Weil ihn Berichte über zögerlich regulierte Schäden ärgern, keiltGDV-Präsident Rolf-Peter Hoenen gegen Medien und Anwälte
Herbert Fromme
Herbert Fromme , Köln
Die Versicherer kontern Kritik an ihrer Schadenbearbeitung mit Vorwürfen gegen Medien und Anwälte von Geschädigten. Rolf-Peter Hoenen, Präsident des Gesamtverbands der Versicherungswirtschaft, wirft Medien und Anwälten unzulässige Verallgemeinerung von Einzelfällen vor. Manche Anwälte machten Unfallopfern und anderen Geschädigten falsche Hoffnungen auf unberechtigt hohe Entschädigungen, sagte Hoenen der FTD.
Mit der deftigen Gegenattacke reagiert die Branche auf eine Welle von Vorwürfen: Versicherer verzögerten in großem Stil die Zahlung oder versuchten, Geschädigte mit Minibeträgen abzuspeisen und in kostspielige Prozesse zu zwingen. „Das zeichnet ein Zerrbild der Branche“, sagte Hoenen, bis 2009 Chef von HUK-Coburg.
Hoenen bezieht sich besonders auf den Bericht „Die Nein-Sager“ in der ARD-Sendung „Panorama“ am 4. September. Barmenia und die Allianz standen im Mittelpunkt der Kritik. Der Allianz warf Reporter Christoph Lütgert jahrzehntelange Verzögerung bei Zahlungen an ein Unfallopfer vor – der Mann ist seit einem Unfall an den Rollstuhl gefesselt, der Pkw des Verursachers war Allianz-versichert. In einem zweiten Allianz-Fall ging es um den Kampf der Eltern eines durch ärztliche Fehler bei der Geburt behinderten Kindes für Schadensersatz.
„Diese Sendung hat mich ziemlich geärgert“, sagte Hoenen. Es könne immer mal Problemfälle in der Schadenbearbeitung geben. Er kenne die Einzelheiten der Fälle nicht. „Aber selbst wenn ich einmal unterstelle, dass nicht alles ideal gelaufen ist, bleibt das Problem, dass dies verallgemeinert und zu einem Rundumschlag genutzt wird.“ Bei solchen Schäden handele es sich immer um tragische Schicksale: „Da steckt man als Versicherer bei solchen Sendungen immer in der Empathiefalle, denn es geht um David gegen Goliath, um das Opfer gegen die bösen Versicherer.“ Das werde dann zum System erklärt.
„Aber die Fakten sind eindeutig, die Regulierungsgeschwindigkeit in der Branche ist nicht zurückgegangen“, sagte Hoenen. Als Beispiel nannte er die Autohaftpflichtversicherung: Fast drei Viertel aller Fälle werden nach seinen Angaben noch im Jahr der Meldung erledigt. „Das sind zugegebenermaßen vor allem die kleinen und mittleren Sachschäden“, sagte Hoenen. „Aber auch in der Berufshaftpflichtversicherung im Heilwesen, die oft für schwere Personenschäden leistet, ist im Schnitt die Hälfte der Gesamtleistung nach fünf Jahren ausgezahlt, ein weiteres Drittel des Aufwands schon als Vorschuss gezahlt.“
Hoenen glaubt, dass viele Probleme durch Anwälte entstehen. „Sie haben nicht nur die Aufgabe, für ihre Mandanten beim Versicherer das zu erreichen, was ihnen nach Recht und Gesetz zusteht, sondern sie haben auch die Verantwortung, keine übertriebenen Erwartungen bei Geschädigten zu wecken.“ Dem würden sie nicht immer gerecht.
Auch den Vorwurf, die Branche lehne viele Ansprüche erst einmal ab, um Geschädigte in teure Prozesse zu zwingen, will Hoenen nicht gelten lassen. „Es werden oft Anspruchserwartungen geweckt, die durch den Sachverhalt nicht gedeckt sind.“ Gerade bei Geburtsschäden sei die Situation sehr schwierig für die Versicherer. „So sehr Sie dies vor allem bei so tragischen Fällen berührt, so können Sie dennoch nicht einfach auf eine ordnungsgemäße Prüfung verzichten.“ Sonst würde der Versicherer der Verantwortung gegenüber der Gesamtheit der Kunden nicht gerecht.
Hoenen sagte, eine schlechte Schadenregulierung mache wirtschaftlich keinen Sinn. „Ein schnell regulierter Schaden ist ein gut regulierter Schaden. Muss man vor Gericht, wird es langwieriger und teurer.“ Die Argumentation der Kritiker, Geschädigte können sich die Klage nicht leisten und würden dann kleinere Summen akzeptieren, weist Hoenen auch zurück. „Die Anwälte klagen sehr wohl. Und schließlich haben wir sehr viele Rechtsschutzversicherte in Deutschland.“ Die leiste auch bei einer Klage gegen den eigenen Konzern.
Der Berliner Juraprofessor Hans-Peter Schwintowski verlangt die Einführung eines Strafschadensersatzes, den Gerichte bei bewusster Verzögerung der Schadenregulierung verhängen können. „Die jetzige Rechtslage ist ja schon so“, antwortete Hoenen. „Wenn ein Versicherer nachgewiesenermaßen die Regulierung verzögert, obwohl alle Voraussetzungen für abschließende Zahlungen oder eine Vorschusszahlung gegeben sind, dann setzt das Gericht eine höhere Entschädigungssumme fest.“ Er wehrt sich aber gegen das Wort Strafschadensersatz – aus der Vermischung von Schadensersatz und Strafe könnten leicht amerikanische Verhältnisse folgen.
Quelle: Financial Times Deutschland
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