Wer hat Schuld am geplatzten Börsengang? Der Versicherer zofft sich mitseinen Beratern
Isabel Gomez Herbert Fromme
Herbert Fromme , Köln,
und Isabel Gomez, Frankfurt
Nach der Absage seines Börsengangs schieben sich der Hannoveraner Versicherer Talanx und die beteiligten Investmentbanken gegenseitig die Schuld zu für das peinliche Scheitern auf der Zielgeraden. Es geht um viel: Für Citibank, Deutsche Bank, JP Morgan Chase sowie Rothschild steht ihr Ruf als Arrangeur erfolgreicher Börsengänge auf dem Spiel. Talanx wiederum muss Spott und Häme im Versicherungslager ertragen und ist zudem für Jahre bei Anlegern verbrannt. Der Konzern liebäugelt bereits seit 1997 mit dem Sprung an die Börse.
Aus Sicht von Insidern – Talanx selbst will sich nicht äußern – stellt sich der Sachverhalt so dar: Am 3. September hatten die Banken einen Mindestpreis für den Börsengang genannt, der für Ende dieses Monats geplant war. Dabei gingen die Banker von 5 Mrd. Euro Firmenwert aus – bei einem Buchwert von 6,1 Mrd. Euro vor der im Zuge des Börsengangs geplanten Kapitalerhöhung von 1 Mrd. Euro. „Der Preis war für Talanx schwer zu akzeptieren, aber der Vorstand sagte sich, jetzt müssen wir das durchziehen“, sagt ein Insider.
Am 12. September dann hätten die Banken mitgeteilt, dass sie nach Gesprächen mit Investoren von diesem Preis abrücken müssten. „Da waren plötzlich 4,2 Mrd. oder 4,5 Mrd. Euro als Unternehmenswert im Gespräch.“ Unakzeptabel für die Talanx-Führung, die den Börsengang absagte. „Talanx hat sich darauf verlassen, dass die Banken als Spezialisten und Kenner des Marktes gut abschätzen können, was Investoren zu bieten bereit sind.“
Die Differenz bei der Einschätzung des Unternehmenswerts hätte im Ergebnis beim Emissionserlös nur rund 100 Mio. Euro ausgemacht. Doch Talanx-Chef Herbert Haas, sein Chefaufseher Wolf-Dieter Baumgartl und Finanzchef Immo Querner konnten dem Preis aus Prinzip nicht zustimmen. Denn der von ihnen betriebene Börsengang ist sowohl intern als auch in der Industrie umstritten. Sie kontrolliert den Versicherungsverein HDI, der 100 Prozent an Talanx hält.
Die Talanx-Macher rechneten wie folgt: Der Konzernanteil von 50 Prozent an der im MDAX gelisteten Tochter Hannover Rück ist 3 Mrd. Euro wert, dazu kommt 1 Mrd. Euro aus der Kapitalerhöhung. „Die Börse würde den gesamten Rest des Konzerns dann mit 200 Mio. Euro bewerten“, hieß es. „Das kann niemand unterschreiben.“
Auch von den beteiligten Banken wollte sich niemand äußern. In der Finanzbranche gibt es aber viel Kritik. So habe Talanx einen sehr engen Zeitrahmen vorgegeben, heißt es. Hinzu kommt, dass Talanx-Manager jüngst auf einer Veranstaltung in Warschau eine geplante Übernahme in der Türkei erwähnten, die 750 Mio. Euro hätte kosten können. „Da hatten die Anleger nicht das Gefühl, dass Talanx die Erträge aus dem Börsengang richtig anlegt“, sagte ein Investor.
Schließlich hätten Talanx und die Banken gemeinsam das Problem der bereits börsennotierten Tochter Hannover Rück unterschätzt. Während Talanx seinen Anteil an Hannover Rück nach dem Börsenwert des Unternehmens mit 3 Mrd. Euro ansetzte, gingen Investoren nur von 2,6 Mrd. Euro aus. Schließlich sei der Anteil nicht handelbar und deshalb nicht mit den Aktien im Streubesitz vergleichbar.
Talanx will unverdrossen an den Börsenplänen festhalten, weiß aber, dass die Umsetzung in der jetzigen Konstellation für die kommenden Jahre kaum realistisch ist. Die internationale Expansion will der Konzern daher auch ohne Investoren stemmen.
Quelle: Financial Times Deutschland
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