Seit Monaten bereitet Post- Chef Klaus Zumwinkel seinen glanzvollen Abgang vor. Nun wird er verdächtigt, Steuern in Millionenhöhe hinterzogen zu haben. Egal, ob sich die Vorwürfe bestätigen oder nicht: Seine Karriere dürfte unrühmlich beendet sein
Von Ulf Brychcy, Jörn Paterak, Hamburg, und Patrick Hagen, Köln Die Sonne ist noch nicht über dem Siebengebirge aufgegangen, als die Katastrophe über die Post hereinbricht. Kurz nach sieben Uhr fahren gestern Zivilfahrzeuge der Polizei vorm gläsernen Posttower in Bonn vor. Beamte der Staatsanwaltschaft Bochum betreten durch die Drehtür das Foyer und zeigen ihre Dienstausweise vor. So früh am Morgen ist das Hochhaus noch weitgehend leer, auch vom Post-Vorstand sitzt noch niemand an seinem Schreibtisch. Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes geleiten die Beamten in die 40. Etage, wo Konzernchef Klaus Zumwinkel sein weitläufiges Büro hat.
25 Kilometer rheinabwärts, im Kölner Stadtteil Marienburg, sind zum gleichen Zeitpunkt ebenfalls Ermittler im Einsatz. Sie klingeln an der Tür von Zumwinkels Villa in der Mehlemer Straße und werden eine Weile später eingelassen. Das Licht im Haus geht an, die Vorhänge werden zugezogen. Später treffen zwei Anwälte ein, die Straße wird abgesperrt. „Falls wir Maßnahmen treffen müssen“, sagt eine Polizistin vieldeutig. Um viertel nach zwölf schließlich verlässt Zumwinkel mit seinem Anwalt und zwei Frauen die Villa und steigt in eine silberne Limousine, die in der Einfahrt steht. Kameras, Scheinwerfer, Mikrofone sind auf den Manager gerichtet, der rasch einsteigt und davonbraust – nach Bochum zur Staatsanwaltschaft.
Die morgendliche Razzia in Bonn und Köln dürfte das Ende von Zumwinkels Karriere bedeuten. Seit Monaten bereitet der Topmanager seinen glanzvollen Abschied vom Vorstandsvorsitz vor. Versucht Problemsparten wie das marode US-Expressgeschäft zu sanieren und das Portfolio durch eine Fusion der Postbank mit einem anderen Geldinstitut zu ordnen. Alles deutete darauf hin, dass der 64-Jährige spätestens zum Jahresende geräuschlos an die Spitze des Aufsichtsrats wechselt, um weiterhin die Strippen zu ziehen. Bis gestern, als sein Name plötzlich in einem Atemzug mit dem bösen Wort „Steuerhinterziehung“ genannt wurde.
Es sind nur ein paar Sätze, die ein Sprecher der Staatsanwaltschaft mittags mitteilt: Zumwinkel stehe im Verdacht, Steuern in Höhe von rund 1 Mio. Euro hinterzogen zu haben. Es sei Haftbefehl erlassen worden. Da Zumwinkel aber Angaben zur Sache gemacht habe, sei der Haftbefehl gegen eine „Sicherheitsleistung in nicht unerheblicher Höhe“ außer Vollzug gesetzt worden.
Klaus Zumwinkel – ein Steuersünder? Ausgerechnet Deutschlands dienstältester Chef eines Dax-Konzerns, Manager des Jahres 2003, brillanter politischer Netzwerker? Die Vorwürfe wiegen schwer: Der Konzernchef soll das Geld mithilfe einer Stiftung im Fürstentum Liechtenstein am Fiskus vorbeigeschleust haben – angeblich schon seit Mitte der 80er-Jahre.
Laut „Süddeutscher Zeitung“ hat der Bundesnachrichtendienst einen Informanten, der im vergangenen Jahr Interna über Zumwinkel anbot, an die Wuppertaler Steuerfahndung vermittelt. Der Informant soll Material über das Steuersparmodell des Managers bei einem Vaduzer Geldinstitut mitgebracht haben. Die Oberfinanzdirektion Rheinland habe daraufhin im August eine Sondergruppe von Prüfern auf den Fall angesetzt. Zumwinkels Steuerakte und Berichte von Betriebsprüfern seien angefordert worden. In den Akten habe es keinen Hinweis auf ein Konto in Vaduz oder Einkünfte aus einer Stiftung gegeben. Hinweis auf eine ordnungsgemäße Versteuerung des Liechtensteiner Vermögens, das rund 10 Mio.Euro betragen soll – Fehlanzeige.
Im Bonner Posttower herrscht nach dem Auftritt der Ermittler Entsetzen. „Die Nachricht von der Razzia hat wie eine Bombe eingeschlagen“, sagt ein Konzernmanager. Ungläubig reagieren die Mitarbeiter auf die Vorwürfe. „Da ist nichts dran“, behauptet ein Manager. Andere Führungskräfte, die sich sonst hartgesotten geben, können es kaum fassen. „Ich habe schon viele Krisen bei der Post miterlebt“, sagt einer von ihnen. „Aber dies hier ist beispiellos.“ Zumwinkel sei stets hochinteger aufgetreten, für ihn als Vorstandschef hätten dieselben strengen Verhaltensmaßstäbe gegolten, die er auch an seine Mitarbeiter angelegt habe. Seine Privatpost habe Zumwinkel aus dem Vorstandsbüro nur mit selbst gekauften Briefmarken frankiert verschickt.
Zumwinkel, der Korrekte. Bereits vor zwei Jahren machte er in einem Artikel für die Tageszeitung „Die Welt“ deutlich, wie wichtig ihm vorbildliches Handeln sei: Darin forderte er für Unternehmen ein „robustes ethisches Fundament“ ein und „klar definierte gemeinsame Werte, die von allen Mitarbeitern getragen werden“.
Nicht wenige glauben jetzt, eine Verschwörung, eine Art „Staatsstreich“ habe zu der gestrigen Aktion geführt. Tatsächlich hatte Zumwinkel in den letzten Monaten versucht, aufs Tempo zu drücken. Das krisengeschüttelte Amerikageschäft der Tochter DHL soll mit dem Wettbewerber Fedex zusammengeführt, die profitable Postbank nach langem Zaudern mit einem anderen Geldinstitut fusioniert werden. Bei diesem Bemühen könnte er sich Feinde gemacht haben. Es gebe Leute, die sich an Zumwinkel rächen wollen, sagen manche hinter vorgehaltener Hand. Gerüchte.
Fest steht: Der Ruf des Post-Chefs ist angekratzt. Auch bei seinen privaten Finanzgeschäften hatte der Manager nicht immer eine glückliche Hand. Im Dezember vergangenen Jahres sorgte Zumwinkel für Negativschlagzeilen, als er den Höhenflug der Postaktie nach dem „Ja“ der Regierung zum Mindestlohn nutzte, um eigene Papiere aus einem Optionsprogramm im Wert von 4,7 Mio. Euro zu verkaufen. Angesichts der Kritik räumte Zumwinkel später ein, er habe einen Fehler gemacht und die Tragweite seiner Verkaufsentscheidung nicht bedacht.
Sein Engagement für einen hohen Post-Mindestlohn hat ihm ohnehin viel Ärger eingebracht – vor allem bei mächtigen Verlegern wie Springer-Chef Mathias Döpfner. Dieser hatte nur wenige Monate zuvor das Zustellgeschäft als lukratives zweites Standbein auserkoren – und für 510 Mio. Euro den Dienstleister Pin gekauft. Dann kam der Mindestlohn, und die Geschäftsgrundlage war zunichte. Pin ist pleite.
Tapfer zollte Döpfner dem Rivalen Anerkennung. „Es ist nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht von Herrn Zumwinkel, im Namen seiner Aktionäre zu kämpfen. Glückwunsch an ihn! Er hat auf ganzer Linie gewonnen.“ Doch wer genau hinhörte, spürte, wie bitter die Niederlage für Döpfner gewesen sein muss. Immerhin hat ihm das Experiment eine Sonderabschreibung von rund 600 Mio. Euro eingebrockt.
Der Verleger ist nicht der Einzige, der in jüngster Zeit immer gereizter auf Zumwinkel reagiert. Auch die Stimmung zwischen ihm und Angela Merkel hat sich deutlich abgekühlt. Die Bundeskanzlerin war lange gegen den Mindestlohn, bevor die Union schließlich einknickte. Auch in der SPD rümpfen manche die Nase über den einstigen Vorzeigemanager – spätestens seit dem umstrittenen Aktienverkauf im Dezember.
Zumwinkels Netzwerk zerfällt. Doch genau darauf stützt sich die Macht des Post-Chefs. In seiner Karriere konnte er stets auf die Kontakte zu ehemaligen Kollegen der Unternehmensberatung McKinsey zählen. Zumwinkel selbst war lange Zeit ein „Mackie“. 1974 fing er dort an, arbeitete sich schnell hoch, brachte es bis zum Senior Partner. Seither pflegt Zumwinkel seine Seilschaften, fördert Karrieren – und verschafft Vertrauten immer wieder Posten.
Er zögert allerdings auch nicht, seine Leute wieder fallen zu lassen. Edgar Ernst zum Beispiel. Bis Herbst vergangenen Jahres war der frühere McKinsey-Berater Finanzvorstand der Deutschen Post. Als der Aktienkurs immer tiefer rutschtes, wurde er abserviert – nach 15 Jahren im Leitungsgremium des Konzerns. Ähnlich hart traf es Uwe Dörken, ebenfalls ein ehemaliger McKinsey-Mann. Zumwinkel feuerte ihn im November 2004 wegen der Probleme in Amerika.
Dennoch: Die meisten Mitarbeiter äußern sich positiv über ihren Chef. Zumwinkel markiere in seinem Haus nicht den starken Mann. Er trete freundlich auf, verbindlich. Aus der Haut fahren? Explodieren? Niemals. „Schreien kann ich gar nicht“, hat der Konzernchef einmal gesagt. „Ich bin eigentlich immer gleich temperiert.“
Vielleicht liegt die Ruhe an seiner Herkunft. Finanzielle Sorgen hatte Zumwinkel nie. Er stammt aus einer wohlhabenden Familie. Seine Eltern führten in Nordrhein-Westfalen ein ansehnliches Handelsimperium. Der Vater starb früh, seinen beiden Kindern – Klaus und dessen neun Jahre älterem Bruder – hinterließ er ein stattliches Vermögen. Zumwinkel kaufte sich einen Porsche, reiste viel, stellte seinen Wohlstand ansonsten jedoch nie zur Schau.
Auch in Köln-Marienburg ist Zumwinkel wohlgelitten: Der Post-Chef sei ein angenehmer Nachbar, sagt ein Anwohner. Im Sommer veranstalte er häufig Grillpartys und lade die Nachbarschaft ein.
Doch die schöne, heile Welt des Herrn Zumwinkel ist seit gestern ramponiert. Daran ändert auch die knappe Mitteilung nichts, die die Pressestelle der Deutschen Post am Nachmittag herausgibt. Zumwinkel habe mit den Behörden über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe gesprochen und sei wieder zu Hause, informiert der Konzern: „Der gesamte Vorstand inklusive seines Vorsitzenden Dr. Zumwinkel ist vollständig handlungsfähig und führt seine Geschäfte wie gewohnt fort.“Mitarbeit: Peter Ehrlich
www.ftd.de/Zumwinkel
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Verdacht auf Steuerhinterziehung
Quelle: Financial Times Deutschland
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