Maschinen- und Anlagenbauer haben zunehmend mit Produktpiraterie zu kämpfen. Ein besserer Schutz der Steuerungssoftware soll ihre Geräte fälschungssicherer machen
VON Friederike Krieger Sie schneiden Holz und Metall zu oder produzieren Hemden und Hosen. Fertigungsmaschinen aus Deutschland sind sehr beliebt und eines der Hauptexportgüter. Doch die Anlagen werden nicht nur gern gekauft, sondern genauso gern kopiert. „Zwei Drittel unserer Mitglieder sind von Produktpiraterie betroffen“, sagt Rainer Glatz vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau. Plagiate schädigen die deutsche Investitionsgüterindustrie um rund 5 Mrd. Euro pro Jahr. Der Umsatzverlust bei den einzelnen Unternehmen schwanke zwischen drei und fünf Prozent, schätzt Glatz.
Bei der Homag Gruppe aus dem baden-württembergischen Schopfloch sind es sogar zehn Prozent, die wegen Fälschungen in der Kasse fehlen. Das Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 800 Mio. Euro produziert Holzverarbeitungsmaschinen, mit denen sich etwa Parkettfußböden herstellen lassen. „Bisher werden vor allem unsere mechanischen Ersatzteile kopiert“, erklärt Ulrich Doll, der bei Homag für die Forschungskoordination verantwortlich ist. Diese Teile könnten Fälscher recht leicht nachbauen. Nach Dolls Einschätzung ist es aber nur eine Frage der Zeit, bis sich die Produktpiraten auch an Komponenten wagen, die mit komplexer Steuerungstechnik ausgestattet sind.
Deshalb beteiligt Homag sich an dem Projekt „Pro-Protect“, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird. „Ziel ist es, den Nachbau von Maschinen durch einen besseren Schutz der Steuerungssoftware zu erschweren“, erklärt Oliver Winzenried, Vorstand der Firma Wibu-Systems. Das auf Softwareschutz spezialisierte Karlsruher Unternehmen hat die Initiative ins Leben gerufen. Neben Homag sind noch der Stickmaschinenproduzent ZSK, der Softwarehersteller GiS und das Forschungszentrum Informatik in Karlsruhe mit von der Partie.
Die Software sei ein idealer Ansatzpunkt für den Schutz von Maschinen, da sie immer mehr Funktionen der Anlagen steuere, erklärt Winzenried. Der Anteil, den die Software an der Wertschöpfung habe, betrage bis zu 70 Prozent. „Trotzdem gibt es für die Steuerungssoftware heutzutage praktisch keinen Kopierschutz“, erklärt er. Der ist aber bitter nötig. Früher bastelte jeder Maschinenbauer seine eigene Software, heutzutage greifen die Unternehmen oft auf Standardprogramme zurück, die sie an ihre individuellen Bedürfnisse anpassen. Das spart Kosten und ermöglicht es, verschiedene Maschinen miteinander zu vernetzen, erleichtert aber auch die Arbeit der Produktpiraten.
Das ist auch Ulrich Doll bewusst. Neben seiner Tätigkeit bei Homag ist er Vorstandschef bei der Firma OSADL, die das Betriebssystem Linux für den Einsatz im Maschinen- und Anlagenbau tauglich macht. Linux ist ein quelloffenes Programm, das heißt, jeder kann es umprogrammieren und weiterentwickeln. „Auf diese Weise fließen die guten Ideen von Millionen von Menschen in die Fortentwicklung der Software ein“, erklärt Doll. Andererseits lässt sich so leicht ausspionieren, wie eine mit Linux arbeitende Maschine tickt. „Es gilt, die speziellen Bereiche der Software zu verschlüsseln, wo beschrieben wird, wie die Maschine funktioniert“, erklärt Doll.
Nur ein nicht kopierbarer Chip, der in den Eingeweiden der Maschine versteckt ist, soll das Programm wieder entschlüsseln können. Vorbild für den Kopierschutz der Steuerungssoftware sind bereits existierende Ansätze aus dem PC-Bereich. So legen manche Softwarehersteller ihrem Programm einen USB-Stick bei. Nur wenn der im Computer steckt, läuft das Programm. Sinnvoll wäre es laut Winzenried auch, immer nur die Teile der Software zu entschlüsseln, die gerade gebraucht werden. „So haben Produktpiraten keine Chance, an das gesamte Programm zu kommen“, sagt er.
Winzenried möchte auch die Produktionsdaten schützen, denn hier bedienen sich Fälscher gern. „In vielen Fabriken in Asien legen die Arbeiter am Abend Sonderschichten ein, in denen sie heimlich auf den Originalmaschinen Ware für den Schwarzmarkt produzieren“, erläutert Winzenried. Diesem Treiben will er ein Ende bereiten, und zwar mit einem Zähler, den er in den Entschlüsselungschip der Maschinen einbaut. Der Zähler soll erfassen, wie viele T-Shirts die Stickmaschine ausspuckt. Sobald eine festgelegte Tageshöchstproduktion erreicht ist, schaltet die Maschine sich ab.
Noch steckt das im Januar gestartete Projekt in den Kinderschuhen. Im Rahmen eines Workshops auf der Messe „Digital Factory“ in Hannover wollen Winzenried und seine Mitstreiter erst einmal herausfinden, was für Anforderungen Maschinenbauer an den Kopierschutz stellen. Auch wenn er fertig ist, wird er nie hundertprozentige Sicherheit bieten können, sagt er. „Wir hoffen aber, dass wir den Aufwand für die Fälscher in die Höhe treiben, sodass sich Kopieren für sie nicht mehr lohnt“, erklärt Winzenried.
Zitat:
“ „Für die Software gibt es praktisch keinen Kopierschutz“ “ – Oliver Winzenried, Wibu-Systems –
Bild(er):
Ausrüstung für den Flug durch den virtuellen Raum: eine 3-D-Brille und der sogenannte Flystick. Die Kugeln reflektieren Infrarotsignale derart, dass der Rechner die Handbewegung sicher erkennt und den Raumeindruck entsprechend verändert – Foto: FTD/Jürgen Lösel
Quelle: Financial Times Deutschland
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