Berufsunfähigkeitspolice trotz Vorerkrankung? Kaum zu bekommen. Und dieSpezialverträge helfen im Ernstfall selten
Eine Berufsunfähigkeitsversicherung muss sein – das verkünden Versicherer und Verbraucherschützer in seltener Eintracht. Neben der obligatorischen Kranken- und einer Haftpflichtpolice zählen sie die Absicherung der eigenen Arbeitskraft zu den wichtigsten Verträgen, die ein Berufstätiger abschließen sollte, um im Ernstfall nicht vor dem finanziellen Aus zu stehen. Weil die Berufsunfähigkeit seit 2001 nicht mehr Teil des gesetzlichen Versicherungsschutzes ist, müssen Erwerbstätige, die nach dem 1. Januar 1961 geboren wurden, selbst vorsorgen.
Eine gute Police zu bekommen ist jedoch schwierig. Interessierte müssen sich durch eine Vielzahl von Gesundheitsfragen quälen. Bei Vorerkrankungen wie Heuschnupfen oder Bandscheibenvorfällen reagieren die Versicherer mit Ausschlüssen und höheren Prämien. Dabei gehen sie inzwischen deutlich strenger vor als noch vor einigen Jahren.
Da die Belastung für die Versicherer hoch ist, falls die Berufsunfähigkeit tatsächlich eintritt, prüfen sie jeden Fall besonders penibel und lehnen kritische Fälle lieber gleich ab. Gesundheitliche Probleme wie Diabetes, Schlafapnoe oder sogar Legasthenie können dazu führen, dass Interessierte bei privaten Anbietern keine Police mehr bekommen. Hier entgeht den Versicherern viel Geschäft, denn viele Abgelehnte würden sich gern durch eine Versicherung schützen. Bislang hatten sie nur die Möglichkeit, eine Unfallversicherung abzuschließen.
Erste Gesellschaften reagieren nun auf die Angebotslücke. Sie bieten Kombinationsverträge an, die in einem Vertrag Unfälle mit Invaliditätsfolge, den Verlust von Grundfähigkeiten wie Sprechen, Hören oder Sehen, Pflegebedürftigkeit und schwere Erkrankungen an Organen sowie Krebs absichern. Bei Axa ist das die Existenzschutzversicherung, bei Barmenia heißt die Police Opti5-Rente, bei der Gothaer-Tochter Janitos Multirente.
„Der Schutz ist umfassender als bei einer einfachen Unfallversicherung“, sagt eine Axa-Sprecherin. „Anders als bei der Berufsunfähigkeitsversicherung können wir auch Menschen mit Vorerkrankungen aufnehmen.“ Denn der Versicherer zahlt nur bei den im Vertrag festgelegten Krankheiten. „Psychische Beschwerden sind überhaupt nicht mitversichert, genauso wie Erkrankungen des Knochengerüsts“, sagt Michael Franke, Geschäftsführer der Ratingagentur Franke & Bornberg. Und genau das ist die Krux, sagt Michael Wortberg von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz: „Immer mehr Menschen können aufgrund psychischer Probleme ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen. Was bringt denen dann eine solche Police?“ Immerhin lässt sich eine mögliche spätere Krebserkrankung absichern.
Der Beruf spielt beim Abschluss keine Rolle, ein kaufmännischer Angestellter muss genauso viel Prämie bezahlen wie ein Tischler. Der monatliche Bruttobeitrag für einen 40-Jährigen, der eine monatliche Rente von 1000 Euro erhalten möchte, liegt zwischen 22 und 30 Euro, rechnet Franke vor. Zum Vergleich: Ein Berufsunfähigkeitsvertrag könne für die gleiche Person monatlich leicht 150 Euro mehr Beitrag kosten.
Ähnlich wie bei der Berufsunfähigkeit muss sich der Kunde vorher einer Gesundheitsprüfung unterziehen. Die falle aber weniger ausführlich aus, so die Versicherer. Allerdings muss der Kunde auch hier genau angeben, welche Erkrankungen und Unfälle er in den vergangenen fünf Jahren hatte oder ob er möglicherweise eine psychologische Behandlung in Anspruch nehmen musste. „Ist das der Fall, stehen detailliertere Nachprüfungen auf dem Programm“, sagt ein Sprecher von Janitos.
Verbraucherschützer kritisieren die Angebote als zu teuer gemessen an den übernommenen Risiken. Es müsse viel passieren, bevor der Versicherer überhaupt zahlt, sagen sie. In der Tat gibt es meist nur dann Geld, wenn die Krankheit des Betroffenen nicht mehr therapierbar ist. Wer aufgrund eines Schlaganfalls das Sprachvermögen nur teilweise verloren hat und durch eine logopädische Behandlung wieder sprechen lernt, geht leer aus.
Auch Ratingagentur-Geschäftsführer Franke rät Interessierten, nicht an der falschen Stelle zu sparen. Besser sei es, zunächst zu prüfen, ob nicht doch der Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung möglich sei. „Die Kombipolicen sind wirklich nur eine Notlösung für Menschen, die gar keinen anderen Versicherungsschutz bekommen“, sagt er.
Anne-Christin Gröger
Quelle: Financial Times Deutschland
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