Rechtsanwälte beklagten sich, dass Versicherungen sie aus demSchadensgeschäft drängen – und zogen vor Gericht. Nun steht ein Urteil gegen dieAllianz an
Friederike Krieger , Köln
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) spricht von Foulspiel, die Allianz nennt es Fair Play. Ob die so unterschiedlich betitelte Kfz-Versicherung der Allianz ein Fluch oder ein Segen für Unfallgeschädigte ist, daran scheiden sich die Geister. Der DAV wirft dem Versicherer vor, Anwälte bei der Regulierung von Verkehrsunfällen gezielt kaltzustellen. Das Landgericht München wird am Donnerstag über diesen Streit entscheiden.
Dann steht das Urteil zu einer Klage gegen die Allianz an, die Jörg Elsner eingereicht hat, der Vorsitzende der DAV-Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht (Az.: 17 HK O 19193/11). Er rügt eine Police, nach der ein Allianz-Kunde seinen Unfallwagen besonders schnell zurückbekommt, wenn er ihn in eine Vertragswerkstatt bringt – und keinen Anwalt oder Sachverständigen einschaltet. „Das Konzept beinhaltet einen Boykott von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten“, sagt Elsner. Damit verstoße der Versicherer gegen das Wettbewerbsrecht.
Versicherungen und Anwälte treffen immer häufiger vor Gericht aufeinander. Die Assekuranzen wollen ihre Schadensfälle natürlich möglichst kostengünstig vom Tisch bekommen. Deshalb schließen sie Kooperationsverträge mit Werkstätten, Sachverständigen und Anwaltskanzleien, mit denen sie feste Bedingungen und Preise vereinbaren. Dadurch aber droht den niedergelassenen Anwälten viel Geld zu entgehen. Das Verkehrsrecht und die Regulierung von Unfallschäden gehören für viele zum – einträglichen – Tagesgeschäft. Die Zahl der Anwälte hat sich in den vergangenen 15 Jahren beinahe verdoppelt. Selbst Mandante, in denen es nur um Blechschäden geht, sind da schnell unverzichtbar.
So wehrt sich aktuell auch die Rechtsanwaltskammer München dagegen, dass die HUK-Coburg Rechtsschutzversicherung im anwaltlichen Revier wildert. Die HUK-Tochter bietet Kunden Vergünstigungen, wenn sie im Konfliktfall mit einer Vertragskanzlei zusammenarbeiten. Die Anwaltskammer sieht dadurch die freie Anwaltswahl eingeschränkt. Der Streit ist schon in der zweiten Instanz.
Die Allianz, über deren Fair-Play-Modell nun entschieden wird, kooperiert mit Autoherstellern wie BMW, Ford und Mercedes sowie mit freien Werkstätten. Mit 4800 Betrieben hat sie eine schnelle und standardisierte Schadenregulierung vereinbart.
Doch so fair ist Fair Play nicht, sagt DAV-Anwalt Elsner. Denn es wird dem Autohalter nur eine schnelle Schadenabwicklung garantiert, wenn er keinen Anwalt oder Gutachter hinzuzieht. „Schaltet er einen Anwalt ein, geht es in die lange Schleife“, sagt Elsner. Aus Stunden oder Tagen könnten dann leicht Wochen werden.
Besonders nachteilig sei das Modell für Autofahrer, die selbst keine Allianz-Kunden sind, sondern von einem dort versicherten Verkehrsteilnehmer geschädigt wurden. Gerade bei unverschuldeten Unfällen kann sich ein Gespräch mit einem Anwalt lohnen. Denn neben der Reparatur kann der Autofahrer noch Ansprüche auf Schmerzensgeld, Ausgleich für den Nutzungsausfall des Autos und dessen Wertminderung haben. Die meisten Kfz-Halter wissen aber gar nicht, dass ihnen das alles zusteht. Vertrauen sie gutgläubig dem gegnerischen Versicherer, entgeht ihnen viel Geld. „Den Versicherer stört, dass wir den Geschädigten sagen, welche Rechte sie haben“, so Elsner. Zudem fordere die Gesellschaft zu einem Vertragsbruch gegenüber ihren Kunden auf. „Die Werkstatt richtet sich nach den Reparaturvorgaben der Allianz und vertritt nicht die Interessen des Geschädigten, obwohl er der Vertragspartner ist.“
Die Allianz kann die Aufregung nicht verstehen. Es treffe nicht zu, dass das Unternehmen Anwälte von der Schadenregulierung ausschließe, sagt eine Sprecherin. „Vielmehr handelt es sich um ein Konzept, das die Kommunikationswege zwischen Reparaturwerkstatt und dem Versicherer vereinfacht und Standards für die Reparatur festlegt.“ Geschädigten gingen keine Ansprüche verloren.
Elmar Fuchs, Geschäftsführer des Bundesverbands der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen, teilt zwar die DAV-Kritik, hält die Klage aber für einen Fehler. Auch wenn das Gericht einen Teil der Formulierungen als wettbewerbswidrig erachtet, sei nichts gewonnen. Dann würden nur die bemängelten Passagen aus den Werkstattverträgen verschwinden. „Das System als solches“, glaubt Fuchs, „würde sich nicht ändern.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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