberecht hier nicht. Dafür sei die finanzielle Dimension pro Arbeitgeber zu gering, sagte Ruge.
Private Versicherungsunternehmen, die in diesem Geschäftsbereich außen vor bleiben, begrüßten dagegen das Vorgehen der EU-Kommission. „Wir halten das Vertragsverletzungsverfahren für gerechtfertigt“, sagte Roland Weber, Vorstand der Debeka Lebensversicherung. Die Debeka hat ihren Geschäftsschwerpunkt im öffentlichen Dienst. „Es ist nicht einzusehen, warum wir hier von der betrieblichen Altersversorgung ausgeschlossen werden“, sagte Weber.
Zwar sieht der Tarifvertrag die Möglichkeit abweichender Regelungen vor, allerdings würden sie kaum wahrgenommen. Die Debeka habe bisher lediglich mit zwei kommunalen Unternehmen Verträge.
Auch die HUK-Coburg, die wie die Debeka ein starkes Standbein im öffentlichen Dienst hat, ist auf Seiten der EU. „Die Tarifparteien haben für einen richtigen ,Closed Shop‘ gesorgt“, kritisierte Vorstandsmitglied Ulrich Remmert. Den Versicherern seien aber bisher die Hände gebunden gewesen. „Es ergibt keinen Sinn, eine Kommune, die man als Kunden gewinnen möchte, zu verklagen.“
Was HUK-Coburg und Debeka beunruhigt: Für die Angestellten der Bundesländer wird ein vergleichbarer Tarifvertrag vorbereitet. Dort müsse es eine Öffnungsklausel für private Anbieter geben, fordert Debeka-Vorstand Weber. Nach seiner Einschätzung nehmen im kommunalen Bereich bislang nur wenige Arbeitnehmer die Entgeltumwandlung in Anspruch. „Die Zusatzversorgungseinrichtungen haben nicht die für die betriebliche Altersversorgung nötigen Beratungskapazitäten“, sagte Weber.
Bei den kommunalen Zusatzversorgungseinrichtungen hätten sich bislang 5,6 Prozent der Pflichtversicherten für eine zusätzliche – private oder betriebliche – Altersvorsorge entschieden, berichtete Reinhard Graf, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft kommunale und kirchliche Altersversorgung. „Die Abschlussquote ist verbesserungswürdig“, sagte er. Von mangelnder Beratungsleistung der Zusatzversorgungskassen könne aber keine Rede sein, sagte Graf. „Wir haben mehr als eine Million Beratungsgespräche geführt.“ Bei den geringen Durchschnittsverdiensten im öffentlichen Dienst fehlten vielen einfach die notwendigen Mittel.
Bild(er):
Keinen Zutritt zum Rathaus haben private Versicherungsvertreter auf dieser FTD-Montage. Die EU kritisiert solche Regeln – Imago; Caro/Bastian/FTD-Montage
Quelle: Financial Times Deutschland
Dieser Beitrag ist nur für Premium-Abonnenten vom Versicherungsmonitor persönlich bestimmt. Das Weiterleiten der Inhalte – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Bitte bedenken Sie: Mit einer von uns nicht autorisierten Weitergabe brechen Sie nicht nur das Gesetz, sondern sehr wahrscheinlich auch Compliance-Vorschriften Ihres Unternehmens.
Diskutieren Sie mit
Kommentare sind unseren Abonnenten vorbehalten. Bitte melden Sie sich an oder erwerben Sie hier ein Abo