Stau im Containerhafen

Im Jahr 2025 müssen die deutschen Seehäfen wohl mehr als doppelt so viel Waren umschlagen wie heute. Das lässt sich nur mit Großinvestitionen bewältigen

VON Katrin Berkenkopf und Patrick Hagen Ruhige Zeiten gibt es nicht mehr für die Terminals in den deutschen Seehäfen. Der Güterumschlag wächst so rasant, dass immer Saison ist. Schiffe und Lkw müssen in die Warteschleife. Doch funktionierende Häfen sind für den Handel unverzichtbar, deshalb gibt es entlang der Küste allerorten Ausbaupläne. In Wilhelmshaven soll sogar ein ganz neuer Containerhafen entstehen.

Die Umsetzung aber geschieht zu langsam, warnt Alfred Manke, Mitglied der deutschen Geschäftsführung beim Logistiker Kühne + Nagel. „Das System wird es morgen nicht mehr schaffen. Wir steuern offenen Auges auf eine Situation zu, von der alle wissen, dass sie sie nicht stemmen können.“ Die deutschen Häfen haben im vergangenen Jahr rund 19,5 Prozent des deutschen Außenhandels abgewickelt, das entspricht fast 191 Millionen Tonnen an Gütern mit einem Wert von über 281 Mrd. Euro.

Mengenmäßig war der Anteil des Straßentransports mit 22,7 Prozent nur wenig größer. Allerdings war der Wert der mit Lkw transportierten Waren mit 643,4 Mrd. Euro deutlich höher. Die Zahlen stammen aus dem Jahresbericht des Flottenkommandos der deutschen Marine. Sie beinhalten nicht jenen Teil des Außenhandels, der über ausländische Häfen fließt, also vor allem über Rotterdam, den größten europäischen Hafen. In Rotterdam werden rund 30 Prozent mehr Güter für Deutschland umgeschlagen als im größten deutschen Hafen in Hamburg, so der Bericht. Vor allem der westliche Teil des Landes wird von den großen Terminals in den Niederlanden und Belgien bedient. Dafür hat Hamburg sich zur wichtigsten Drehscheibe für den gesamten Ostseeraum entwickelt.

Nach aktuellen Prognosen wird sich der Güterumschlag in den Seehäfen bis 2025 mehr als verdoppeln. Mit den bestehenden Anlagen ist das nicht zu bewältigen. „Viele Seiten machen sich Gedanken und erkennen das Problem, aber die große Klammer fehlt“, sagt Manke. „Jeder sucht individuelle Lösungen.“

Hakt es an einem Glied der Transportkette, gerät die gesamte Planung ins Stocken. Kommt ein Schiff verspätet am Terminal an, ist der begehrte Liegeplatz besetzt. Und der Lkw-Fahrer, der den Container an den Bestimmungsort im Hinterland bringen soll, bekommt womöglich Probleme mit der Einhaltung seiner Lenkzeiten.

Für die Störungen sind die Kunden zum Teil selbst verantwortlich, meint Florian Marten, Sprecher des Hamburger Terminalbetreibers HHLA. „Der Datenfluss muss verbessert werden. Wir wissen nicht, wann ein Container abgeholt wird.“ Mittlerweile haben Terminals rund um die Uhr geöffnet, doch die meisten Güter werden immer noch zu den Stoßzeiten eingesammelt und angeliefert.

Manche Speditionen und Reedereien nutzen die Terminals gerne als Zwischenlager. Weil der Platz aber so knapp ist, hat die HHLA ein Lagergeld eingeführt. Trotzdem steigt die durchschnittliche Verweildauer der Boxen auf dem Gelände.

Die Containerlogistik ist eine entscheidende Stellschraube für den Gewinn einer Reederei, sagt Ottmar Gast, Vorstandsmitglied bei Hamburg Süd. Nur knapp 32 Prozent des Containerbestands einer Reederei sind zu einem beliebigen Zeitpunkt tatsächlich auf See. 22 Prozent lagern in einem Hafen, 29 Prozent werden leer durch das Hinterland gefahren.

Über 12 Mrd. Euro sollen in den nächsten Jahren in den Ausbau der Hafeninfrastruktur fließen. Einige Städte haben begonnen, ihre Hafenunternehmen zu privatisieren, um Geld für die Ausbauprojekte einzunehmen. So sollen die gut 1 Mrd. Euro, die der Teil-Börsengang der HHLA Anfang November einbrachte, komplett in den Hafen investiert werden. In Lübeck läuft die Ausschreibung für ein Paket von 25,1 Prozent an der Lübecker Hafen-Gesellschaft. Wie viel die Stadt durch den Verkauf einnehmen will, sagt sie nicht.

Doch mit dem Ausbau der Kais und Terminals ist es nicht getan. Denn die Güter müssen über Land zu den Häfen und wieder hinaus gelangen. Deshalb will die Deutsche Bahn ihre sogenannten Hinterlandverkehre mit den Seehäfen massiv erweitern und hat dafür Masterpläne aufgelegt.

In Hamburg etwa wird bis 2015 mit fast einer Verdopplung des Containerumschlags gerechnet. Die Menge, die per Bahn angeliefert und abtransportiert wird, soll sich sogar verdreifachen. Statt 120 Zügen werden dann täglich rund 300 den Hafen bedienen. Der Hamburger Hafen ist nach eigenen Angaben in Europa der größte Umschlagplatz für Container im Bahntransport.

Der Bau neuer Infrastrukturprojekte müsse drastisch beschleunigt werden, fordert Hamburgs Umweltsenator Axel Gedaschko. Sonst werde der Hafen zwar nicht in der Güterflut ersticken, aber andere Häfen würden sich über zusätzliches Geschäft freuen. Dafür sieht Detthold Aden, Chef des Bremer Logistikers BLG und Präsident des Zentralverbands der deutschen Seehafenbetriebe, allerdings wenig Raum. „Im Moment jagen sich die Terminalbetreiber in Europa keine Volumen ab.“ Denn alle haben ihre Kapazitäten ausgereizt.

Gerade Rotterdam ist dafür bekannt, dass die Terminals immer wieder unter Verstopfung leiden, nicht zuletzt weil die Güter nur langsam ins Hinterland gebracht werden können. Entlastung soll die neue Betuwe-Route für Güterzüge bringen. Sie verbindet Rotterdam und Duisburg, den größten Binnenhafen. Der Anteil der Waren, die per Schiene den niederländischen Hafen verlassen, soll sich durch die Verbindung bis 2010 verdoppeln.

In Hamburg wurde die Einbindung der Eisenbahn dagegen von Anfang an mit eingeplant, sagt HHLA-Sprecher Marten. „Dadurch laufen die Prozesse besser.“ Wenn auch der Gesamtumschlag in Rotterdam auf absehbare Zeit höher bleiben wird, will Hamburg den Erzrivalen wenigstens beim Volumen der abgefertigten Container überholen.

Zitat:

“ „Das System wird es morgen nicht mehr schaffen“ “ – Alfred Manke,Kühne + Nagel –

Bild(er):

Containerterminal am Burchardkai Hamburg: 2006 wurden im Hafen insgesamt 135 Millionen Tonnen umgeschlagen. Davon entfielen 89,5 Millionen Tonnen auf Transporte in Containern. Bis 2015 will Hamburg2,9 Mrd. Euro Euroin den Ausbau investieren – Visum/Aufwind-Luftbilder

Quelle: Financial Times Deutschland

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