Internationale Ausrichtung trifft Institute jetzt besonders. SchärfereRegulierung und größere Vorsicht dürften die Konsequenzen sein
Von Herbert Fromme
Noch ist das Erdbeben, das die Finanzmärkte rund um den Globus in den Grundfesten erschüttert, nicht abgeklungen – aber in den drei Benelux-Staaten steht jetzt schon fest, dass die Banken- und Versicherungsbranche dramatisch verändert aus der Krise hervorgeht.
Von den vier größten Bank- und Versicherungsgruppen der Niederlande waren Ende Oktober zwei Gesellschaften verstaatlicht, nämlich Fortis und ABN Amro. Die beiden anderen überlebten nur mit Staatshilfe: ING Groep erhielt 10 Mrd. Euro. Aegon 3 Mrd. Euro.
Die Regierung in Den Haag hat insgesamt 20 Mio. Euro als Rettungsfonds bereitgestellt. Möglicherweise wird der Fonds noch aufgestockt, sagte Finanzminister Wouter Bos vergangene Woche. Außerdem gab die Regierung eine Garantie für alle Bankeinlagen bis 100 000 Euro. Vorher endete die Garantie bei 20 000Euro.
Im benachbarten Belgien gilt dieselbe Garantie für Einlagen. Außerdem sagte die Regierung zu, Geschäfte zwischen Banken sowie zwischen Banken und institutionellen Investoren abzusichern.
Die Bedingungen sind dieselben, die Belgien zusammen mit Frankreich und Luxemburg bei der Stützung der angeschlagenen Dexia-Bank vor drei Wochen anwandte. Die Banken müssen eine Gebühr zahlen, „die dem Nutzen entspricht, den sie aus der Maßnahme ziehen“, heißt es in der offiziellen Verlautbarung.
Drei Regierungen waren auch nötig, um das Schlimmste für die Fortis-Gruppe zu verhindern. Die Niederlande, Belgien und Luxemburg fingen Fortis Ende September mit 11,2 Mrd. Euro auf. Aber das reichte nicht. Schließlich wurde die Banken- und Versicherungsgruppe entlang der Staatsgrenzen zerlegt, der niederländische Teil verstaatlicht, vom belgischen Teil übernahm BNP Paribas 75 Prozent. Das Nachsehen haben die Altaktionäre. Ihre Papiere waren Ende Oktober noch 0,81 Euro wert, vor einem Jahr waren es dagegen rund 20 Euro.
Die Finanzkrise trifft die Region härter als die kontinentaleuropäischen größeren Nachbarstaaten. Ein Grund dafür liegt in der Geschichte des Finanzsektors. Er hat eine sehr lange Tradition – die niederländische Ostindien-Kompagnie war 1602 die erste Gesellschaft in der ganzen Welt, die sich über Aktien finanzierte. Und er war von Anbeginn an sehr international ausgerichtet. Schließlich sind die Heimatmärkte vergleichsweise klein, deshalb suchten Banken und Versicherer die weltweite Expansion. Da sie aber in den direkten Nachbarländern Deutschland und Frankreich auf sehr reife Märkte und hoch entwickelte Bank- und Versicherungssysteme stießen, die wenig Luft für expansionslustige Neulinge ließen, suchen viele Gesellschaften ihr Heil in neuen Märkten wie Osteuropa und im gigantischen US-Markt.
Dazu kam gerade in den Niederlanden eine sehr liberale Gesetzgebung und Politik, die den Unternehmen kaum Schranken und eine sehr flexible Aufsicht bescherten. Das Ergebnis waren einerseits eine jahrzehntelange Blüte dieses Wirtschaftszweigs – und andererseits ein unglaublich schneller Zusammenbruch, als die globale Krise sich entlud.
Kein Wunder, dass Politiker in den drei Ländern sich zunächst als Opfer sehen. „Es gab keine Führung durch die USA in der Krise“, beschwerte sich der niederländische Finanzminister Bos. Hätte Washington die Krise an ihrem Ursprungsort, nämlich den Vereinigten Staaten, eher zu lösen versucht, wäre den kleineren Mitspielern wohl viel erspart geblieben. Aber trotz der Kritik an den großen Ländern dürfte die Krise auch in den Benelux-Ländern für eine engere Aufsicht und größere Vorsicht sorgen. Dass sich regional erfolgreiche Banken mit Ramschhypotheken in den USA so verheben können, dass sie verstaatlicht werden müssen – das wird sich die Politik merken.
Das Modell, Banken und Versicherungen auch kapitalmäßig in Konglomeraten zu verschmelzen, hatte jedenfalls schlimme Folgen für die Versicherer, die von der Bankenkrise mitgerissen wurden. Die Bancassurance nach diesem Muster wird so kaum weiter bestehen.
Quelle: Financial Times Deutschland
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