Für Massenunfälle hat die Versicherungswirtschaft ein vereinfachtesRegulierungsverfahren entwickelt. Es wird jedoch nur selten angewendet
Friederike Krieger
Das Blitzeis in weiten Teilen Deutschlands macht Autofahrten zu einer Zitterpartie. Auf spiegelglatter Fahrbahn rutschte gestern auf der A 8 zwischen München und Stuttgart ein Sattelschlepper in einen Reisebus. 30 Personen wurden verletzt. Oft kommt es bei solchen Witterungsbedingungen auch zu Massenunfällen.
Unfallopfer haben es dabei nicht leicht. Sie müssen klären, wer an dem Unfall die Schuld trägt, um Ansprüche bei der eigenen Kaskoversicherung oder den Haftpflichtversicherern der Unfallgegner anmelden zu können. Bei einem Massenunfall ist der Verursacher aber kaum zu ermitteln.
„Das größte Problem bei der Schadenregulierung ist die Suche nach dem Schuldigen“, sagt Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten (BdV). Sind besonders viele Fahrzeuge beteiligt, können die Betroffenen auf eine schnelle und unbürokratische Regulierung hoffen. „Die Versicherungsbranche hat sich auf ein vereinfachtes Verfahren bei Massenkarambolagen geeinigt“, sagt ein Sprecher der HUK-Coburg. Es erspart den Beteiligten die Suche nach dem Unfallverursacher und bietet eine pauschale Abfindung.
Ob eine Massenkarambolage vorliegt, bestimmt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Voraussetzung für eine vereinfachte Schadenregulierung ist, dass mindestens 50 Fahrzeuge beteiligt sind. Ist der Unfallhergang schwer aufzuklären, kann der GDV schon ab 20 Fahrzeugen eine gemeinsame Regulierungsaktion anordnen. Der Verband benennt unter den Kfz-Haftpflichtversicherern der Unfallbeteiligten meist ein Unternehmen, das die gesamte Schadenregulierung übernimmt. Das sind oft große Kfz-Versicherer wie die Allianz.
„Das ist praktisch, denn so gibt es nur einen Ansprechpartner für alle Beteiligten“, sagt Bianca Boss vom BdV. Der Versicherer holt sich das Geld später von den anderen Gesellschaften zurück. Mit einer vollen Übernahme der Reparaturkosten können die Versicherten allerdings nur rechnen, wenn sie ausschließlich Heckschäden haben. Bei Front- und Heckschäden trägt die Versicherung zwei Drittel der Kosten. Ist nur die Frontseite ramponiert, gibt es 25 Prozent. „Bei einem teuren Wagen ist das natürlich ärgerlich“, sagt Boss. Dafür wird der Schadenfreiheitsrabatt der Kfz-Haftpflichtpolice nicht angetastet. Wird der Fahrer oder Halter des Fahrzeugs verletzt, übernimmt die Versicherung zwei Drittel der möglichen Entschädigungszahlungen.
Solche Regulierungsaktionen sind jedoch selten. Statistisch komme es weniger als einmal im Jahr zur Anwendung des vereinfachten Verfahrens, sagt eine Sprecherin der DEVK. Mitte 2009 kam es auf der A 2 zu einem großen Unfall, den der GDV trotz der 259 beteiligten Autos jedoch nicht als Massenkarambolage einstufte, da die Autos in kleinen, voneinander getrennten Pulks kollidiert waren. 2005 gab es laut GDV den letzten Massenunfall. „Die Hürde, ab wann es sich um eine Massenkarambolage handelt, ist zu hoch“, kritisiert Rudnik vom BdV. Er fordert, dass die Versicherer schon ab 20 Fahrzeugen das vereinfachte Verfahren zum Standard machen.
Quelle: Financial Times Deutschland
Dieser Beitrag ist nur für Premium-Abonnenten vom Versicherungsmonitor persönlich bestimmt. Das Weiterleiten der Inhalte – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Bitte bedenken Sie: Mit einer von uns nicht autorisierten Weitergabe brechen Sie nicht nur das Gesetz, sondern sehr wahrscheinlich auch Compliance-Vorschriften Ihres Unternehmens.
Diskutieren Sie mit
Kommentare sind unseren Abonnenten vorbehalten. Bitte melden Sie sich an oder erwerben Sie hier ein Abo