Sanierungen in der Krise fordern Firmen viel ab. Manch Einschnitt lässt sichgerade dann aber einfacher durchsetzen
VON Anne-Christin Gröger
Die Wirtschaftskrise traf den hessischen Autozulieferer hart. Weil er vor allem Hersteller von großen Lastwagen mit Anhängerkupplungen und anderen Teilen belieferte, brachen innerhalb kürzester Zeit die Umsätze des Marktführers um 60 Prozent ein. Die Gläubiger beauftragten einen Spezialisten, der ein Gutachten erstellte und den Sanierungsprozess in Gang brachte.
Einbußen in dieser Höhe treiben manches Unternehmen in Krisenzeiten in den Ruin, wenn es nicht rechtzeitig die Notbremse zieht. Restrukturierung heißt das Zauberwort, mit dem es das hessische Unternehmen schaffte, aus den roten Zahlen zu kommen. Zu den Maßnahmen einer Restrukturierung gehören Werksschließungen, Mitarbeiterentlassungen oder die Abspaltung unrentabler Betriebsteile.
Richtig umgesetzt können solche Pläne selbst eine schwer krisengeschüttelte Firma wieder auf Kurs bringen und haben so manches Unternehmen vor der Insolvenz bewahrt. Der Umbau von Arbeitsabläufen kann jedoch auch in die andere Richtung führen, wenn falsche Entscheidungen getroffen und erste Krisenanzeichen ignoriert werden. Prominentes Beispiel ist der Modelleisenbahnhersteller Märklin, der trotz jahrelanger Sanierungsmaßnahmen Anfang vergangenen Jahres Insolvenz anmelden musste – daraus aber wieder erstaunlich erholt hervorging.
„Damit ein Unternehmen in Not erfolgreich aus der Krise kommen kann, muss die Geschäftsleitung zunächst ein für die Stakeholder überzeugendes Restrukturierungskonzept vorlegen“, sagt Nils Kuhlwein von Rathenow, Restrukturierungsspezialist der Unternehmensberatung Roland Berger. „Das ist eine Topmanagement-Aufgabe. Es reicht nicht aus, den Umbau in die Hände von Mitarbeitern der zweiten oder dritten Führungsebene zu legen.“ Alle Beteiligten sollten hinter dem Projekt stehen – Banken, Warenkreditversicherer und Gewerkschaften müssen von den Plänen überzeugt werden. Dazu gehören klare Vorstellungen davon, wie das Unternehmen vorgehen will, und regelmäßige Berichte zum Stand der Dinge.
Die schönsten Umbaupläne nützen nichts, wenn einem Betrieb aus Angst vor Entlassung die besten Leute weglaufen. „Eine offene Kommunikation mit den Schlüsselmitarbeitern ist das A und O“, sagt Kuhlwein von Rathenow: „Die Salamitaktik kann zum Verlust der Glaubwürdigkeit führen.“ Leistungsträger in einem Unternehmen wissen meist genau, was der Grund für die Misere des Arbeitgebers ist und wollen nicht für dumm verkauft werden. Die Geschäftsführung sollte ihren Mitarbeitern von Anfang an offen sagen, welche Veränderungen anstehen und sie auch konsequent verfolgen. „Ein Unternehmen ist als Arbeitgeber nur glaubwürdig, wenn es die Ziele, die es sich zu Beginn gesteckt hat, nicht alle vier Monate widerruft, weil ein Standort unvorhersehbar doch geschlossen werden muss oder ein Produkt doch nicht so viel Gewinn bringt wie erwartet“, sagt er. Zu einer erfolgreichen Kommunikation mit der Belegschaft gehört auch, erste positive Zwischenergebnisse transparent zu vermitteln und gute Mitarbeiter mit Prämien oder Aufstiegschancen zu halten.
Die Umsetzung von Restrukturierungsmaßnahmen in der Krise kann der Firma auch handfeste Vorteile bringen. Strategische Neuausrichtungen, etwa mit der Expansion in Billiglohnländer kann ein Betrieb vor der Öffentlichkeit in schlechten Zeiten wesentlich leichter rechtfertigen als in Zeiten des Wachstums. Auch kann es deutlich leichter sein, mit Mitarbeitern und Betriebsräten über Lohnsenkungen oder den Verzicht auf Zusatzleistungen zu verhandeln.
„Besser ist es immer, nicht erst auf den Abschwung zu warten, um das Unternehmen wirtschaftlich auf Vordermann zu bringen“, sagt Oliver Gorny, Geschäftsführer beim Beratungsunternehmen FTI Consulting. Er rät, in guten Zeiten in die Restrukturierung zu investieren, um in schlechten Zeiten gut gegen die Konkurrenz gerüstet zu sein. „Im Boom haben Firmen mehr Spielraum, die notwendigen Restrukturierungskosten zu finanzieren, weil sie einerseits gegenüber den Banken großzügigere Kredite durchsetzen können als in der Krise“, sagt er. „Andererseits steht für den Umbau auch mehr Eigenkapital zur Verfügung.“ Auf keinen Fall sollten die Firmenchefs bei drohenden Schwierigkeiten den Kopf in den Sand stecken und die Situation gegenüber Banken und Mitarbeitern schönreden, rät Gorny.
Gerade die aktuelle Krise zeichnet sich durch ihren heftigen Verlauf aus, der innerhalb kürzester Zeit auch großen, erfolgreichen Betrieben hohe Erlöseinbußen bescherte. „Selbst Weltmarktführer mussten binnen Monaten Umsatzverluste bis zu 60 Prozent hinnehmen“, sagt Gorny. Da zahlreiche Märkte in vielen Regionen gleichzeitig einbrachen, ist das Abgeben von Wirtschaftsprognosen erschwert, auf denen jede Restrukturierung basiert. Grundsätzlich aber gilt nach Kuhlwein von Rathenows Ansicht: „Die wirtschaftlich erfolgreichsten Unternehmen einer Branche zeichnen sich oft dadurch aus, dass sie ohnehin kontinuierlich restrukturieren.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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