Mit der Novelle des Versicherungsrechts stärkt der Gesetzgeber den Verbraucherschutz. Das stößt nicht nur auf Beifall. Kritiker monieren, dass Firmenkunden leiden dsfgsd fs
VON Herbert Fromme und Anja Krüger Die Welt der Assekuranz wird sich in wenigen Monaten gewaltig ändern. Anwälte, Richter und Experten der Versicherer werden die neue Ordnung gestalten, die mit Inkrafttreten des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) am 1. Januar 2008 entsteht. „Juristen werden das Gesetz interpretieren müssen“, weiß der Präsident der Rechtsanwaltskammer Köln, Hubert van Bühren. „Auf Rechtsanwälte kommt erhebliche Mehrarbeit zu“, sagt van Bühren, der auch Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht im Deutschen Anwaltverein ist.
Das VVG regelt die Rechte und Pflichten von Assekuranz und Kunden. Die Novelle löst das fast 100 Jahre alte Gesetz ab, von dem grundlegende Teile bis heute angewandt werden. Auch die Branche ist davon überzeugt, dass es einen erheblichen gerichtlichen Klärungsbedarf gibt. Die Versicherer müssen ihre gesamte Produktpalette an das neue Recht anpassen, sagt Johannes Lörper, Vorstand der Hamburg-Mannheimer und der Victoria Lebensversicherung, beides Töchter des Rückversicherers Münchener Rück. „Wie bei jedem neuen Gesetz muss sich dazu erst die Rechtsprechung etablieren. Es wird sich dabei zeigen, ob das, was der einzelne Versicherer macht, auch wirklich Bestand haben wird.“ Voraussichtlich werden in erster Linie Organisationen klagen, Kunden dagegen weniger, glaubt Lörper.
Das sieht Fachanwaltsvorsteher van Bühren anders. In Zukunft werden mehr Verbraucher nicht einfach hinnehmen, was der Versicherer für sie vorgesehen hat, erwartet er. Mit der Reform stärke der Gesetzgeber die Rechte des Kunden und erleichtere eine Klage. Künftig ist der Wohnsitz des Versicherungsnehmers der zuständige Gerichtsstand, nicht der Sitz des Unternehmens. „Der Verbraucher kommt ein wenig mehr auf Augenhöhe“, sagt van Bühren. „Der Versicherungsnehmer wird nicht König, aber er ist nicht länger Bettler.“
Der Wegfall des Alles-oder-nichts-Prinzips zum Beispiel werde sich zum Vorteil des Kunden auswirken. Denn bisher bügelten Versicherer mit dem Argument, der Kunde habe grob fahrlässig gehandelt, Ansprüche ganz ab. „Das ist die Allzweckwaffe der Versicherer, wenn sie nicht zahlen wollen“, sagt van Bühren.
Der Kammerpräsident hat gemeinsam mit dem Versicherungsombudsmann und früheren BGH-Richter Wolfgang Römer für die Einführung des Fachanwalts für Versicherungsrecht gekämpft – gegen den Widerstand der Assekuranz. Seit 2004 haben fast 600 Juristen den Titel erworben. Für junge Juristen sei das Feld vielversprechend. „Das ist eine Marktnische, die ich nur empfehlen kann.“ Auch andere Anwälte werden in Zukunft noch versicherungsrechtliche Mandate bearbeiten, ist van Bühren überzeugt. Allerdings werden sie vor allem die einfachen Fälle im Blick haben. „Wie der Hausarzt den Patienten an einen Facharzt überweist, empfiehlt der nicht spezialisierte Anwalt bei komplizierten Fragen den Fachanwalt.“
Darüber hinaus öffnen sich den Versicherungsexperten in den Kanzleien neue Arbeitsfelder, etwa in der Beratung von Mandanten vor Abschluss eines Vertrags und nicht erst im Schadenfall. „Gerade in der Versicherungsanbahnung gilt: Wir dürfen das nicht mehr den Agenten überlassen, die nach dem Apothekerprinzip vorgehen: Viel hilft viel.“ Vor allem kleine Unternehmen hätten großen Bedarf an Beratung durch Fachleute, die ihnen auch sagen, welche Versicherungen sie nicht brauchen.
Unternehmen sind die Verlierer der Reform des Versicherungsrechts, glaubt der Anwalt Christian Wirth von der Kanzlei White & Case. „Das VVG berücksichtigt die spezifischen Bedürfnisse von Unternehmen und Gewerbe überhaupt nicht.“ Das gilt etwa für die Betriebsunterbrechungsversicherung oder Haftungsrisiken, erst recht wenn diese im Ausland abgesichert werden müssen. „Das Versicherungsrecht besteht aus mehr als aus Kfz- und Leitungswasserschäden“, sagt er. Das Gesetz lasse in vielen Fällen Rechtsunsicherheit zu, zum Beispiel bei Deckungsfragen. Unternehmen können so in brenzlige Situationen geraten. Muss sich ein deutscher Pharmahersteller kurzfristig entscheiden, ob er den von den Anwälten der Geschädigten vorgeschlagenen Vergleich annimmt oder eine Sammelklage riskiert, garantiert ihm das VVG keinen Deckungsschutz.
„Das VVG geht immer davon aus, dass es einen Schutzbedürftigen gibt“, sagt Wirth. „Das Gesetz passt nicht, wenn sich gleich starke Partner gegenüberstehen.“ Gerade in der Industrie- und Gewerbeversicherung befänden sich Anbieter und Kunde aber in der Regel auf Augenhöhe. Wirth fordert ein eigenes Unternehmens- und Gewerbeversicherungsrecht. Dazu gehören etwa die Fragen, wie Versicherer bei Unternehmen den Umsatz oder Mindeststandards für Sachverständige bei der Betriebsunterbrechungsversicherung definieren. Sie kommt auf, wenn eine Firma nach einem Brand oder Sturm nicht mehr produzieren kann. Wirth: „Schließlich geht es hier um existenzielle Fragen, um das Sein oder Nichtsein eines Unternehmens.“
Bild(er):
Um sich zu schützen, trägt der Fechter Maske, Handschuhe und Spezialkleidung. Ziel beim Florettfechten ist es, den Rumpf des Gegners zu treffen – Getty Images/Tariq Dajani
Quelle: Financial Times Deutschland
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