Die deutschen Häfen profitieren von der Globalisierung. Die Prognosen zur weiteren Entwicklung des Umschlags sind beeindruckend
VON Patrick Hagen Selbst für die an große Frachter gewöhnten Hamburger ist das Einlaufen der „Cosco Europe“ ein besonderes Ereignis. Mit 349 Metern Länge und Platz für 10 062 Standardcontainer ist sie eines der größten Schiffe, die derzeit im Hamburger Hafen haltmachen. Ende Januar 2008 legte die „Cosco Europe“ auf ihrer Jungfernreise das erste Mal am Hamburger Terminal Tollerort an. Jetzt fährt der Containerfrachter der chinesischen Reederei Cosco im Liniendienst zwischen Hamburg und Fernost.
Die deutschen Häfen gehören zu den Gewinnern des Schifffahrtbooms. Fast täglich verkehren riesige Containerschiffe mit DVD-Playern, T-Shirts oder Maschinen zwischen Häfen in China, Korea oder Vietnam und den großen Seehäfen an der Nordsee. Damit haben viele Anleger von Schiffsfonds in den vergangenen Jahren gut verdient. Ein stagnierendes Wirtschaftswachstum infolge der US-Immobilienkrise könnte aber auch den Seehandel treffen.
Das Wachstum stößt in den Häfen an Grenzen. Die jetzigen Anlagen reichen bald nicht mehr aus. „Die Containerterminals arbeiten bereits am Rande ihrer Kapazität“, sagt Detthold Aden, Chef des Bremer Logistikers BLG, dem 50 Prozent des größten europäischen Containerterminalbetreibers Eurogate gehören. Für die Häfen wird es schwer, mit dem rapiden Wachstum der weltweiten Containerflotte mitzuhalten. „Ein Schiff zu bauen, dauert ein Jahr, für Hafenanlagen braucht man mit Genehmigung und Bau fünfzehn Jahre.“
Nach einer Prognose der Consultingfirma Planco für die Bundesregierung wird sich der Güterumschlag in den Seehäfen bis zum Jahr 2025 auf 759 Millionen Tonnen mehr als verdoppeln. Hamburg, der größte Seehafen Deutschlands, wird dann 337 Millionen Tonnen jährlich umschlagen, schätzt Planco. Im vergangenen Jahr waren es 140 Millionen Tonnen. Der größte Teil dieses Wachstums geht auf das Konto des Containerumschlags. Außer Massengütern wie Weizen, Kohle und Stahl oder Ölprodukten wird mittlerweile fast alles in den 20 oder 40 Fuß langen Stahlkisten transportiert. Die Zahl der in deutschen Häfen ver- oder entladenen Container vervierfacht sich laut der Studie bis 2025. „In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Container in den deutschen Häfen jeweils zweistellig gewachsen“, sagt Aden, der auch Vorstandsvorsitzender des Zentralverbands der deutschen Seehafenbetriebe ist.
Neben Asien trägt Russland stark zum Wachstum in den Häfen bei. „Der Güterverkehr mit Russland wird sich in den nächsten fünf Jahren verzehnfachen“, sagt Aden. Davon wird vor allem Hamburg profitieren. Hier legen die großen Seeschiffe das letzte Mal an, bevor sie sich zurück auf den Weg nach Asien oder Nordamerika machen. Kleinere Schiffe bringen die Waren von Hamburg nach Osteuropa, Skandinavien und Russland. „Zwei Drittel der Container, die in Hamburg umgeschlagen werden, sind für den Ostseeraum bestimmt“, sagt Florian Marten von HHLA, dem größten Hamburger Terminalbetreiber. HHLA ist im November an die Börse gegangen. Das Geld aus dem Börsengang will die Stadt Hamburg, die noch 70 Prozent der Aktien hält, in den Ausbau des Hafens stecken.
Das größte Problem für Hafenbetreiber und Logistiker liegt aber nicht in fehlenden Kaimauern oder Kränen, sondern in der Anbindung an das sogenannte Hinterland. Die Container müssen über kleinere Schiffe, Lastwagen oder Züge aus den Häfen gelangen können. „Der kritische Punkt ist die Verweildauer der Container im Hafen“, sagt Aden. Auch die Deutsche Bahn hat das Problem erkannt und sucht nach Lösungen, um die Schienenanbindung zu verbessern.
Trotz der enormen Wachstumsprognosen für die deutschen Häfen – mit der Entwicklung in Singapur, China und Südkorea können sie nicht mithalten: Die fünf größten Häfen der Welt liegen in Asien, drei davon in China. Rotterdam ist auf Platz sechs der größte europäische Hafen. Hamburg ist im vergangenen Jahr um einen Platz zurückgefallen und rangiert jetzt an neunter Stelle.
Nach einer Faustregel wächst die Menge der transportierten Container um drei Prozent, wenn die globale Produktion um ein Prozent zunimmt. Ein Einbruch der Weltwirtschaft könnte auch den Bedarf an Frachtraum senken und damit die Charterraten, die Mietpreise für Schiffe, nach unten drücken. Daher beobachtet die Branche aufmerksam die US-Immobilienkrise und ihre Folgen. „Eine Rezession in den USA wird sich weltweit auf den Handel auswirken, und das wird sich wiederum auf den Schifffahrtsmarkt auswirken“, sagt Dagfinn Lunde, Vorstandsmitglied der auf Transportfinanzierung spezialisierten DVB-Bank. „Gegenwärtig sehen wir, dass sich als Folge der Kreditklemme die Nachfrage nach Gütern weltweit verlangsamt.“ Auch in China und Indien wachse die Wirtschaft verhaltener.
Für den Fall, dass das Wirtschaftswachstum tatsächlich weltweit stagnieren oder sinken sollte, hält Lunde große Investitionen in die Häfen nicht für sinnvoll. „Es gibt keinen Grund, größere Häfen mit besserer Infrastruktur zu bauen, wenn die Weltwirtschaft im Durchschnitt nur um drei bis vier Prozent wächst.“ Dann würde sich das Güteraufkommen in den Häfen kaum erhöhen.
Aden von BLG sieht die Wirtschaftslage in den USA gelassen. „Die US-Krise werden wir zwar spüren, sie ist aber kein entscheidender Faktor.“ In einzelnen Bereichen seien die Folgen aber spürbar. So seien seit der Krise auf dem US-Immobilienmarkt die Holzexporte zusammengebrochen. „Vorher haben wir viel Bruchholz aus den Winterstürmen in die USA verschifft“, sagt Aden.
Ein eigentlich uraltes, jetzt wiedererwecktes Projekt der Deutschen Bahn könnte Reedern und Häfen Konkurrenz machen. Mit einem Containerzug von Peking nach Hamburg will die Bahn auf der Strecke eine Alternative zur Schifffahrt etablieren. Ein Testzug ist Ende Januar in Hamburg angekommen. Für die 10 000 Kilometer lange Strecke brauchte er nur 15 Tage, weniger als die Hälfte der Zeit, die ein Schiff benötigt hätte. Ab 2010 soll der Zug regelmäßig fahren.
Quelle: Financial Times Deutschland
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