Kunstliebhaber können ihre Wertgegenstände mit Spezialpolicen absichern. Viele verzichten aber darauf
Von Patrick Hagen Der Spott war Steve Wynn sicher. Der US-amerikanische Kasinobesitzer und Milliardär hatte 2006 für sein Picasso-Gemälde „Le Rêve“ mit dem Investor Steven Cohen den Rekordpreis von 139 Mio. $ ausgehandelt. Als Wynn das Bild vor dem Verkauf noch einmal vorführen wollte, holte er mit seinem Ellenbogen zu weit aus – und stieß ein Loch in die Leinwand. Der Mega-Deal hatte sich erledigt. Selten fallen sie so spektakulär aus, aber Sammler beklagen regelmäßig Schäden an ihren Kunstwerken. Der Boom auf dem Kunstmarkt sorgt zudem dafür, dass immer mehr wertvolle Gemälde, Drucke oder Skulpturen in Privatbesitz sind.
Jedes Jahr werden einige Tausend Kunstwerke aus Unachtsamkeit beschädigt, schätzt Stefan Horsthemke, der Deutschlandchef des Kunstversicherers Axa Art: Bilder fallen von der Wand, oder spielende Kinder werfen eine teure Vase um. Eine gewöhnliche Hausratpolice kommt für diese Schäden nicht auf.
Die Hausratversicherung zahlt nur bei Schäden durch Feuer, Leitungswasser, Hagel und Sturm oder bei Einbruchdiebstahl. Ein weiterer Nachteil: Sammler können ihre Kunstgegenstände nicht zum aktuellen Marktwert versichern und müssen ihn bei einem Diebstahl selbst nachweisen.
Die Kunstversicherung dagegen ist eine Allgefahrendeckung, das heißt, sie umfasst alle Schäden, die der Versicherer nicht ausschließt. „Eine Kunstversicherung schützt den Sammler auch bei einem einfachen Diebstahl“, sagt Horsthemke. Der Versicherer zahlt also auch, wenn nach einer Party eine Skulptur verschwunden ist. Auch der Transport zum Restaurator oder zu einer Ausstellung ist gedeckt.
Ab einem Wert von 50 000 Euro sollten Sammler eine Kunstpolice abschließen, empfiehlt Madeleine Schulz vom Versicherungsmakler Funk Fine Arts. „Man muss aber die Zusammensetzung der Sammlung beachten“, sagt sie. Hat der Kunstbesitzer nur wenige, aber sehr teure Kunstwerke, könne der Vertragsabschluss auch bei einer geringeren Summe empfehlenswert sein.
Da sich der Wert von Kunstwerken schnell erhöhen kann, sollten Sammler die Versicherungssumme regelmäßig überprüfen und anpassen lassen. „Gute Kunstpolicen bieten die Möglichkeit, die Objekte im Turnus von zwei bis drei Jahren neu zu bewerten“, sagt Maklerin Schulz. Einige Versicherer bieten ihren Kunden einen Sicherheitspuffer für den Fall einer Wertsteigerung.
Dennoch schließen viele Kunstbesitzer keine Spezialpolice ab. Nach Angaben von Axa Art verzichten etwa zwei Drittel der vermögenden Haushalte mit Kunstbesitz darauf. „Der Markt für Kunstversicherungen beginnt eigentlich erst bei Sammlungen ab 500 000 Euro“, sagt Thomas Hiddemann, Leiter der Kölner Niederlassung des Spezialversicherers Hiscox.
Eine Alternative zur Kunstversicherung für kleinere Sammlungen kann die sogenannte Höherwertversicherung sein, bei der die Deckungssummen in der Hausratversicherung für Wertgegenstände erhöht sind. „In der Regel ist eine Hausratsversicherung mit höherwertigem Anteil aber teurer als eine Kunstversicherung“, sagt Schulz. Kunstpolicen kosten zwischen 2,4 und 3,5 Promille der Deckungssumme. Je größer die Sammlung ist, desto niedriger ist die Prämie. „Sind die Werte sehr groß, kann sie sich auf weit unter zwei Promille reduzieren“, sagt die Maklerin.
Wird das Kunstwerk beschädigt, kommt der Kunstversicherer für den Restaurator auf. In der Regel zahlt der Versicherer auch eine Entschädigung für den gesunkenen Wert des reparierten Kunstwerks.
Auch die Reform des Versicherungsvertragsgesetzes bringt den Käufern von Kunstpolicen Vorteile: Früher haben die Versicherer häufig grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen. Das dürfen sie seit dem 1. Januar 2008 nicht mehr. Auch wenn der Sammler die Kerzen am Adventskranz brennen ließ und aus dem Haus ging, müssen sie einen Teil des Schadens bezahlen.
Weiterhin ausgeschlossen sind vorsätzlich herbeigeführte Schäden, Kriegsfolgen und häufig auch Terrorismus. Ebenfalls nicht versichert sind Fälle, in denen sich das Material eines Kunstobjekts mit der Zeit verändert. „Manche Kunstwerke können sich unter bestimmten Umständen auflösen“, sagt Horsthemke. So habe der verwendete Kleber bei einer Collage von Kurt Schwitters mit der Zeit das Zeitungspapier zerfressen. Auch bei ausgebleichten Stellen durch Sonnenlicht zahlt der Versicherer nicht.
Steve Wynn hat seinen Picasso inzwischen restaurieren lassen. Jetzt streitet er sich mit seinem Versicherer Lloyd’s of London über die Höhe der Entschädigung. Wynn fordert 54 Mio. $ von Lloyd’s.
Bild(er):
Picassos Werk Le Rêve (Der Traum) wurde unfreiwillig zum millionenschweren Versicherungsfall
Quelle: Financial Times Deutschland
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