InterviewDie Gründerin des Frauenfinanzdiensts, Heide Härtel-Herrmann,begrüßt die Einführung von Unisextarifen in der Versicherungswirtschaft
FTD Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die bisherige Praxis der Versicherer, für Männer und Frauen unterschiedliche Tarife zu berechnen, für ungültig erklärt, weil sie Frauen diskriminiert. Künftig soll es nur noch Unisextarife geben. Bringt das den Frauen wirklich einen Zugewinn?
Heide Härtel-Herrmann Natürlich. Vor allem in der Rentenversicherung hatten wir bisher keine Gerechtigkeit. Die Policen waren für Frauen immer teurer. Betrachten wir einen 40-jährigen Mann und eine gleichaltrige Frau, die über 25 Jahre so viel in eine Rentenpolice einzahlen, dass sie im Ruhestand eine monatliche Auszahlung von 1000 Euro erhalten. Frauen mussten für die gleiche Leistung rund 10 000 Euro mehr aufbringen.
Die Versicherer begründen dieses Vorgehen mit der statistisch höheren Lebenserwartung von Frauen. Überzeugt sie das nicht?
Härtel-Herrmann Wer mit der Statistik argumentiert, verkennt, dass das Geschlecht nicht der einzige Faktor ist, der für die Lebenserwartung ausschlaggebend ist. Auch die Ausbildung ist entscheidend. So ist bekannt, dass Menschen mit hoher Qualifikation im Schnitt wesentlich länger leben. Trotzdem müssen Akademiker für Rentenpolicen nicht mehr bezahlen als Nicht-Akademiker.
Die Assekuranz behauptet, dass künftig alle Versicherten wegen der Unisextarife höhere Beiträge bezahlen müssten. Was ist von dieser Drohung zu halten? Härtel-Herrmann Da Frauen die ganzen Jahre über mehr gezahlt haben als Männer, müssen in erster Linie die Beiträge der Männer steigen. Ob es für alle teurer wird, ist fraglich. Die Versicherer wettern unter diesem Vorwand schon seit Jahrzehnten gegen eine Gleichberechtigung bei der Beitragskalkulation. Auch bei den Unisextarifen der Riester-Rente haben die Anbieter ein Horrorszenario steigender Preise an die Wand gemalt. Es ist nicht eingetreten. Die EuGH-Entscheidung hat natürlich eine ganz andere Dimension. Die Versicherer müssen im großen Stil Tarife neu kalkulieren, was mit sehr hohem Aufwand verbunden ist. Das ist aber ein angemessener Preis für die Gleichberechtigung. Interview: Friederike Krieger
Quelle: Financial Times Deutschland
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