Mit Versicherungen gegen schwere Erkrankungen wollen sich private Anbieter neue Einnahmequellen erschließen Friederike Krieger
Krebs, Herzinfarkt, Schlaganfall – vor dem Eintritt einer schweren Krankheit fürchtet sich nach einer Umfrage der R+V Versicherung jeder zweite Bundesbürger. Aus dieser Angst versuchen nun private Krankenversicherer mit sogenannten Dread-Disease-Policen Kapital zu schlagen.
Dabei zahlt der Versicherer, wenn beim Kunden eine von bis zu 40 schweren Erkrankungen aus einem vereinbarten Leistungskatalog diagnostiziert wird. Die Summe – meist zwischen 100 000 Euro und 200 000 Euro – erhält der Versicherungsnehmer als Einmalbetrag. Die Absicherung ist vor allem im angloamerikanischen Raum verbreitet, wie die englische Bezeichnung „Dread Disease“, zu deutsch „gefürchtete Krankheit“, zeigt.
„Der deutsche Markt für Versicherungen gegen schwere Krankheiten ist noch recht jung und im Verhältnis zu anderen Versicherungssparten relativ klein“, sagt Sven Enger, Vertriebsvorstand des Versicherers Skandia, der diese Policen seit 2004 vertreibt. „Der Markt hat aber in den vergangenen Jahren erheblich an Wachstum zugelegt.“ In Deutschland sind Dread-Disease-Policen erst seit Anfang der 90er-Jahre zugelassen. Bisher bieten nur wenige Versicherungsgesellschaften sie an.
Marktführer in Deutschland ist die Gesellschaft Canada Life, die fast 82 500 Policen im Bestand hat. Sie kann auf eine lange Erfahrung mit Dread-Disease-Policen zurückblicken, da der 2003 von ihr übernommene Versicherer Sali schon seit 1996 in dem Geschäftsfeld aktiv war.
Erfunden hat die Absicherung kein Versicherungsangestellter, sondern der Mediziner Marius Barnard aus Südafrika, ein Bruder des berühmten Herzchirurgen Christiaan Barnard. „Sie sollte als Ersatz für Krankenversicherungen dienen und den Menschen ermöglichen, ihre Operationen zahlen zu können“, sagt Philipp Gruhn, Produktmanager beim Versicherer Gothaer, der seit 2005 Dread-Disease-Policen anbietet. Da in Deutschland nahezu jeder eine Krankenversicherung hat, vermarkten die Gesellschaften die Dread-Disease-Policen hierzulande als Alternative oder auch Ergänzung zu einem Berufsunfähigkeitsschutz. Verbraucherschützer bemängeln an den Policen, dass sie nur bei Angstmachern wie Krebs und Herzinfarkt, nicht aber bei Erkrankungen der Wirbelsäule und psychischen Problemen greifen, die ganz oben auf der Liste der Berufsunfähigkeitsursachen stehen.
Das Neugeschäft ist noch vergleichsweise bescheiden. Die Gothaer brachte es im Jahr 2007 auf 11 600 Verträge. Canada Life verkaufte knapp 10 000 Policen, bei der Skandia schlossen 2500 Personen eine Dread-Disease-Versicherung ab. Die Gesellschaften sind dennoch zufrieden und blicken optimistisch in die Zukunft. „Die Nachfrage nach sinnvollen Alternativen zur klassischen Berufsunfähigkeitsversicherung wird in Zukunft weiter steigen. Wer als Versicherer in diesem Segment ein adäquates Angebot unterbreiten kann, wird langfristig zu den Gewinnern dieses Trends zählen“, sagt Thomas Lerch, Produktmanager von Canada Life.
Auch Jürgen Klein, Vorstandsvorsitzender der Dienstleistungsgesellschaft Fingro, prophezeit, dass die Bedeutung der Dread-Disease-Policen künftig steigen wird. Fingro entwickelt Policen für Versicherer, Makler und Mehrfachagenten. Die Dread-Disease-Policen der Fingro-Muttergesellschaft Gothaer stammen ebenso aus seinem Haus wie die Verträge der ehemaligen Sali. „Durch die neuen Beratungspflichten müssen Vermittler alle Lebensrisiken des Kunden berücksichtigen“, sagt Klein. Dazu zähle auch die Gefahr, schwer zu erkranken. Schon jetzt lasse sich mit den Versicherungen gegen schwere Krankheiten prächtig verdienen. „Der Margendruck ist noch gering, weil es nicht viele Anbieter im Markt gibt“, sagt der Figro-Chef. Auch das Verhältnis von Schäden zu Beitragseinnahmen sei besser als in der Berufsunfähigkeitsversicherung. „Zudem ermöglichen Dread-Disease-Policen den Versicherern, sich als innovative Anbieter zu profilieren“, sagt Experte Klein.
Nicht alle Versicherer sind von den Policen angetan. „Einige Gesellschaften haben Angst, ihre Berufsunfähigkeitsversicherungen zu kannibalisieren“, sagt Klein. So nimmt der Versicherer Generali seine Dread-Disease-Police ab dem 1. Januar 2009 aus dem Programm. Die Versicherungen hätten den Berufsunfähigkeitspolicen zu viel Konkurrenz gemacht, sagt ein Sprecher.
Quelle: Financial Times Deutschland
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