EU-Vermittlerrichtlinie und neue Gesetze bescheren den Maklern einen höheren bürokratischen Aufwand. Die Verbraucher haben nichts davon
VON Friederike Krieger
Klagen von Kunden gegen einzelne Versicherungsvermittler werden angesichts der Finanzkrise zunehmen. Davon ist der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) überzeugt. Ein Szenario: Verbraucher ziehen vor Gericht, weil Verkäufer ihnen die Risiken fondsgebundener Policen nicht deutlich genug gemacht haben. „Wir rechnen mit mehr Klagen“, sagt BVK-Präsident Michael Heinz.
Bei fondsgebundenen Verträgen investiert der Anbieter das Geld oft in Aktien. Das Anlagerisiko trägt allein der Kunde. Fallen die Aktienkurse, verliert die Anlage an Wert. Gehen die Börsen weiter nach unten und der Vertrag läuft in wenigen Jahren aus, müssen Kunden mit herben Verlusten rechnen, wenn sie keinen Garantiefonds gewählt haben. Deshalb sind verärgerte Versicherungsnehmer zu erwarten.
Damit Kunden in solchen Fällen nicht auf verlorenem Posten kämpfen, haben Europäische Union und Bundesregierung mehrere Gesetze auf den Weg gebracht. Die EU-Vermittlerrichtlinie, die im Mai 2007 in Kraft getreten ist, fordert von den Maklern eine genaue Dokumentation ihrer Gespräche, was dem Kunden die Beweisführung im Falle einer Falschberatung erleichtern soll. Auch das seit Anfang 2008 geltende Versicherungsvertragsgesetz (VVG) will die Rechte der Versicherungsnehmer stärken. So verlangt die Informationspflichtenverordnung zum VVG, dass der Kunde wichtige Informationen über seinen Vertrag wie die allgemeinen Geschäftsbedingungen schon vor dem Abschluss erhält. Zudem muss der Anbieter ihm vor der Vertragsunterzeichnung ein Produktinformationsblatt aushändigen, das beispielsweise Auskunft über die garantierten Leistungen gibt. Auch die einkalkulierten Abschlusskosten müssen die Versicherer ausweisen.
Makler Hans-Ludger Sandkühler glaubt nicht, dass sich die Position der Versicherungsnehmer durch das VVG verbessert hat. Er ist Vorsitzender des Instituts der Versicherungsmakler (IVM) und ab 2009 Chef des neuen Bundesverbands mittelständischer Versicherungs- und Finanzmakler (BMVF). „Der Kunde ist genauso unwissend wie vor der Reform“, sagt er. Die Informationspakete für Verbraucher umfassen teilweise 60 bis 70 Seiten pro Versicherer. Wenn der Vermittler zehn Gesellschaften abfragt, kommt dabei eine urlaubsfüllende Lektüre zusammen. „Das kann und will kein Kunde lesen“, sagt Sandkühler.
Die inhaltliche Arbeit der Makler verändert sich durch die Reformen nicht großartig. „Jeder vernünftig arbeitende Vermittler hat schon immer den persönlichen Bedarf des Kunden analysiert“, sagt Thomas Kast, Mitglied der Geschäftsführung bei Südvers. Das Maklerhaus habe auch vor der Vermittlerrichtlinie schon Protokolle der Beratungsgespräche angefertigt. Das Einzige, das sich geändert habe, sei der bürokratische Aufwand. „Nach jedem Kundengespräch müssen wir eine riesige Verwaltungsmaschinerie anwerfen und die Informationspakete von den Versicherern einholen“, sagt er.
Es gibt zwar die Möglichkeit, mit dem sogenannten Invitatio-Modell dem Papierwust Einhalt zu gebieten. Dabei erfasst der Makler zunächst grob die Wünsche seines Kunden und fragt danach unverbindlich Angebote bei den Versicherern ab. Nur für den Vertrag, den der Kunde auswählt, erhält er die detaillierten Bedingungen. Doch das Invitatio-Modell bieten nicht alle Versicherer in allen Sparten an. Zudem seien die Informationen der Gesellschaften höchst uneinheitlich, sagt Kast.
Manche Anbieter liefern die Bedingungen in Papierform, andere auf CD oder USB-Stick. Auch die Produktinformationsblätter unterscheiden sich stark. „Man sieht, dass sie maßgeblich von Juristen gestaltet worden sind“, sagt Sandkühler vom IVM. In erster Linie hätten sie sich bemüht, den gesetzlichen Anforderungen Genüge zu tun. „Den Gerichtsstand und Sitz des Versicherers zu erfahren, ist aber für die Versicherungsnehmer nicht die entscheidende Information“, sagt er.
Viel wichtiger sei es, darauf hinzuweisen, dass der Kunde etwa bei fondsgebundenen Versicherungen das Risiko der Kapitalanlage selbst trägt. Es bleibe dem Makler überlassen, die Informationen so aufzubereiten, dass der Kunde die Kernpunkte versteht. Das alles kostet viel Zeit. Da der Makler dem Kunden Gelegenheit geben muss, die Informationsflut zu verdauen, bevor er einen Vertrag unterschreibt, sind mehr Beratungstermine notwendig als früher. „Umfragen unter Maklern haben einen zeitlichen Mehraufwand von rund 42 Prozent ergeben“, sagt Sandkühler. Kast von Südvers rechnet damit, dass viele kleine Makler den Mehraufwand nicht schultern können und das Handtuch werfen werden. „Damit erreicht der Gesetzgeber genau das Gegenteil von dem, was er beabsichtigt hat“, sagt Kast. „Es gibt weniger Wettbewerb in der Branche und weniger Auswahl für den Kunden.“
Viele Vermittler hatten befürchtet, dass die Angabe der Abschlusskosten die Kunden abschreckt. „Die Details über die Kosten gehen in der allgemeinen Informationsflut unter“, sagt Sandkühler. Nur in Einzelfällen sei es wegen der Kosten nicht zum Vertragsabschluss gekommen.
Während die Makler noch mit den ersten Auswirkungen der Reformen kämpfen, hat sich das Bundeswirtschaftsministerium schon an die Überarbeitung der Vermittlerrichtlinie gemacht. Die Änderungen seien aber minimal, so Kast. „Gravierende Probleme wie die Informationsflut wurden aber nicht gelöst“, sagt er.
Auch die EU will die Vermittlerrichtlinie überarbeiten. Ihr sind die Provisionsregeln der Makler ein Dorn im Auge. In den nächsten drei Jahren sei aber aus Brüssel dazu nichts zu erwarten, glaubt Sandkühler. „Es sollen zunächst Erfahrungen mit der Richtlinie gesammelt werden, bevor sie auf den Prüfstand kommt“, sagt er. Bis das Thema in Brüssel wieder ansteht, müssten die Makler in Sachen Vergütung transparenter werden. „Die EU kritisiert nicht das Provisionssystem an sich, sondern nur dessen Auswüchse“, erklärt Sandkühler. Es sei nichts dagegen einzuwenden, wenn ein Makler 20 Prozent der Prämie als Courtage erhält. Problematisch werde es erst, wenn Sondervergütungen dazukommen, die den Makler dafür belohnen, dass er viel Geschäft bei einem Versicherer platziert. Das verhindere eine objektive Beratung. „Wir müssen deutlich machen, dass wir solche Vergütungsmodelle ablehnen.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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