Zahlt der Chef die Krankenzusatzpolice, verzichten Versicherer auf denGesundheitstest
Friederike Krieger
Marathon, Bergsteigen, Skifahren, Segeln – wenn Topmanager über ihre Hobbys reden, entsteht der Eindruck, die Führungskräfte deutscher Unternehmen seien bestens in Form. Die Wirklichkeit sieht anders aus. „Nicht jeder Manager läuft und hat Normalgewicht“, sagt Axel Duckek, Berater bei der Pensionsmanagementtochter des Versicherungsmaklers Martens & Prahl. Viele haben mit ihrer Gesundheit geschludert – was den oft gewünschten Wechsel von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung oder den Kauf privater Zusatzpolicen erschwert bis unmöglich macht.
Grund sind die Gesundheitsprüfungen der privaten Krankenversicherer. Wer in der Vergangenheit schon zwei Bandscheibenvorfälle hatte und eine Zusatzpolice für Krankenhausbehandlungen abschließen will, bekommt auf dem freien Markt oft keinen Vertrag oder muss saftige Risikozuschläge beziehungsweise umfangreiche Ausschlüsse in Kauf nehmen. Damit wollen die Anbieter verhindern, dass sich vor allem Personen versichern, die sehr wahrscheinlich eine Behandlung brauchen und hohe Ausgaben verursachen. Hier können Firmen punkten, die Mitarbeitern betriebliche Krankenzusatzpolicen anbieten. Viele Versicherer verzichten in diesem Geschäft ganz oder teilweise darauf, Gesundheitsfragen zu stellen.
Wie weit die Versicherer jedoch Mitarbeitern mit Vorerkrankungen entgegenkommen, hängt stark mit dem Finanzierungsmodell der Policen zusammen. Während sie sich bei arbeitgebergesponserten Modellen schnell bereit zeigen, komplett auf Gesundheitstests zu verzichten, sind die Versicherer vorsichtiger bei Angeboten, die der Mitarbeiter selbst finanzieren muss. „In den meisten Fällen gibt es bei der Arbeitnehmerfinanzierung immer eine Art von Risikoprüfung“, sagt Martin Meiselbach, Geschäftsführer beim Berater Gossler, Gobert & Wolters (GGW) Versorgungsmanagement. Der Grund: Die Versicherer fürchten, dass dann nur Mitarbeiter mit Vorerkrankungen eine Police abschließen. Finanziert dagegen der Arbeitgeber für alle Angestellten die Angebote, gibt es eine solche Selektion nicht. „Wenn die Gruppe groß genug ist, gleichen sich die guten und die schlechten Risiken aus“, erklärt der Experte.
So ein Modell verfolgt die Axa: In der arbeitnehmerfinanzierten Variante müssen die Mitarbeiter die auch im Einzelgeschäft übliche Gesundheitsprüfung über sich ergehen lassen. Zahlt der Arbeitgeber, entfällt sie größtenteils. Das komme auch den Unternehmen zugute, sagt Michael Haas, Leiter der betrieblichen Krankenversorgung bei der Axa. „Der Arbeitgeber möchte in der Administration der betrieblichen Krankenversicherung einen möglichst geringen Aufwand“, sagt er. „Der Verzicht auf die Gesundheitsprüfung ermöglicht, den Mitarbeiter im Listenverfahren anzumelden.“ Einschränkungen gibt es aber auch hier: Hatte der Mitarbeiter schon einen Herzinfarkt oder leidet er an Krebs, Epilepsie, Multipler Sklerose, Diabetes, der Bluterkrankheit oder einer HIV-Infektion, bekommt er keinen Vertrag. Zudem müssen sich bei der Axa Familienmitglieder von Firmenangestellten, die sich mitversichern wollen, der normalen Risikoprüfung unterziehen.
Die Gothaer hat ein abgestuftes System entwickelt. „Je größer das Kollektiv und die Durchdringung in der Belegschaft, desto eher können wir ganz auf eine Gesundheitsprüfung verzichten“, sagt Michael Kurtenbach, Vorstandschef der Gothaer Krankenversicherung. Das ist der Fall, wenn zu Beginn des Gruppenversicherungsvertrags mindestens 100 Beschäftigte je Tarif zusammenkommen. Der Versicherer testet momentan, ob es vertretbar ist, die Zahl auf 50 Beschäftigte zu senken. „Wir sind hier noch im Pilotbetrieb“, sagt Kurtenbach. „Das wird aber wahrscheinlich bald in die Breite gehen.“ Alternativ verzichtet der Versicherer auch auf Gesundheitsfragen, wenn die Durchdringung in der Belegschaft einen bestimmten, hohen Prozentsatz erreicht, wobei je Tarif wenigstens 20 Mitarbeiter mitmachen müssen.
Die Prüfung fällt allerdings nur weg, wenn Beschäftigte innerhalb von sechs Monaten ab Beginn des Gruppenvertrags eine Versicherung abschließen. Neue Mitarbeiter haben nach der Einstellung ebenfalls ein halbes Jahr Zeit, sich zu entscheiden. Zudem kann bei Beschäftigten mit besonders vielen Fehltagen eine Einzelfallprüfung fällig werden. Familienangehörige müssen sich einer vereinfachten Prüfung unterziehen.
Die Hürden für den Wegfall der Gesundheitsprüfung sind vor allem in der arbeitgeberfinanzierten Variante schnell genommen. „Die meisten Verträge sind aber arbeitnehmerfinanziert“, sagt Kurtenbach. Hier schreitet die Durchdringung nicht ganz so schnell voran. In Unternehmen, die die Voraussetzungen nicht erfüllen, müssen sich Beschäftigte einer vereinfachten Risikoprüfung unterziehen. Bei ambulanten und stationären Zusatztarifen reduziert sich die Zahl der Gesundheitsfragen etwa von zehn auf fünf. Auch hier müssen sich mindestens 20 Mitarbeiter versichern. In Kleinstunternehmen, etwa einem Handwerkerbetrieb mit elf Mitarbeitern, verlangt die Gothaer wieder eine normale Gesundheitsprüfung.
Prüfungen sorgen für FrustMeiselbach von GGW rät Unternehmen zu arbeitgeberfinanzierten Modellen, die möglichst keine Risikoprüfungen vorsehen: „Ablehnungen bei betrieblichen Policen können zu einem negativen Stimmungsbild im Unternehmen führen.“ Diese Erfahrung hat er beim Angebot von Berufsunfähigkeitspolicen gemacht. Mitarbeiter, die privat keine Police mehr bekamen und sich über betriebliche Angebote freuten, waren maßlos enttäuscht, als sie auch bei einem Antrag über die Firma eine Abfuhr bekamen. „Die Schuld wird dann oft nicht dem Versicherer, sondern dem Personaler angelastet“, sagt er.
Viele Mitarbeiter haben auch Angst, dass die Antworten auf die Gesundheitsfragen, die sie dem Versicherer geben, am Ende in ihrer Personalakte landen. „Man kann das zwar sauber trennen, die Sorge in den Köpfen bleibt aber“, sagt Meiselbach.
Die Vorgaben, wann ein Anbieter auf Prüfungen verzichtet, seien nicht in Stein gemeißelt. „Die Versicherer lassen mit sich reden“, sagt er. „Die betriebliche Krankenversicherung ist ein dynamischer Markt, in dem es Verhandlungsspielräume gibt.“
Duckek von Martens & Prahl sieht gerade darin auch eine mögliche Gefahr. „Dort, wo Versicherer Geschäft benötigen, sind sie großzügiger mit der Antragsprüfung“, sagt er. „Später müssen sie dann die Preise erhöhen, weil sie sich durch die lasche Prüfung zu viele schlechte Risiken eingehandelt haben.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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