Die Versicherungswirtschaft steht unter Druck durch zwei Gesetzespläne der Regierung. Doch die Branche meidet die Öffentlichkeit und kann wichtige Daten nicht liefern
Herbert Fromme Kaum je zuvor stand die Versicherungsbranche so unter Druck wie in diesen Tagen. An Stoff für unbequeme Diskussionen herrscht kein Mangel – im Gegenteil. Doch wer führt die schon gerne mit der Presse?
Die PR-Strategen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) haben sich für dieses Dilemma ihre eigene Lösung ausgedacht: Sie setzten die traditionelle Pressekonferenz während der Mitgliederversammlung des Verbands einfach nur auf eine statt auf zwei Stunden an. Davon waren zudem 33 Minuten für den Vortrag von GDV-Präsident Bernhard Schareck reserviert.
Ein mutiges Vorgehen angesichts des politischen Drucks. Die Reform des Versicherungsvertragsgesetzes, von der Regierung im Parlament eingebracht, enthält für Versicherer schwer verdaubare Paragrafen. Die Gesundheitsreform bedeutet ihrer Ansicht nach nichts weniger als den Plan zur Abschaffung der privaten Krankenversicherung (PKV).
So gab es denn auch so viele Nachfragen, dass die Konferenz doch 90 Minuten dauerte. Das letzte Drittel allerdings fand ohne wichtige Protagonisten statt: Maximilian Zimmerer, frisch gewählter Chef des Fachausschusses Lebensversicherung und Chef des Marktführers Allianz Leben, enteilte nach einer Stunde zu einem Termin. Reinhold Schulte, Vorsitzender des PKV-Verbandes und Chef der Signal Iduna, ging zehn Minuten später.
Vorher demonstrierte Schulte noch, dass die Versicherer ihre politischen Kampagnen auf dünner Datenbasis führen. So beschweren sie sich darüber, dass Kunden der privaten Krankenversicherer künftig bei einem Wechsel des Anbieters ihre Alterungsrückstellung mitnehmen dürfen. Bisher ist das nicht der Fall. Geht ein unzufriedener Kunde, muss er bei seinem neuen Versicherer die Alterungsrückstellung teuer neu aufbauen. „Wenn Kunden aus dem vorhandenen Bestand ausscheiden, fällt diese Alterungsrückstellungen dem gesamten Bestand zu“, so Schulte. Die geplante Änderung habe drastische Folgen. „Wenn das so kommt, würde das eine weitere Prämienerhöhung für den Bestand ausmachen.“ Ein Schreckensszenario: „Wir würden unattraktiv, und die private Krankenversicherung würde es auf Dauer nicht mehr geben.“
Wer allerdings auf Zahlen hofft, um diese Theorien zu untermauern, wurde enttäuscht. Um wie viel Geld geht es? Mit wie viel bezuschussen die ausscheidenden Kunden die verbleibenden? Wie stark würden die Beiträge steigen? Schulte muss passen. „Die Zahl habe ich nicht.“ Selbst für seine Firma, die Signal Iduna, wollte er sie nicht nennen.
Eine mögliche Erklärung dafür: Die Treffsicherheit der GDV-Vorhersagen zu Konsequenzen politischer Maßnahmen ist mäßig. Am 26. März 2004 erklärte der Verband, die zum 1. Januar 2006 eingeführten Einheitstarife für Männer und Frauen bedeuteten den „Todesstoß für die Riester-Rente“. Heute weiß man: Das Gegenteil ist der Fall, die Riester-Rente boomt.
Zitat:
„Die Zahl habe ich nicht“ – Reinhold Schulte,Vorsitzender desPKV-Verbandes –
Quelle: Financial Times Deutschland
Dieser Beitrag ist nur für Premium-Abonnenten vom Versicherungsmonitor persönlich bestimmt. Das Weiterleiten der Inhalte – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Bitte bedenken Sie: Mit einer von uns nicht autorisierten Weitergabe brechen Sie nicht nur das Gesetz, sondern sehr wahrscheinlich auch Compliance-Vorschriften Ihres Unternehmens.
Diskutieren Sie mit
Kommentare sind unseren Abonnenten vorbehalten. Bitte melden Sie sich an oder erwerben Sie hier ein Abo