Das Risikobegrenzungsgesetz soll Banken dazu zwingen, auch nichthandelbare Kredite anzubieten. Das soll Unternehmen vor aggressiven Finanzinvestoren bewahren und die Transparenz für sie erhöhen – Experten bezweifeln jedoch, dass das Gesetz wirkt
VON Patrick Hagen Das Image ist schlecht. Finanzinvestoren, die Kredite von säumigen Schuldnern aufkaufen, gelten als skrupellose Geschäftemacher, die Immobilienkredite von Privatpersonen erwerben und anschließend Zwangsversteigerungen durchsetzen. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries will Häuslebauer jetzt mit einer Gesetzesänderung vor Kreditaufkäufern schützen.
Das hätte auch für Unternehmen in Schieflage Folgen. Hedge-Fonds und Finanzinvestoren nutzen bisher oft den Umweg über den Ankauf von Krediten, um Einfluss auf ihr Zielobjekt zu gewinnen. Banken sollen künftig auch nicht verkäufliche Unternehmenskredite im Sortiment haben. Verkäufe wären dann nur mit Zustimmung der Firmen möglich. „Das Unternehmen kann sich also selbst einen Investor aussuchen“, sagt Matthias Beck, Restrukturierungsexperte beim Wirtschaftsprüfer Ernst & Young.
Das Risikobegrenzungsgesetz soll Unternehmen helfen, leichter an Beteiligungskapital zu kommen und sie zugleich vor rabiaten Finanzinvestoren schützen. Dafür soll es mehr Transparenz bei Beteiligungen von Finanzinvestoren schaffen. Federführend ist das Bundesfinanzministerium, das Bundesjustizministerium ist aber für die Änderung beim Kreditverkauf zuständig. Zurzeit wird das Gesetz noch im Parlament beraten. Als Auslöser gilt der Fall Deutsche Börse: 2005 durchkreuzten mehrere Hedge-Fonds die geplante Übernahme der Londoner Börse und sorgten dafür, dass Deutsche-Börse-Chef Werner Seifert seinen Job verlor.
Für Finanzinvestoren ist der Ankauf von Forderungen eine Möglichkeit, Druck auf ein Unternehmen auszuüben. Sie kaufen notleidende Kredite von kriselnden Unternehmen. Die Banken wollen diese loswerden, weil sie viel Eigenkapital binden. Der Investor zahlt für die Kredite deshalb deutlich weniger als den Nennwert, je nach Situation des Unternehmens zwischen 70 Prozent und 40 Prozent. Häufig folgt dann ein sogenannter Debt-to-Equity-Swap, die Umwandlung von Schulden in Eigenkapital.
Eine andere Möglichkeit: die Investoren verzichten auf einen Teil der Forderungen und die Eigentümer geben dafür Anteile ab. Nicht immer ist das zum Vorteil der Unternehmen. Viele Banken haben den Kreditverkauf zurzeit auf Eis gelegt, weil sie Kritik an der Verkaufspraxis fürchten. Außerdem belastet die Finanzkrise das Geschäft. Bisher können sich Unternehmen nicht gegen die Abtretung ihrer Kredite schützen. Anders als Privatleute können sie laut Handelsgesetzbuch nicht rechtswirksam mit ihrer Bank vereinbaren, dass diese den Kredit nicht abtreten darf.
Das soll sich nun ändern: Banken müssen in Zukunft auch Unternehmenskredite anbieten, die sie nicht verkaufen dürfen. Das hätte Folgen für Restrukturierung und Sanierung von Firmen. Gerät ein Unternehmen mit einem nicht abtretbaren Kredit in die Krise, muss die Bank im Boot bleiben. Einem Verkauf müsste das Unternehmen zustimmen.
„Das würde die Position von Investoren gegenüber den Banken stärken“, sagt Beck. Bieterwettbewerbe auf Käuferseite würden ausgeschlossen. Der Investor könne einen niedrigeren Preis für die Kredite erreichen und hätte mehr Spielraum für die Restrukturierung – vorausgesetzt, er ist sich mit der Unternehmensführung einig. „Problematisch wäre es, wenn der Investor das Management als Problem sieht und austauschen möchte“, sagt Beck.
Unklar ist, ob Unternehmen die Kredite in Anspruch nehmen würden. Da die Refinanzierungskosten für die Banken höher sind, dürften die Konditionen schlechter sein. Nach Branchenschätzungen könnten nicht abtretbare Kredite zwischen 100 und 200 Basispunkte teurer sein als herkömmliche. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich viele Unternehmen dafür entscheiden würden“, sagt Rechtsanwalt Oliver Waldburg von der Kanzlei Allen & Overy.
Außerdem sieht der Gesetzentwurf vor, dass Banken ihre Kunden vor der Abtretung von Krediten informieren müssen. Auch das hätte Auswirkungen, glaubt Wirtschaftsprüfer Beck. „Wenn das Unternehmen vor einem Verkauf informiert wird, kann es versuchen, sich zu wehren, und zum Beispiel die Presse informieren.“
Die zweite große Neuregelung des Risikobegrenzungsgesetzes betrifft abgestimmtes Verhalten von Großinvestoren. Bisher galten Absprachen unter Aktionären nur dann als illegal, wenn sie auf der Hauptversammlung getroffen wurden.
Künftig gilt das auch im Vorfeld eines Aktionärstreffens, wenn die Beteiligten zusammen mehr als 30 Prozent der Anteile besitzen und auf einen „erheblichen“ und „dauerhaften“ Wechsel in der Unternehmensausrichtung hinarbeiten. Sie müssten in einem solchen Fall den übrigen Anteilseignern ein Übernahmeangebot unterbreiten. An dieser Stelle hat die Regierungskoalition nach Protesten aus der Finanzbranche den ursprünglichen Entwurf entschärft. Er sah eine niedrigere Schwelle vor.
Experten schätzen die Auswirkungen des Gesetzes auch deswegen als eher gering ein. Außerdem gibt es schon heute Ausnahmen, die auch bestehen bleiben: „In Sanierungsfällen kann die Finanzaufsicht BaFin ohnehin vom Pflichtangebot befreien“, sagt Hartmut Krause, Rechtsanwalt bei der Kanzlei Allen & Overy. Eine Zusammenarbeit zwischen Großaktionären fällt darüber hinaus nicht unter die Regelung, wenn es sich dabei nur um einen Einzelfall handelte.
Zitat:
“ „Das Unternehmen kann sich einen Investor aussuchen“ “ – Matthias Beck,Ernst & Young –
Quelle: Financial Times Deutschland
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