Die Branche kommt nach dem Sturm wohl glimpflich davon. Doch sie rechnet mit zahlreichen Klagen von Versicherten
Herbert Fromme
Herbert Fromme , Köln
Die Versicherungswirtschaft stellt sich nach dem Hurrikan „Sandy“ auf heftige Auseinandersetzungen mit ihren Kunden ein. Viele US-Haushalte sind zwar gegen Sturmschäden abgesichert, nicht jedoch gegen Überschwemmungen. Das bedeutet: Ist der Schaden am Haus durch Sturmflut oder Starkregen entstanden, zahlen die Versicherer nicht.
Eine Flutdeckung beim staatlichen National Flood Insurance Program oder bei privaten Anbietern haben vergleichsweise wenige Haushalte. „Schon beim Sturm ,Katrina` gab es zahlreiche Diskussionen, ob Gebäude, die von der Sturmflut betroffen waren, auch durch die Winddeckung versichert sind“, sagt Andreas Schraft, Chef der Abteilung Naturgefahren beim weltweit zweitgrößten Rückversicherer Swiss Re. „Der Standpunkt der Versicherungswirtschaft ist hier eindeutig: Wenn wir Wind decken, bedeutet das nicht, dass wir Sturmflut decken.“
Zu Schäden, die Versicherer nicht zahlen wollen, gibt es in der Regel zahlreiche Prozesse. Für die Assekuranz geht es um Milliarden. Die Spezialfirmen für Risikomodellierung AIR und Equecat schätzen den versicherten Schaden aus „Sandy“ auf 10 bis 20 Mrd. Dollar (7,8 bis 15,6 Mrd. Euro) – bei wirtschaftlichen Gesamtschäden von mehr als 40 Mrd. Dollar.
Einen Gesamtschaden von 20 Mrd. Euro kann die Branche verkraften. Schließlich hat sie den Hurrikan „Katrina“ im Jahr 2005 auch gut verdaut – er kostete sie 75 Mrd. Dollar. 2011 mussten die Versicherer weltweit für Naturkatastrophen – vor allem in Japan, Neuseeland, Australien – sogar 110 Mrd. Dollar zahlen.
Swiss Re erwartet, dass „Sandy“ spürbare Auswirkungen auf die Preise für die Naturkatastrophenrückversicherung im Jahr 2013 hat. „Vor ,Sandy` gab es keine größeren Katastrophenschäden, und entsprechend gab es Druck auf die Preise für die Katastrophenrückversicherung“, so Schraft. Der Preisdruck nach unten entfalle jetzt. „Bei Rückversicherungsprogrammen in den USA werden die Preise steigen“, sagt Schraft. „Das gilt vor allem für Gesellschaften, deren Geschäft stark im Nordosten des Landes konzentriert ist und die jetzt durch Schäden belastet sind.“
Rückversicherer wie Swiss Re, Munich Re oder Hannover Rück decken Erstversicherer vom Schlage Zurichs oder AIGs gegen Spitzenbelastungen durch besonders hohe Schäden ab – dabei spielen Naturkatastrophen eine große Rolle. Rück- und Erstversicherer verhandeln in der Regel die Verträge einmal im Jahr neu. Das Ergebnis dieser Erneuerungsrunden ist stark von der Schadenbelastung des laufenden Jahres abhängig.
Zur möglichen Schadenhöhe für Swiss Re will Schraft nichts sagen. „Das ist zu früh. Es dauert Tage oder sogar Wochen, ehe wir die Schadenmeldungen unserer Kunden haben.“ Bis auf den letzten Cent wissen die Rückversicherer ohnehin erst Jahre später, wie teuer ein Schaden wurde. „Für ein großes Ereignis, das nicht übermäßig komplex ist, beträgt die Abwicklungsdauer etwa drei bis fünf Jahre“, so der Experte. Außerdem kann die Schadenlast durch „Sandy“ noch nach oben gehen. Ein Grund sind Betriebsunterbrechungen. Sie dauern dort an, wo es keinen Strom gibt.
Bei der Swiss Re machen die Naturkatastrophendeckungen etwa ein Fünftel der Prämieneinnahmen aus. „Das Geschäft ist für uns sehr attraktiv – einerseits weil es wächst und andererseits weil es profitabel ist“, sagt Schraft. „Zwar kann es Verluste geben in Jahren wie 2005 mit ,Katrina` oder 2011 mit Japan und Thailand, aber das wird aufgewogen durch Jahre, in denen die Schadenaktivität gering ist.“
Außerdem hat diese Sparte einen großen Vorteil: „Wir lieben das Geschäft mit Naturkatastrophen nicht zuletzt deshalb, weil wir glauben, dass wir es sehr gut verstehen.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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