Gegenläufiger Trend zur Containerschifffahrt · China drosselt Importe vonKohle und Erz · Branche hofft auf 2011
Von Patrick Hagen, Köln
Eigner von Massengutschiffen leiden unter einem dramatischen Absturz der Transportpreise. Hauptgrund ist die fehlende Nachfrage chinesischer Unternehmen nach Eisenerz und Kokskohle.
Der Trend ist ein ernsthaftes Warnsignal – die Frachtraten gerade bei diesen Rohstoffen gelten als Konjunkturindikator. Er zeigt, dass die Weltwirtschaft immer noch fragil ist. Andererseits spiegelt der Trend den Krach zwischen chinesischen Stahlkonzernen und den Bergbaugiganten über das Preissystem wider. Die Chinesen drosseln Importe und verbrauchen zunächst zwischengelagerte Rohstoffe.
„China baut unter anderem wegen der hohen Preise für Eisenerz seine Lager ab, das wirkt sich direkt auf die kurzfristigen Raten aus“, sagte Justus Brejla von Nordcapital Shipping in Hamburg. „Dazu kommt, dass saisonal bedingt weniger Kohle importiert wird.“
Die Entwicklung des Marktes für große Erz- und Kohlefrachter, im Fachjargon Bulker, läuft derzeit konträr zum positiven Trend bei Containerschiffen, die fertige Waren oder Halbprodukte befördern. Erzielten Bulker der größten Klasse noch Mitte Mai bei Neuabschlüssen Mietpreise von 60 000 Dollar pro Tag, sind es jetzt im Schnitt nur noch 12 600 Dollar. Auf einigen Strecken liegen die Frachtraten unter den Betriebskosten.
Die Bulker transportieren Schüttgüter, vor allem Kohle, Eisenerz und Getreide. Sie laden in erster Linie in Häfen der Rohstoffproduzenten wie Brasilien. Anders als in der Containerschifffahrt gibt es hier keine Linienreedereien, die Transportdienste mit festen Fahrplänen anbieten. Eigner vermieten ihre Schiffe entweder an andere Reedereien oder direkt an die Rohstoff- und Stahlkonzerne wie den australisch-britische Konzern BHP Billiton oder Baosteel aus China.
Die aktuelle Ratenmisere betrifft vor allem die größten Schiffe. Diese Capesize-Frachter passen nicht durch den Suez- und den Panamakanal und müssen daher um das Kap der guten Hoffnung und das Kap Hoorn herumfahren. Sie sind rund 300 Meter lang und transportieren weit über 100 000 Tonnen. Weltweit gibt es rund 1050 davon. Die größten Reedereien sind Mitsui O.S.K. Lines aus Japan, Cosco aus China und NYK, ebenfalls aus Japan.
Capesize-Schiffe sind wegen ihrer Größe nicht flexibel – eigentlich können sie nur Kohle und Erz fahren. Deshalb trifft sie die chinesische Zurückhaltung besonders.
Aber der Markt steht nicht nur auf der Nachfrageseite unter Druck. Im ersten Halbjahr wurden rund 100 neue Capesize-Schiffe von Werften abgeliefert. „Diese Entwicklung ist zum Teil ein hausgemachtes Problem des Angebots an Schiffen und deswegen wenig überraschend“, sagte ein Sprecher der HSH Nordbank, des größten Schiffsfinanzierers der Welt. „Die Stimmung war zu gut.“
Die Capesize-Flotte wird weiterwachsen. Anfang des Jahres hatten die Werften Neubestellungen mit einem Volumen von 90 Prozent der existierenden Flotte in den Büchern. Ende Juni waren es trotz vieler Ablieferungen immer noch mehr als 80 Prozent. In den vergangenen Monaten haben vor allem griechische Eigner noch zahlreiche neue Schiffe bestellt.
Allerdings ist noch unklar, wie viele der bestellten Schiffe tatsächlich abgeliefert werden. Viele sind bei Werften in Auftrag, die erst noch gegründet werden sollen. Ob das aber geschieht, ist angesichts der Krise offen. Darüber hinaus ist bei vielen die Finanzierung unsicher.
Jens-Michael Arndt, Geschäftsführer bei der Hamburger Reederei Vogemann, ist trotz des aktuellen Preisverfalls optimistisch. „Wir hatten noch Anfang Juni sehr hohe Raten, trotz der Ablieferung von fast 100 Schiffen“, sagte er. Die Reederei Vogemann ist auf Bulker spezialisiert und betreibt sieben Capesize-Frachter, die sie über Schiffsfonds finanziert hat.
Arndt glaubt, dass die Raten nicht sehr lange so niedrig bleiben. Das ließe sich an den sogenannten Freight Forward Agreements ablesen, den Terminkontrakten für Schiffsraum. Wer sich heute einen Capesize-Frachter für 2011 sichern will, muss dafür knapp 25 000 Dollar am Tag zahlen. „Der Bulk-Markt ist extrem volatil“, sagte er.
Positiv auf die Raten auswirken könne sich auch, dass die Häfen in Brasilien und Australien unter Engpässen leiden. Sobald die Nachfrage aus China anzieht, könnten sich dort wieder lange Schlangen von Schiffen bilden. „Das bindet Tonnage und ist für die Raten positiv“, sagte Arndt. Allerdings sei der Markt sehr stark von China abhängig. „Auskömmliche Raten kann es nur geben, wenn die Nachfrage aus China in dem Maße bestehen bleibt wie in den vergangenen Jahren.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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