Projekt kommt nur schleppend voran. Es hapert vor allem an der technischenUmsetzung
Von Friederike Krieger
Bei dem Großprojekt „elektronische Gesundheitskarte“ hakt es an allen Ecken und Enden. Die Kartenausgabe kommt nur schleppend voran. Wichtige Anwendungen funktionieren noch nicht. Viele Ärzte stemmen sich gegen das Projekt. Die IT-Branche ist frustriert.
Den Anstoß zu dem Projekt gab 2001 der Skandal um den Cholesterinsenker Lipobay. Zahlreiche Patienten starben wegen Medikamenten-Wechselwirkungen. Der Plan: Auf dem Chip der Karte soll eine Arzneimitteldokumentation hinterlegt werden, die Aufschluss über die eingenommenen Medikamente gibt, sowie ein Notfalldatensatz.
Das kleine Stückchen Plastik sollte zudem den digitalen Austausch von Rezepten, Arztbriefen und Patientenakten ermöglichen. Da auf die Karte nicht so viele Daten passen, muss ein Großteil verschlüsselt auf Servern gespeichert werden. Über eine Internetverbindung kann sich der Arzt mit der Gesundheitskarte und seinem elektronischen Heilberufsausweis dann Zugang zu den Daten verschaffen.
Die Kassen in Nordrhein haben inzwischen mit der Ausgabe der ersten Karten begonnen, andere Regionen sollen folgen. Doch bisher kann die neue Gesundheitskarte kaum mehr als die Alte. Sie enthält Pflichtangaben wie Name, Anschrift und Geburtsdatum des Patienten sowie ein Foto, um Missbrauch zu vermeiden.
Die medizinischen Anwendungen der Karte wie das elektronische Rezept (E-Rezept) und die elektronische Patientenakte hat Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler mit einem Moratorium belegt, bis praxistaugliche Lösungen gefunden sind. In der Testphase hatten Ärzte bemängelt, dass das Speichern eines E-Rezepts auf der Karte länger dauert als das Ausstellen der Papierversion.
Über 10 000 Karten hat die AOK Rheinland/Hamburg bisher ausgegeben. Ziel aller Kassen in Nordrhein ist es, bis Ende März 100 000 Karten verteilt zu haben. Der Industrie geht das nicht schnell genug. „Die Geduld der Branche ist am Ende“, sagt August-Wilhelm Scheer, Präsident des IT-Verbandes Bitkom.
Ursprünglich sollten bereits Anfang 2006 alle Krankenversicherungskarten durch Gesundheitskarten ersetzt worden sein. „Jetzt haben wir 2010 und es ist immer noch nicht absehbar, wann die Karte kommt“, klagt er. Die Industrie hat bereits rund 450 Mio. Euro in das Projekt investiert. Erste Unternehmen wie Siemens sind inzwischen ausgestiegen.
Dass die Karten in ihren Funktionen abgespeckt sind, stört Scheer nicht sonderlich. Die Krankenkassen sehen das anders. „Die Gesundheitskarte macht nur Sinn, wenn auch die medizinischen Online-Anwendungen bald funktionieren“, sagt Wilfried Jacobs, Chef der AOK Rheinland/Hamburg.
Die Ärzte haben aber einen Vorbehalt. Es sei zwar wichtig, die Mediziner miteinander zu vernetzen und die bisherigen Insellösungen zu einem großen Ganzen zusammenzufügen, sagt Franz-Joseph Bartmann von der Bundesärztekammer. „Wir brauchen aber auch das Prinzip der Freiwilligkeit bei medizinischen Anwendungen für Patient und Arzt.“
Viele Ärzte möchten keine Online-Anbindung, geschweige denn eine zentrale Speicherung von medizinischen Daten. „So einen riesigen Datenberg kann man nicht schützen“, sagt die Hamburger Allgemeinmedizinerin Silke Lüder, Specherin der Initiative „Stoppt die e-Card“. Dieser Ansicht ist auch Hartmut Pohl von der Gesellschaft für Informatik. „Die Gesundheitsdaten aller Patienten im Internet zu speichern ist eine Horrorvorstellung“, sagt er. „Sie können bei dem geringsten Fehler von allen gelesen werden.“ Die Daten sollten lieber dezentral auf einem speziellen USB-Stick hinterlegt werden, den der Patient mit sich herumträgt, sagt Pohl.
Quelle: Financial Times Deutschland
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