Von der Krise schwer geplagt, freuen Factoring-Gesellschaften sich wiederüber wachsende Umsätze. Das Inkassogeschäft lässt nach
Drei Tage dauert es, dann hat Kurt Straubinger einen Großteil des Geldes für gelieferte Waren auf dem Firmenkonto. Das ist praktisch. Der Geschäftsführer der Firma Joma-Polytec muss sich nicht selbst damit plagen, dass die Abnehmer pünktlich zahlen.
Der mittelständische Betrieb stellt Kunststoffteile her. Er fertigt Schaltergehäuse für die Elektroindustrie und Fensterstege für Bauunternehmen. Zweimal in der Woche meldet Straubinger die Außenstände seiner Firma bei einem Dienstleister, der sich um die Rechnungen kümmert. So bleibt der Betrieb in Bodelshausen bei Tübingen flüssig und kann das Geld gleich wieder investieren. „Wir haben vor sieben Jahren begonnen, unsere Außenstände über eine Factoring-Gesellschaft einzutreiben“, sagt Straubinger. „Gerade in der Wirtschaftskrise mussten wir nicht vorfinanzieren und konnten gleich wieder auf das Geld zugreifen.“
Hersteller wie Joma-Polytec stehen häufig vor dem Problem, dass ihnen nach Lieferung der Waren das Geld fehlt, das sie eigentlich für die Weiterproduktion benötigten.
Immer mehr Betriebe nutzen deshalb die Dienste von Factoring-Gesellschaften, die offene Forderungen von Firmen kaufen und ihnen einen großen Teil der Summe sofort auszahlen. Den Rest erhalten sie, wenn die Schuldner bezahlt haben. Dafür berechnen die Anbieter eine Grundgebühr, die sich an der Höhe der Forderungen orientiert, und einen Zins auf den vorgeschossenen Rechnungsbetrag.
Das hat den Vorteil, dass Betriebe schnell wieder Geld zur Verfügung haben – ist aber auch teuer. Damit die Anbieter nicht auf den Rechnungen sitzen bleiben, kaufen sie bei Kreditversicherern spezielle Deckungen.
Deren Kosten kalkulieren sie in ihre Angebote ein. Dabei sind sie nicht besonders auskunftsfreudig. „Wir berechnen die Kosten individuell, je nach Bonität, Größe und Umsatz eines Unternehmens“, heißt es bei den meisten Anbietern. „Je weniger Umsatz ein Unternehmen macht, desto teurer wird es“, sagt hingegen Carlo Ries vom Versicherungsmakler Südvers. „Für ein Unternehmen mit einem Umsatz von 2 bis 3 Mio. Euro kann die Gebühr bis zu fünf Prozent der Forderungssumme betragen.“ Die zusätzlichen Zinsen auf das vorgeschossene Geld können zwischen ein und drei Prozent über dem Standardzins Euribor liegen, zu dem die Banken sich untereinander Geld leihen.
Die Factoring-Branche hat unter der Wirtschaftskrise stark gelitten. Der Gesamtumsatz, der sich aus dem Wert der Rechnungen aus dem In- und Ausland zusammensetzt, sank 2009 um 7,3 Prozent auf 96,21 Mrd. Euro. Vor allem im Geschäft mit Bestandskunden aus der Großindustrie mussten die Anbieter Verluste hinnehmen. Viele Schuldner drohten zahlungsunfähig zu werden. „Die in Teilen abgesunkenen Bonitäten einzelner Abnehmer hatten dazu geführt, dass Factoring-Dienstleistungen nicht in allen Fällen aufrecht erhalten werden konnten“, sagt Alexander Moseschus, Geschäftsführer des Deutschen Factoring-Verbands (DFV) in Berlin. Der starke Geschäftseinbruch 2008 und 2009 resultierte jedoch auch daraus, dass viele Kunden krisenbedingt weniger Umsätze hatten und deshalb weniger Rechnungen verkauften. Die Branche hatte außerdem damit zu kämpfen, dass die Kreditversicherer die Beträge kürzten, bis zu denen sie den Ausfall von Forderungen versichern. „Wir mussten Kunden ablehnen, weil wir allein das Ausfallrisiko nicht tragen konnten“, sagt Volker Ernst, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Factoring für den Mittelstand in Hahnstätten in Rheinland-Pfalz. Der Verband vertritt kleinere und mittelgroße Anbieter. Ernst ist außerdem Geschäftsführender Gesellschafter der Firma Ernst Factoring. So düster es in der Krise auch für die Rechnungskäufer aussah – die Zahl der Neukunden stieg kräftig an. Mehr Mittelständler verkaufen ihre Rechnungen und nutzen das als Alternative zu den teuren Krediten der Hausbanken. Das hat sich auch auf die Geschäftspolitik der Anbieter ausgewirkt. „Wir setzen jetzt mehr auf Unternehmen aus dem unteren Segment“, sagt Franz Michel, der beim Kreditversicherer Coface das Factoring-Geschäft verantwortet. Er glaubt, dass seine Firma dabei Erfolg haben wird. „Hier ist der Wettbewerb unter den Anbietern noch nicht so stark.“ Auch Zulieferer für Handwerker will Coface stärker ins Visier nehmen.
Mit dem beginnenden Aufschwung scheint sich die Situation wieder entspannt zu haben. Der DFV meldet für das erste Halbjahr 2010 steigende Umsätze und geht davon aus, dass das zweite Halbjahr ebenso erfolgreich verlaufen wird wie das erste. „Wir sind zuversichtlich, dass uns die Kunden treu bleiben werden“, sagt Moseschus.
Doch nicht jeder ist überzeugt, dass der Verkauf von Rechnungen in wirtschaftlich guten Zeiten Zukunft hat. „Unternehmen, denen es gut geht, können derzeit schon wieder recht günstige Kredite bekommen“, sagt Josef Trischler vom Verband Deutscher Maschinen und Anlagenbau. „Ich glaube nicht, dass für diese Betriebe Factoring eine bessere Variante ist.“
Eine Alternative zum Verkauf der Außenstände ist das professionelle Eintreiben von Schulden durch Inkassogesellschaften. In der Krise haben mehr Unternehmen diesen Weg gewählt, um an ihr Geld zu kommen. „Derzeit sind die Zahlungsausfälle aber rückläufig“, sagt Dirk Oevermann, der bei Euler Hermes verantwortlich ist fürs Inkassogeschäft.
Kurt Straubinger von Joma-Polytec wird wohl nicht zu den neuen Interessenten gehören. „In guten, langjährigen Kundenbeziehungen ist Inkasso selten nötig“, sagt er. „Da reichen ein paar Telefonate und persönliche Gespräche meistens aus.“
Anne-Christin Gröger
Quelle: Financial Times Deutschland
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